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Droht der Kassenärztlichen Bundesvereinigung: Gesundheitsminister Hermann Gröhe.
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Skandale bei der Kassenärztlichen Bundesvereinigung: Gröhe droht Ärztefunktionären mit Staatsverwaltung

Gesundheitsminister Hermann Gröhe hat genug von den Skandalen bei der Kassenärztlichen Bundesvereinigung. Er droht den Funktionären nun mit dem Äußersten - der Übernahme durch einen Staatskommissar.

Im Dauerstreit um überhöhte Altersbezüge und illegale Immobiliengeschäfte droht Gesundheitsminister Hermann Gröhe den Funktionären der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) nun mit kompletter Entmachtung.

Würden bei der nächsten KBV-Vertreterversammlung am 23. Mai nicht die „erforderlichen Beschlüsse“ gefasst und bis dahin die nötigen Unterlagen vorgelegt, werde sein Ministerium „auf Kosten der KBV die Geschäfte der Körperschaft selbst führen oder einen Beauftragten bestellen“, heißt es in einem vierseitigen Brief an Vorstand und Vertreterversammlung der 165 000 niedergelassenen Kassenärzte, der dem Tagesspiegel vorliegt.

Grundlage für die Drohung, die KBV-Geschäfte einem Staatskommissar zu übertragen, ist eine Notfallvollmacht im Sozialgesetzbuch V. Ihr zufolge kann die Aufsichtsbehörde auf derartige Weise eingreifen, „wenn die Vertreterversammlung oder der Vorstand die Funktionsfähigkeit der Körperschaft gefährden, insbesondere wenn sie die Körperschaft nicht mehr im Einklang mit den Gesetzen und der Satzung verwalten, die Auflösung der Kassenärztlichen Vereinigung betreiben oder das Vermögen gefährdende Entscheidungen beabsichtigen oder treffen".

Schon drei Strafanzeigen des Ministers

Zuvor hatte Gröhe gegen den früheren KBV-Chef Andreas Köhler schon Strafanzeige erstattet – die dritte binnen zwei Jahren. Bei der ersten ging es um einen ungerechtfertigten Mietzuschuss an den ohnehin rekordverdächtig bezahlten Köhler, bei der zweiten um ein Immobiliengeschäft, bei dem Genehmigungen umgangen wurden. Und die dritte bezichtigt ihn ungeschminkt des Betrugs. Obwohl das Ministerium Köhlers Pension auf 75 Prozent seines Vorstandsgehalts gedeckelt hatte, habe sich dieser mit Hilfe falscher Angaben und seiner bei der KBV für Pensionsberechnungen zuständigen Ehefrau 100 Prozent genehmigt.

Beim Gehalt des einstigen KBV-Vorsitzenden hatte schon Gröhes Amtsvorgänger Daniel Bahr ein Machtwort sprechen müssen. Er kürzte es ihm von 350.000 auf 320.000 Euro zusammen

Hat bereits drei Strafanzeigen des Ministers am Hals: der frühere KBV-Vorsitzende Andreas Köhler.
Hat bereits drei Strafanzeigen des Ministers am Hals: der frühere KBV-Vorsitzende Andreas Köhler.
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Gröhes Abteilungsleiter Ulrich Orlowski benötigte vier Seiten, um alle Rechtsverstoß-Vorwürfe seitens des Ministeriums aufzulisten. Ziel des Aufsichtsverfahrens sei es, "alle rechtswidrig gezahlten Vergütungs- und Versorgungszahlungen an Herrn Dr. Köhler für die Vergangenheit zurückzufordern und unrechtmäßig erworbene Versorgungsansprüche sowie widerrufbare Versorgungszusagen für die Zukunft aufzulösen", heißt es in dem Brief.

Allerdings geht es der Aufsichtsbehörde auch um überhöhte Pensionen für andere frühere KBV-Beschäftigte. Und um den Umgang der Funktionäre untereinander. Die Rückkehr zu einheitlichem und kooperativem Handeln sei „zwingend erforderlich“, heißt es in dem Drohbrief.

"Erheblicher Widerstand bei der Aufarbeitung von Rechtsverstößen"

Es sei "hervorzuheben, dass die Vorgehensweise der KBV in Bezug auf die Aufarbeitung vergangenen Rechtsverstöße insgesamt geprägt ist von erheblichem Widerstand", bilanziert das Ministerium nach jahrelangen Streitigkeiten. Und dass sich gezeigt habe, "dass unter diesen Bedingungen das Wohl und die Funktionsfähigkeit der Körperschaft mit den herkömmlichen Aufsichtsmitteln nicht mehr effektiv geschützt werden" könne.

Dass Gröhe nun eine andere Tonart anschlägt, könnte allerdings auch damit zusammenhängen, dass das Ministerium wegen der KBV selber unter Druck steht. Wie sich herausstellte, hat es die vorgeschriebenen Kontrollen im Fünf-Jahres-Rhythmus wegen „personeller Engpässe“ zwischen 1996 und 2010 gleich zweimal ausfallen lassen.

Die Grünen forderten aufgrund der KBV-Skandale bereits, die Aufsicht über die Selbstverwaltung im Gesundheitswesen deutlich zu verschärfen. Die Möglichkeiten privatrechtliche Unternehmen zu gründen, müssten beschränkt werden, heißt es in einem Bundestagsantrag. Die Körperschaften sollten verpflichtet werden, künftig alle ihre Haushaltspläne und Jahresrechnungen zu veröffentlichen. Und die Arbeitsverhältnisse für hauptamtlich Beschäftigte dort sollten künftig denen des Öffentlichen Dienstes entsprechen.

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