Asyl-Skandal: Grüne wollen öffentliche Sitzung zum Bamf
Innenminister Seehofer und Bamf-Chefin Cordt müssen dem Innenausschuss Rede und Antwort stehen zu falschen Asylbescheiden. Die Grünen wollen beantragen, dass das nicht hinter verschlossenen Türen geschieht.
Die Grünen-Bundestagsfraktion will, dass Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) seine Aussagen zum Asyl-Skandal im Innenausschuss nicht hinter verschlossenen Türen macht.
Seehofer soll an diesem Dienstagnachmittag um 15 Uhr im Innenausschuss des Bundestages Auskunft zur Affäre um falsche Asylbescheide des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bamf) geben. Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen, Konstantin von Notz, sagte am Dienstag: „Wir werden beantragen, dass die Sitzung heute öffentlich stattfindet.“
Grüne und SPD ziehen nun auch einen Untersuchungsausschuss in Erwägung
Den Fragen der Abgeordneten muss sich in dieser Sondersitzung auch die Bamf-Präsidentin Jutta Cordt stellen. Danach dürfte sich entscheiden, ob es einen Untersuchungsausschuss geben wird. Nach der FDP und der AfD wollten das auch die oppositionellen Grünen und die mitregierende SPD nicht mehr ausschließen.
Hintergrund ist ein Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Bremen gegen die ehemalige Leiterin der Außenstelle des Flüchtlingsamts in der Hansestadt. Unter ihrer Ägide sollen zwischen 2013 und 2016 mindestens 1200 Ausländer unrechtmäßig Asyl erhalten haben. Zu den weiteren Beschuldigten in dem Ermittlungsverfahren gehören auch Anwälte und ein Dolmetscher. Die Vorfälle in Bremen haben die Aufmerksamkeit auch auf andere Außenstellen der Behörde gerichtet, in denen die Schutzquoten für Asylbewerber stark vom bundesweiten Durchschnitt abweichen.
SPD-Vize Thorsten Schäfer-Gümbel warnte Seehofer. Er müsse „glaubwürdig aufklären, wann er von welchen Vorgängen Kenntnis erlangt hat“, sagte er den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland (RND). „Aufklären und Konsequenzen ziehen - davon wird auch abhängen, wie die weitere Aufarbeitung aussieht“, betonte Schäfer-Gümbel. „Wenn Herr Seehofer die Aufklärung so gar nicht voranbringt, kann man die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses als Ultima Ratio nicht mehr ausschließen.“
Die Vorsitzende des Rechtsausschusses im Bundestag, Renate Künast (Grüne), sagte dem Nachrichtenportal „watson.de“: „Bei uns ist die Tür grundsätzlich immer offen für einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss, weil er das Werkzeug der Opposition ist.“
FDP und AfD hatten sich schon zuvor für die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses ausgesprochen. Es gebe viel aufzuklären, und ein Parlamentarischer Untersuchungsausschuss des Bundestages sei dafür das beste Instrument. „Die Strukturen des Bamf müssen auf den Prüfstand“, sagte FDP-Chef Christian Lindner der „Passauer Neuen Presse“. Wenn jetzt nicht aufgeklärt werde, spiele das der AfD in die Hände.
Beschäftigte des Bundesflüchtlingsamts machten die frühere Behördenleitung für fehlerhafte Asylentscheide mit verantwortlich. Zum Höhepunkt der Flüchtlingskrise 2015 und 2016 sei der Druck auf die Asylentscheider groß gewesen, möglichst rasch den Berg von Asylanträgen abzuarbeiten, sagte der Chef des Hauptpersonalrats, Rudolf Scheinost, der Deutschen Presse-Agentur. Damals lagen beim Bamf bis zu 1,4 Millionen Anträge. Grundsätzlich litten bundesweit Entscheidungen aus dieser Zeit darunter, dass der damalige Behördenleiter Frank-Jürgen Weise die Bamf-Entscheider angehalten habe, „Schnelligkeit über Sorgfalt und Qualität“ zu stellen. Ähnlich hatte sich Scheinost zuvor bei der Funke-Mediengruppe geäußert.
Weise wies die Kritik zurück. „Die Aussage des Personalrats ist der durchsichtige Versuch, zu alten Strukturen zurückzukehren“, sagte er der „Rheinischen Post“. „Unser Krisenmanagement hat dazu geführt, dass das Bamf überhaupt eine Chance hatte, den Anforderungen gerecht zu werden.“
Scheinost und sein Vize Paul Müller wiesen auch der heutigen Behördenchefin Jutta Cordt eine Mitschuld an den Problemen zu. Viele Bamf-Mitarbeiter hätten „kein Verständnis“, dass es nach Bekanntwerden der Affäre in der Bremer Bamf-Außenstelle am Willen zur Aufklärung ebenso mangle wie am Willen, nötige Konsequenzen zu ziehen, zitierte die „Süddeutsche Zeitung“ aus einem Schreiben des Gesamtpersonalrats an Cordt. Sie möge klarstellen, „dass für die berechtigte Kritik der Öffentlichkeit an der Arbeit des Bundesamtes nicht die Kolleginnen und Kollegen verantwortlich sind“, zitierte die „Bild“ aus dem Brief.
Als Konsequenz aus der Affäre dürfen alle Bamf-Außenstellen Verfahren aus anderen Regionen nicht mehr eigenmächtig bearbeiten. In einer Antwort des Bundesinnenministerium auf eine Kleine Anfrage des FDP-Bundestagsabgeordneten Stephan Thomae heißt es: „Als unmittelbare Reaktion auf die Feststellungen der Internen Revision des Bamf wurden die Regelungen zum Wechsel von Bearbeitungszuständigkeiten verändert.“ Ab sofort dürften Zuständigkeiten nur noch nach Rücksprache mit der Zentrale in Nürnberg und in begründeten Fällen - etwa wenn es sich um mehrere Mitglieder einer Familie handele - übernommen werden. (dpa)
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