Alte Baustelle Rüstungsbeschaffung: Die Politik sollte sich auch selbst ertüchtigen
Die Probleme im Beschaffungswesen der Bundeswehr sind lange bekannt, Regierungen versprechen seit Jahren Besserung, aber es ändert sich nichts. Ein Gastbeitrag.
- Thomas Raabe ist Lehrbeauftragter am Otto-Suhr-Institut der Freien Universität Berlin und Leiter der Abteilung Finanzen und Controlling im Bundesamt für Infrastruktur, Umweltschutz, Dienstleistungen der Bundeswehr. Er gibt hier seine persönliche Meinung wieder.
Das war diese Woche eine schwere Geburt im Deutschen Bundestag: Die Bundesrepublik stellt der Ukraine nun doch schwere Panzer im Krieg gegen Russland zur Verfügung. Nun richtet sich der Blick nach vorne, auf das sogenannte Sondervermögen für die Bundeswehr in Höhe von 100 Milliarden Euro.
Schon werden im Parlament Stimmen laut, die wissen wollen, wie es um die Effektivität des deutschen Rüstungsbeschaffungswesens steht. Seit dem Einmarsch der russischen Truppen in der Ukraine ist mittlerweile allen klar, dass wir eine funktionierende Bundeswehr benötigen, die mit modernen Waffen ausgestattet ist. Und dafür braucht sie ein gutes und funktionierendes Beschaffungswesen. Ist diese Erkenntnis für die Politik neu? Nein!
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Verteidigungsministerin Christine Lambrecht lässt seit ihrem Amtsantritt am 8. Dezember vergangenen Jahres keine Gelegenheit aus, um auf die Notwendigkeit einer grundlegenden Reform des Beschaffungswesens der Bundeswehr hinzuweisen. Auch hat die Ampel-Regierung in ihrer Koalitionsvereinbarung als Ziel ausgegeben, das Beschaffungswesen und seine Strukturen zu „modernisieren“.
"Bestmögliche Ausrüstung" wurde schon 2013 und 2018 versprochen
Damit ähnelt die aktuelle Koalitionsvereinbarung bis in einzelne Formulierungen denen seit 2013. Der Satz, den Soldaten werde die „bestmögliche Ausrüstung“ an die Hand gegeben, war sowohl 2013 als auch 2018 enthalten. Auch die Forderung der neuen rot-grün-gelben Bundesregierung nach einer Reform des Beschaffungswesens ist nicht neu. Bereits 2018 hieß es dazu bei der Vorgängerregierung, Grundlage für eine bessere Ausrüstung sei „ein transparentes, effektives und in seinen Prozessen optimiertes Rüstungswesen“, das man weiter modernisieren wolle.
Man sieht also, die Ampel-Regierung bewegt sich in der Tradition ihrer Vorgängerinnen. Im aktuellen Weißbuch der Bundesregierung, immerhin schon sechs Jahre alt, heißt es, dass „die umfassende Modernisierung des Rüstungswesens eine komplexe Herausforderung“ darstellt, „die Beharrlichkeit, Entschlossenheit und Geduld erfordert, um alle Maßnahmen und die notwendigen Veränderungsprozesse in Breite und Tiefe wirksam werden zu lassen.“ In diesem Zusammenhang wurde auch von der Notwendigkeit eines „Kulturwandels“ gesprochen.
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Wir erinnern uns: Bevor Ursula von der Leyen als Verteidigungsministerin in einem Beratungssumpf zu versinken droht, holte sie sich Sachverstand ins Haus, um eine „umfassende externe Bestandsaufnahme ausgewählter Rüstungsprojekte“ durchführen zu lassen. In dem Gesamtgutachten wurden dann die Defizite des bisherigen Rüstungsmanagements offengelegt: „Waffensysteme kommen um Jahre zu spät, sind Milliarden teurer als geplant – und dann funktionieren sie oft nicht richtig oder haben Mängel.“ Das ist jetzt acht Jahre her.
