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Hundert Milliarden allein für Aufrüstung? Zwischen Koalition und Union gibt es Differenzen.
© Bernd Wüstneck/dpa

Sondervermögen Bundeswehr und Nato-Quote: Grüne: Union will von eigenem Versagen ablenken

Nur für die Streitkräfte oder erweiterter Sicherheitsbegriff? Zwischen CDU/CSU und Grünen wird der Streit um den 100-Milliarden-Topf härter.

Für die Armee – und nichts anderes. Das ist die Devise der Unions-Fraktion im Bundestag, wenn es um die Frage geht, wie das von der Ampel-Koalition geplante Sondervermögen für die Bundeswehr mit einem Volumen von 100 Milliarden Euro in den kommenden Jahren genutzt werden soll. Die Forderung könnte den Regierungsfraktionen gleichgültig sein - wenn das Sondervermögen nicht, wie von Kanzler Olaf Scholz (SPD) von Beginn an gewünscht, im Grundgesetz verankert würde. Den für die Verfassungsänderung sind Stimmen der Union nötig. Und eine Bedingung der größten Oppositionskraft dafür lautet: Das Geld muss ausschließlich für die Bundeswehr fließen. Und nicht für andere sicherheitspolitische Zwecke, die eher im Auswärtigen Amt oder im Entwicklungsministerium angesiedelt sind und nicht so sehr im Verteidigungsressort. Der Gesetzentwurf der Koalition ist ihr noch zu unbestimmt. Der Streit eskaliert nun.

Um ihre Haltung zu bekräftigen, hat die Union nun einen Änderungsantrag zum Sondervermögensgesetz vorgelegt. Demnach soll in der Passage, in dem der Zweck des Nebenhaushalts festgelegt wird, statt „Stärkung der Bündnis- und Verteidigungsfähigkeit“ die Stärkung der „Streitkräfte“ stehen. Damit läge der Fokus vor allem bei Waffen- und anderen Ausrüstungsprojekten. Aus der CSU kommt zusätzlich noch die Forderung, dass eine zweistellige Milliardensumme aus dem Sondervermögen der Cyberabwehr der Bundeswehr zugute kommen müsse.

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Da einige Rüstungsgroßprojekte schon als sicher gelten – Kauf des US-Jets F35, neue Schiffe für die Marine, neue Transporthubschrauber – würde die Verfügungsmasse für andere Verwendungen so zunehmend kleiner. In den Fraktionen von SPD und Grünen gibt es jedoch Stimmen, den Zweck des Sondervermögens nicht auf das Militärische im engeren Sinn zu begrenzen.

Streit um das Zwei-Prozent-Ziel

Eine wesentliche Rolle in dem Streit spielt das Zwei-Prozent-Ziel der Nato. Im Gesetzentwurf wird festgelegt, dass alle Ausgaben des Sondervermögens auf diese Nato-Quote anrechenbar sein müssten. Es müssten demnach zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) in jedem Jahr in die Verteidigungsfähigkeit fließen. Aus Sicht der Union heißt das: Erfüllung der Nato-Quote vor allem über Waffenprojekte.

Widerspruch kommt von den Grünen. Deren haushaltspolitischer Sprecher Sven-Christian Kindler wirft der Spitze der Union vor, sie zeige „leider in Teilen ein taktisches Verhältnis zum Krieg in der Ukraine“. Dem Tagesspiegel sagte Kindler: „Sie inszeniert eine parteipolitisch motivierte Debatte zum Zwei-Prozent Ziel, um vom eigenen Versagen nach 16 Jahren Verteidigungsministerium in Verantwortung der Union abzulenken.“ Kindler pocht darauf, das Sondervermögen breiter zu denken. „Zu einem vernetzten Sicherheitsbegriff gehört eine gut ausgestattete Bundeswehr, aber natürlich geht es auch um mehr. Unsere Sicherheit, Frieden in Europa und weltweit, bemisst sich nicht nur daran, wie hoch die Militärausgaben sind." Deswegen ziele dieses Sondervermögen auf die Stärkung der Bundeswehr, aber eben auch auf die Stärkung der Bündnis- und Verteidigungsfähigkeit der Bundesrepublik.“

"Nicht sinnvoll zu schaffen"

Die Union will das Zwei-Prozent-Ziel jedoch im Gesetz fixiert sehen, wie der CDU-Haushaltspolitiker Mathias Middelberg der „Frankfurter Allgemeinen“ sagte. Es soll zügig und auf Dauer erfüllt werden, darauf dringt Unions-Fraktionschef Friedrich Merz. In den vergangenen Jahren hat Deutschland die Nato-Quote nicht eingehalten, auch in der schwarz-gelben Regierung nach 2009 nicht. Die Ausgaben lagen näher an 1,5 Prozent des BIP. Kindler hält dagegen und nennt die Folgen aus Sicht der Grünen: „Nach den Forderungen der Union müsste man die 100 Milliarden Euro aus dem Sondervermögen in nur vier Jahren ausgeben. Alle Fachexperten, die sich mit Sicherheit- und Verteidigungspolitik in Berlin auskennen, wissen, dass das gar nicht sinnvoll zu schaffen ist. Das wäre unter den aktuellen, ineffizienten Beschaffungsstrukturen in der Bundeswehr, die die Union zu verantworten hat, eine Verschwendung von Haushaltsmitteln.“ Eine starre Quote ist aus Kindlers Sicht fachlich nicht sinnvoll. „Das wissen auch die Fachleute bei der Union.“

Zudem betont der Grünen-Politiker, dass das Zwei-Prozent-Ziel innerhalb der Nato immer flexibel gehandhabt worden sei. „Die Nato-fähigen Ausgaben beinhalten schon immer auch Ausgaben, die außerhalb der Streitkräfte liegen. Das machen übrigens ganz viele Länder so.“ Krisenprävention, Stabilisierung und Friedensförderung seien auch unter der Regierung von Angela Merkel in die Nato-Quote miteingerechnet und nach Brüssel gemeldet worden. „Ich bin etwas überrascht, dass die Union sogar noch hinter den Beschlüssen und der Berechnung der Nato und ihrer eigenen Regierungszeit zurückbleibt“, sagt Kindler.

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