Union beschließt EU-Wahlprogramm: Ungewohnte Harmonie zwischen CDU und CSU
Die Zeit der Zänkereien zwischen CDU und CSU ist vorbei. Die Europawahl soll zum Testlauf für eine neue Gemeinsamkeit werden.
„Ich schließe mich dem an“, sagt Markus Söder. „Ich schließe mich dem auch an“, sagt Manfred Weber. Annegret Kramp-Karrenbauers Ausführungen zur Rüstungsexportpolitik ist einfach nichts hinzuzufügen. Wer zwischen der CDU-Chefin und den beiden Herren von der CSU Unterschiede ausmachen wollte, kommt an diesem Montag in Berlin auch sonst nicht auf seine Kosten.
Die Verabschiedung des ersten gemeinsamen Europawahlprogramms in der Geschichte der Unionsparteien bietet die ideale Kulisse, um einmal mehr die neue Einigkeit zu demonstrieren. Die ist ernst gemeint und steht trotzdem auf wackeligen Füßen. Denn insgeheim weiß jeder: Der Wahltag am 26. Mai wird auch ein Test darauf, ob sich die Friedfertigkeit auszahlt.
Eine Art Kulturbruch
Tatsächlich ist die Geschwistersolidarität gerade für die CSU eine Art Kulturbruch. Die Bayern haben seit Franz Josef Strauß’ Zeiten wenig Wert auf Gemeinsamkeit gelegt, sondern im Gegenteil bei jeder Gelegenheit auf Eigenständigkeit gepocht. Speziell in Wahlkämpfen, erst recht in Europawahlkämpfen suchte die CSU eigene Wege und eigene Themen, und meist ganz gezielt gegen die große Schwesterpartei. Vor dem großen Zank um „Obergrenzen“ und „Zurückweisung“ musste dafür auch schon mal eine banale Ausländermaut herhalten. Dass sich die kleinere CSU nur in geschwisterlicher Konkurrenz behaupten könne, war in München praktisch ein Dogma.
Kramp-Karrenbauer liegt denn auch historisch richtig, als sie am Montag in der Berliner „Station“ anmerkt, dieser „ganz besondere Tag“ sei alles andere als selbstverständlich. Söder begründet den Unterschied zur letzten Europawahl forstwirtschaftlich: 2014 sei es nur „um das europäische Unterholz“ gegangen, diesmal gehe es ums Ganze. „Es fühlt sich auch wieder richtig gut an“, sagt der CSU-Chef. In der gemeinsamen Sitzung der Vorstände gab es nur eine einzige längere Diskussion über die Spezialfrage, ob bei Subventionen für die Landwirtschaft nicht kleine Betriebe extra erwähnt werden müssten. Was dann auch geschah.
Trotz der Herzlichkeit ist freilich allen klar, dass der Verzicht auf jede Abgrenzung sehr speziellen Umständen geschuldet ist. Die dreijährige Dauerfehde zwischen Angela Merkel und Horst Seehofer war derart heftig, dass nur eine ähnlich heftige Umarmung die Umkehr glaubwürdig macht. Die ist wiederum nur möglich, weil Kramp-Karrenbauer und Söder als neue Vorsitzende alten Ballast einfach abwerfen können. Dass die CSU ein Interesse daran hat, wenn die CDU ihren Spitzenkandidaten Weber unterstützt, tut ein Übriges. Die platte Frage, wer sich für diese neue Einigkeit nach links oder nach rechts bewegt habe, kann Söder denn auch leicht parieren: „Wir haben uns aufeinander zubewegt.“
Bisher zahlt sich das Miteinander aus. Die „Operation Orban“ zum Beispiel hat reibungslos funktioniert – Kramp-Karrenbauer, Weber und Söder sorgten gemeinsam dafür, dass die Fidesz-Partei des Ungarn aus der Europäischen Volkspartei vorerst suspendiert ist. Auch demoskopisch belohnt ein leichter Aufwärtstrend die Gemeinsamkeit. Zwar steht die Union insgesamt in den aktuellen Umfragen nicht besser da als bei der letzten Europawahl. Die 35,2 Prozent, die 2014 als schlecht galten, gehen aber nach den 32,9 Prozent bei der Bundestagswahl heute schon als Erfolg durch.
Positive Umfragen
Der jüngste „Bayern-Trend“ für die Europawahl liest sich noch erfreulicher. 41 Prozent wären zwar auch für die CSU in etwa das gleiche Ergebnis wie vor fünf Jahren. Aber der Abstand zur Landtagswahl mit ihren blamablen 37,2 Prozent fällt noch deutlicher aus als im Bundesvergleich. Dass die AfD bei ihrem Landtagsergebnis von etwa zehn Prozent stagniert, wirkt auf CSU-Strategen doppelt beruhigend. Schließlich erwarten auch ihre Wähler die Europawahl oft als günstige Gelegenheit, vergleichsweise folgenlos Dampf abzulassen.
Kommt die Union tatsächlich glimpflich aus dem Wahltag Ende Mai heraus, dürfte der Frieden halten. Söders Imagewandel vom Raufbold zum fürsorglichen Landesvater braucht Zeit, um glaubwürdig zu werden; Kramp-Karrenbauer braucht auf dem Weg ins Kanzleramt geschlossene Rückendeckung. Aber in Stein gehauen ist die neue Union nicht. Viel kommt auf diesen ersten Test bei der Europawahl an, noch mehr auf die Landtagswahlen im Herbst im Osten. Gehen die schief, sind führende Christdemokraten ziemlich sicher, dass die CSU sich auf alte Taktiken rückbesinnt: „Dann kehren unsere Freunde ganz schnell zur Abgrenzung zurück“, sagt einer.