Streit um „Schmähgedicht“: Gericht fordert Transparenz zu Böhmermann-Verfahren
Am Dienstag findet die Gerichtsverhandlung von Jan Böhmermanns Klage gegen Angela Merkel statt. Schon vorab gab es eine wichtige Entscheidung.
Die Informationsblockade der Bundesregierung zum Prozess des TV-Unterhalters Jan Böhmermann gegen Angela Merkel um die Kritik Merkels am so genannten „Schmähgedicht“ auf den türkischen Staatspräsidenten Erdogan ist rechtswidrig. Dies hat das Berliner Verwaltungsgericht auf eine Eilklage des Tagesspiegels entschieden und das Kanzleramt zu verschiedenen Auskünften über das Verfahren sowie den vorgerichtlichen Streit zwischen den beiden Parteien verpflichtet (Az.: VG 27 L 82.19). Die Angelegenheit sei „Gegenstand aktueller bundesweiter Berichterstattung“, die Reaktion der Kanzlerin habe damals ein „großes Echo“ gefunden. Die Presse sei auf behördliche Informationen angewiesen, um ihre Kontroll- und Vermittlungsfunktion wahrnehmen zu können.
Die Regierungszentrale verweigert sämtlichen anfragenden Medien Informationen über den Prozess und begründet dies pauschal damit, dass es sich zu laufenden Verfahren nicht äußere. Es gebe jedoch „keine greifbaren Anhaltspunkte“, weshalb die begehrten Informationen zurückgehalten werden müssten, urteilten die Richter und gaben dem Eilantrag überwiegend statt. Es sei nicht erkennbar, wie der Prozess durch mehr Transparenz vereitelt, erschwert oder verzögert werden könnte.
Weiter zurückhalten darf das Kanzleramt seine eigenen bisher vorgetragenen Rechtsansichten. Es gebe eine „rechtliche Unsicherheit“, ob dazu schutzwürdige Interessen der Regierung bestünden, die in einem Eilverfahren nicht geklärt werden könnten. Der Beschluss ist noch nicht rechtskräftig. Das Kanzleramt kann Beschwerde zum Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg einlegen, was es bei Informationsklagen der Presse regelmäßig tut.
Böhmermann hatte seine Klage bereits 2017 androhen lassen
Am Dienstag findet vor dem Verwaltungsgericht die Verhandlung von Böhmermanns Klage statt. Der Satiriker verlangt von Merkel die Abgabe einer Unterlassungserklärung bezüglich ihrer Kritik am „Schmähgedicht“ als „bewusst verletzend“. Merkel hatte diese Äußerung unmittelbar nach der Sendung Ende März 2016 über ihren Sprecher verbreiten lassen. Gegen Böhmermann wurde zu diesem Zeitpunkt bereits wegen Beleidigung ermittelt, er selbst stand damals mit seiner Familie kurzzeitig unter Polizeischutz. Er wirft Merkel vor, ihn mit der Äußerung vorverurteilt und damit ihre Neutralitätspflicht als Regierungschefin verletzt zu haben. Mit einem Urteil wird noch am Dienstag gerechnet.
Böhmermann hatte seine Klage bereits im Herbst 2017 über seinen Anwalt androhen lassen. Schon damals verschwieg das Kanzleramt, wie es darauf reagierte. „Zu Eingaben und Anliegen, mit denen sich private Dritte an das Bundeskanzleramt wenden, äußern wir uns grundsätzlich nicht“, teilte ein Regierungssprecher damals mit.
Auch diese Haltung war nach dem aktuellen Beschluss rechtswidrig, da das Kanzleramt nunmehr verpflichtet ist, Inhalte aus dem damaligen Schriftverkehr offen zu legen. Die Informationsverweigerung setzte sich in diesem Frühjahr fort, als der Tagesspiegel darum bat, über anhängige Gerichtsverfahren des Kanzleramts informiert zu werden. Statt mitzuteilen, dass Böhmermann eine Klage eingereicht hat, die demnächst verhandelt wird, übermittelte das Kanzleramt nur ein Aktenzeichen und den Hinweis, es gebe ein Verfahren, das „Sonstiges“ betrifft.
Welches Verfahren dies war, erfuhr der Tagesspiegel erst durch einen Sprecher des Berliner Verwaltungsgerichts. Das Kanzleramt selbst verweigerte entsprechende Auskünfte, ohne dies näher zu begründen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sind Behörden aus dem Grundrecht der Pressefreiheit heraus verpflichtet, Medien-Anfragen zu beantworten. Verweigert werden darf dies nur im, wenn berechtigte schutzwürdige Belange einer Auskunftserteilung im Einzelfall entgegenstehen.