Fehlerhafte Asyl-Bescheide: Die Asyl-Affäre weitet sich aus
In der Affäre um fehlerhafte Asyl-Bescheide verspricht Innenminister Seehofer lückenlose Aufklärung. Unterdessen kommen immer mehr brisante Details ans Licht.
Die Bremer Asyl-Affäre und die von Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) geplanten Ankerzentren sorgen für zunehmende Kontroversen in der großen Koalition. Bundesjustizministerin Katarina Barley (SPD) forderte in der „Bild am Sonntag“ eine bundesweite stichprobenartige Überprüfung von Asylbescheiden. Sie erwarte zudem, „dass Seehofer die Missstände beim Bamf umfassend aufklärt und Strukturen schafft, die eine Wiederholung unmöglich machen“.
In der Affäre um massenhaft zu Unrecht erteilte Asylbescheide sicherte Seehofer eine lückenlose Aufklärung zu. „Eine unabhängige Aufklärung steht da an erster Stelle, und zwar ohne Ansehen von Personen, umfassend und auf allen Ebenen“, erklärte er am Sonntag in Berlin.
Das Innenministerium bestätigte dem „Spiegel“, dass auch das Bundeskriminalamt und das Bundesamt für Verfassungsschutz in die Aufklärung einbezogen würden. Sie sollen prüfen, ob auch sogenannte Gefährder von den Entscheidungen profitiert haben könnten.
Im April war bekannt geworden, dass die Bremer Bamf-Außenstelle in mindestens 1200 Fällen Asylanträge zu Unrecht bewilligt haben soll. Am Dienstag sollen Seehofer und Bamf-Chefin Jutta Cordt vor dem Bundestagsinnenausschuss Stellung nehmen. Die offenen Fragen an sie füllen acht eng beschriebene Din-A4-Seiten. Rund 60 hat allein die Grünen-Bundestagsabgeordnete Luise Amtsberg für die Sitzung des Innenausschusses zusammengetragen, dessen einziger Tagesordnungspunkt lautet: „Fortsetzung des Berichts der Bundesregierung über die Mängel bei der Prüfung von Asylentscheiden im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge“.
Die Vorsitzende des Innenausschusses, Andrea Lindholz (CSU), sagte, die Affäre gefährde das Vertrauen in den Rechtsstaat: „Der Vertrauensverlust hat verheerende Auswirkungen und reicht über die strukturellen Mängel im Bamf weit hinaus“, sagte sie dem „Handelsblatt“.
Barley kündigt besseren Schutz für Whistleblower an
Barley kündigte mit Blick auf Josefa Schmid, die ehemalige Leiterin der Bamf-Außenstelle in Bremen, die die Missstände aufklären wollte und gegen ihren Willen versetzt wurde, einen besseren Schutz für sogenannte Whistleblower an. Ihr Fall sei leider kein Einzelfall. Wo Menschen Fehler anprangerten, müssten sie oft Konsequenzen ertragen und nicht diejenigen, die die Missstände verursacht hätten. „Wer auf echte Missstände hinweist, darf nicht länger als Denunziant gelten“, sagte Barley. Neutrale Stellen müssten die Vorwürfe prüfen und Whistleblower „vor negativen Folgen wie einem Arbeitsplatzverlust geschützt werden“.
Bei den Ermittlungen im Bremer Flüchtlingsamt werden immer mehr Verdachtsfälle offenbar. Aus einem Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichts Bremen geht hervor, dass ein unter der inzwischen abberufenen früheren Bamf-Leiterin dort eingesetzter Dolmetscher verdächtigt wird, von Ausländern, die ihm ein zweiter Beschuldigter vermittelte, 500 Euro dafür erhalten zu haben, dass er „falsche Angaben insbesondere zur Identität und den Einreisedaten aufnahm, beziehungsweise übersetzte“. Der Vermittler soll ebenfalls noch 50 Euro kassiert haben. Die Staatsanwaltschaft stützt ihren Verdacht sowohl auf Erkenntnisse aus Revisionsverfahren des Bamf als auch auf Zeugenaussagen.
In der Außenstelle des Bamf im rheinland-pfälzischen Bingen soll ebenfalls bereits vor Monaten ein Asyl-Entscheider Vorgesetzte darauf hingewiesen haben, dass ihm stark vom Bundesdurchschnitt abweichende Schutzquoten für Menschen aus dem Iran und aus Afghanistan suspekt erschienen. Das geht aus internen Mails hervor. Zwischen Januar und Oktober 2017 erhielten demnach 97 Prozent der Iraner Flüchtlingsschutz oder eine Asylanerkennung. 90 Prozent der Antragsteller aus Afghanistan erhielten in der einen oder anderen Form Schutz – etwa doppelt so viele wie bundesweit.
Eine Dienstaufsichtsbeschwerde wurde von der Zentrale abgewiesen: Bei Zweifeln an der Glaubhaftigkeit sei „eher Schutz zu gewähren, als einen ablehnenden Bescheid zu erstellen“, da eine Ablehnung mit Rückführung „in eine womögliche Verfolgungssituation“ bei den Entscheidern „zu einer belastenden psychischen Belastung“ führen könne. Interne Dokumente zeigen, dass für eine Schulung gemeldete Teilnehmer dort nicht anwesend und teils noch gar nicht im Dienst waren. (AFP/dpa)