Zu diesem Befund war aber 2010 auch schon die Weise-Kommission gekommen, die Karl-Theodor zu Guttenberg in seiner Zeit als Verteidigungsminister eingesetzt hatte. Sie schrieb damals in Bezug auf die große europäische Hubschrauberrüstungskooperation, bei der Frankreich, Deutschland, die Niederlande und Italien kooperierten, „die Truppe steht im Einsatz, und der Hubschrauber hebt nicht ab. NH 90 steht für Nato-Hubschrauber der 90er Jahre (des vergangenen Jahrhunderts). Wir aber schreiben das Jahr 2010“.
Beim A 400 schnellten die Kosten in die Höhe - und es dauerte
Auch beim militärischen Transportflugzeug, dem A 400 M, bei dem sogar sieben europäische Nationen zusammenarbeiteten, sah es nicht besser aus. Auch bei dem schnellten die Kosten in die Höhe, und das Auslieferungsdatum verschob sich immer weiter. Die Bundeswehr musste bis 2014 warten, ehe der erste A 400 M tatsächlich ausgeliefert wurde.
Im ZDF-„Heute Journal“ antwortete im Februar ein hoher pensionierter General auf die Frage, ob die Bundeswehr unser Land verteidigen könne, knapp mit „Nein“. Und der derzeitige Inspekteur des Heeres stellte angesichts des russischen Angriffskriegs fest, das deutsche Heer stehe ziemlich „blank“ da. Auch das ist der Politik über alle Parteiengrenzen hinweg bekannt.
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Es ist noch nicht lange her, da titelte eine große Boulevardzeitung: „Bundeswehr-Blamage: Alles Schrott! (außer unsere Soldaten)“, und auch der Tagesspiegel hat darüber berichtet, dass dringend benötigtes Material erst mit absurd langer Verzögerung geliefert werde und durch die langen Produktionszeiten die Kosten der Rüstungsgüter um 20, um 30 und mehr Prozent steigen würde.
Wie hatten die externen Berater vor acht Jahren in ihrem Gutachten für die damalige Verteidigungsministern von der Leyen formuliert? Die „Analyse der ausgewählten Rüstungsprojekte und -vorhaben hat gezeigt, dass eine Optimierung des Rüstungsmanagements in nationalen und internationalen Großprojekten dringend und ohne Verzug geboten ist“.
"Allzu optimistische Zeit- und Kostenplanungen, die nicht einzuhalten sind"
Abschließend machten sie deutlich: „Durch die Einflussnahme des partei-, industrie- und bündnispolitischen Umfeldes auf die Analyse- und die frühen Realisierungsphasen von Rüstungsprojekten kommt es oftmals zu unrealistischen und allzu optimistischen Zeit- und Kostenplanungen, die nicht einzuhalten sind.“
Die neue Bundesregierung hat beschlossen, das amerikanische Kampfflugzeug F-35 „von der Stange“, also fertig gebaut, zu kaufen, als Ersatz für das in die Jahre gekommene Kampfflugzeug Tornado. Die F-35 ist erprobt, viele Nato-Staaten haben die Maschine bestellt oder fliegen sie schon: ein Beitrag zur Standardisierung innerhalb der Nato. Also, es geht doch schneller, wenn unser Land wirklich bedroht ist. In Berlin hört man, dass jetzt auch der in die Jahre gekommene CH-53 Hubschrauber schnell durch einen neuen Transporthubschrauber „von der Stange“ ersetzt wird.
Der Politik ist seit vielen Jahren bekannt, welche Maßnahmen ergriffen werden müssten, um die Bundeswehr zu ertüchtigen, um die richtigen Waffensysteme rechtzeitig zu beschaffen und die Soldaten bestmöglich auszustatten. Es gibt also kein Erkenntnisproblem bei den Verantwortlichen, sondern offensichtlich einen mangelnden Umsetzungswillen. Angesichts der neuen Bedrohungslage könnte die Politik nun umsteuern. Es gibt in unserem Grundgesetz zwar kein Grundrecht auf Sicherheit, aber den Artikel 87 a GG, in dem es heißt „Der Bund stellt Streitkräfte zur Verteidigung auf.“ Er existiert seit 1956.
Thomas Raabe
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