Kassenärztliche Vereinigung Berlin: Kampf um den Vorstand
Die Kritiker des angeklagten KV-Vorstands mobilisieren zu dessen Abwahl. Seit der Affäre um die Übergangsprämien streiten die Berliner Kassenärzte um ihre Zukunft.
Ein Erbhof, undemokratische Zustände, volles Versagen? Die Kritik an der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Berlin ist deutlich, seit sich die drei Vorstandsmitglieder 2011 umstrittene Übergangsgelder gönnten. „Nun muss ein Neustart her“, sagte Mathias Coordt am Dienstag, Landeschef des NAV-Virchow-Bundes, eines ärztlichen Berufsverbandes. „Und viele Ärzte wollen den auch.“ Coordt hofft, dass die Berliner Mediziner bald eine neue Spitze wählen. Im September nämlich werden die 40 Mitglieder der KV-Vertreterversammlung bestimmt, die den KV-Vorstand wählt.
Also alles nur zunftinternes Gerangel? Tatsächlich vertritt der NAV-Virchow-Bund wie die KV niedergelassene Ärzte. Dem Bund traten in Berlin und Brandenburg 900 Mediziner bei – allerdings freiwillig. Der öffentlich-rechtlichen KV aber müssen alle 9000 Berliner Praxisärzte und Psychotherapeuten angehören, wenn sie gesetzlich Versicherte versorgen. Zudem hat Coordt vereinsübergreifend Praxisärzte befragen lassen, fast 800 haben geantwortet: 83 Prozent von ihnen lehnen den Vorstand ab, die meisten wollen einen grundlegenden Neustart. Der KV-Vorstand sprach mit Blick auf die Zahl der Antworten von geringem Rücklauf und nicht repräsentativem Wahlkampfgetöse.
Auch beim Marburger Bund fordert man einen Neustart
Langfristig will Coordt für die 40 im September zu wählenden Vertreter mehr Macht und als Vorstand am liebsten ein kontrollierbares Zweierteam. „Das könnten Volkswirte oder Juristen sein, Hauptsache, sie machen ihren Job.“ Die KV handelt mit den Krankenkassen die Honorare der Ärzte aus und organisiert die ambulante Versorgung in der Stadt. Zu Letzterem gab es auch Streit mit Gesundheitssenator Mario Czaja (CDU). Auch beim Marburger Bund fordert man einen Neustart: Die Gewerkschaft der Krankenhausärzte – derzeit fordert sie mehr Lohn in den Sana-Kliniken – sieht im KV-Vorstand ein Problem, der die Selbstverwaltung der Praxisärzte durch „interne Querelen an den Rand des Stillstandes gebracht“ habe.
Den letzten Abwahlversuch 2015 überstand der KV-Vorstand knapp – und auch nur, weil zur Abwahl zwei Drittel der Stimmen der 40-köpfigen Vertreterversammlung nötig sind. „In einer Demokratie sind zwei Drittel selten", sagte Coordt. „Wir wollen diese Regel abschaffen, sonst kann sich ein Vorstand mit ein paar Getreuen der Kontrolle entziehen.“
Auslöser war die Übergangsprämie
Dazu sagte Wolfgang Albers (Linke), Chef des Gesundheitsausschusses im Abgeordnetenhaus: Eine Erneuerung an Haupt und Gliedern wäre hilfreich, vor allem aber seien „die Herrschaften allesamt darauf hinzuweisen, dass es nicht in erster Linie darum gehen kann, eigene Verteilungskämpfe besser zu organisieren“, sondern die Versorgung sicherzustellen.
Auslöser der Debatte war die Übergangsprämie von je 183.000 Euro, die sich Angelika Prehn, Uwe Kraffel und Burkhard Bratzke für ihre erste Amtszeit als KV-Vorstände auszahlen ließen. Weil 2011 aber kein Übergang in die selbstständige Praxisarbeit anstand, sondern die drei als KV-Funktionäre weitermachten, klagte die Staatsanwaltschaft sie wegen Untreue an. Der Prozess beginnt demnächst. Das Geld zahlten die drei erst nach einem Urteil des Landessozialgerichts zurück.
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