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Bezichtigt die Ärztevertreter der Verleumdung: die CDU-Politikerin Maria Michalk.
© Deutscher Bundestag

Fraktionssprecherin bricht Gesprächskontakte ab: CDU kracht sich mit der Ärztelobby

Maria Michalk. die neue gesundheitspolitische Sprecherin der Union, bietet der Ärztelobby die Stirn. Wegen eines kritischen Statements der Kassenärztlichen Bundesvereinigung sagte sie sämtliche Gesprächskontakte ab. Das gefällt nicht allen in der Fraktion.

Nach dem Abgang des umtriebigen Experten Jens Spahn sahen viele in ihr nur eine Verlegenheitslösung. Und manche in der Fraktion glaubten gar zu wissen, dass Maria Michalk nur deshalb zur gesundheitspolitischen Sprecherin der Unionsfraktion aufrücken durfte, um den bislang eher blassen CDU-Minister Hermann Gröhe stärker zur Geltung zu bringen.

Doch nun hat die „Neue“ gleich auf brachiale Weise auf sich aufmerksam gemacht. Aus Ärger über ein kritisches Statement der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) kappte Michalk alle Drähte zu den Ärztelobbyisten. Ließ einen lange vereinbarten Gesprächstermin platzen. Teilte den Funktionären mit, dass sie sich auch künftig keine Hoffnung mehr darauf zu machen bräuchten. Und spielte ihren Wutbrief, damit er ordentlich Breitenwirkung entfaltet, vor dem Absenden auch noch den Medien zu.

Ärger über KBV-Kritik an der Krankenhausreform

„Keine Strategie, kein Weitblick, nur eine Verschiebung von Geldern, die für die ambulante Versorgung der Patienten gebraucht werden, in die leeren Kassen von Krankenhäusern“ – so hatte KBV-Chef Andreas Gassen über die inzwischen verabschiedete Krankenhausreform befunden. Es handle sich um „eine großangelegte Verschiebung von Finanzmitteln aus dem ambulanten in den stationären Bereich mit dem Ziel,auch noch das kleinste eigentlich nicht mehr lebensfähige Krankenhaus zu retten“. Und das alles geschehe „auf dem Rücken der Patienten“.

Koalitionsexperten ist nicht ganz klar, was den Ton dieser Pressemitteilung von dem vieler anderer unterscheidet. Dass in der Gesundheitspolitik mit harten Bandagen gekämpft wird, ist bekannt – und ähnlich scharfe Vorhaltungen waren bei der Debatte um die Reform auch im Bundestag zu hören. Doch die 65-Jährige wollte an der Medizinervereinigung offenbar ein Exempel statuieren. Deren Mitteilung enthalte „Falschaussagen“, empörte sie sich. Es handle sich um eine „Verleumdung der Gesundheitspolitik der großen Koalition“. Und angesichts dessen sehe sie „zurzeit keine Grundlage für konstruktive Gespräche“ mehr mit den KBV-Vertretern.

Dauerkonflikt mit den Ärztevertretern

Tatsächlich geht es bei alldem um mehr als ein paar zugespitzte Formulierungen. Michalk habe sich in ihrer neuen Position offenbar als „besonders entschieden“ präsentieren wollen, mutmaßen Fraktionskollegen. Und sich wohl auch als Gehilfin ihres Ministers gesehen. Dessen Ressort nämlich befindet sich seit den Zeiten von Amtsvorgänger Daniel Bahr (FDP) mit der KBV in Dauerkonflikt – und nicht etwa wegen gesundheitspolitischer Fragen, sondern wegen deren finanziellem Gebaren.

„Die schütten sich mit Geld zu, ohne dass wir dagegen viel machen können“, heißt es in Gröhes Ressort. Es sei ja „enorm schwierig, in die Selbstverwaltung hineinzuregieren“. Andererseits könne man derartige „Selbstbedienung mit opulenten Verträgen und Ruhestandsbezügen“ als Aufsichtsbehörde einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft aber auch nicht hinnehmen. Zumal sie auf die Kassenärztlichen Vereinigungen in den Ländern abfärbe.

Vereinigung soll fast eine Viertelmillion Euro zurückzahlen

Auf Gröhes Drängen soll die KBV nun von ihrem früheren Vorsitzenden Andreas Köhler, der mit 53 in den Ruhestand wechselte, fast eine Viertelmillion Euro an Gehalts- und Pensionszahlungen zurückverlangen. Hinzu kommen, einem Zwischenbericht zufolge, weitere Vergünstigungen von fast 100 000 Euro. Das Ganze sei aber noch ein „schwebender Prozess“, sagt ein KBV-Sprecher, die Vertreterversammlung müsse den Rückforderungen erst zustimmen.

Von Gröhes Vorgänger war die KBV bereits gezwungen worden, Köhlers Jahresgehalt von 350 000 auf 320 000 Euro zu senken – im Gegenzug sicherte sich dieser jedoch besonders üppige Pensionszahlungen. Und die neue KBV-Führung ist auch anderweitig zerstritten. Zwischen ihrem Hausarzt- und Facharztflügel geht im Grunde gar nichts mehr. Im Sommer riefen die Chefs von sechs Kassenärztlichen Vereinigungen zu Gassens Sturz auf, der wiederum ließ die Staatsanwaltschaft wegen angeblichen Geheimnisverrats im eigenen Haus ermitteln.

"Nicht mehr handlungsfähig"

„Nicht mehr handlungsfähig“, lautet denn auch der lakonische Kommentar vieler Gesundheitspolitiker über die KBV. Doch deshalb gar nicht mehr miteinander zu reden, ist neu. Nach dem Ausscheiden der FDP hat sich die Union für die Ärztelobby zum Hauptansprechpartner gemausert. Und auch wenn Gröhe inzwischen seine wichtigsten Vorhaben durchgezogen hat – wenn die KBV der größten Fraktion nicht mal mehr ihre Sicht der Dinge verklickern kann, ist das aus Lobbyistensicht der Super-GAU.

Entsprechend versucht die KBV sich nun wieder lieb Kind zu machen. Der Vorstand sei „jederzeit zum fachlichen Austausch“ bereit, heißt es in einer eilends verfassten Antwort an Michalk. Es sei „jedoch unsere Aufgabe, auf Fehlentscheidungen durchaus auch deutlich hinzuweisen“. Gleichzeitig betonte ein KBV-Sprecher, dass man Michalks Schreiben als „vom Stil her einzigartig und schon sehr verwunderlich“ empfunden habe.

CSU-Politiker suchen weiter Kontakt

Auch in der Fraktion ist kaum einer über den Rumpelkurs der neuen Sprecherin glücklich. Michalk sei mit ihrer Reaktion „leider völlig übers Ziel hinausgeschossen“, heißt es. Und dass es „besser gewesen wäre, sich mit den Funktionären zusammenzusetzen und ihnen die Leviten zu lesen“. Zwei Wochen nach dem Affront jedenfalls wurden die KBV-Vorsitzenden schon wieder im Unionstrakt des Bundestags gesichtet. Sie hatten einen Termin bei den CSU-Experten Georg Nüßlein und Stephan Stracke.

Rainer Woratschka

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