zum Hauptinhalt
Islam und andere Stichworte: Plakat auf der "Pegida"-Demonstration am Montagabend.
© epd

Politik und Demonstrationen: Gegen "Pegida" hilft nur die Offensive

Regierung kontra „Pegida“: Das Thema Einwanderung ist ihre Chance. Alle Verantwortlichen müssen sich klar dazu bekennen, dass Deutschland ein Einwanderungsland ist. In die Offensive gehen, lautet der Rat. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Stephan-Andreas Casdorff

Das sagen die Umfragen: Die Menschen in Deutschland treibt das Thema Flüchtlingspolitik verbunden mit dem Stichwort „Islamisierung“ der Gesellschaft sehr um. Und je nachdem, wie man sie fragt, sagt eine Mehrheit ganz bestimmt, dass die große Koalition nicht ausreichend auf ihre Sorgen eingeht. Ist das verwunderlich?

Nein. Nach all den Krisen der vergangenen Jahre sitzt die Angst tief, dass eine neue wieder Folgen für alle haben kann, materielle zumal. Wenn so viel Diffuses zusammenkommt, sucht sich die Angst Gesichter, schon gar die Angst vor Kontrollverlust. Da bietet sich Geschimpfe auf die große Koalition wie von selbst an. Ist doch klar, dass einer schuld sein muss, in diesem Fall die Regierung.

Dass die Regierungen die zurückliegenden Krisen beherrscht haben, nicht von ihnen beherrscht wurden – das ist in Vergessenheit geraten. Offenkundig aber auch bei den Regierenden. Denn einen Vorwurf müssen sich gefallen lassen, zumindest durch den Kopf gehen lassen: dass sie nicht klar, nicht entschieden kommunizieren. Das war in der Finanzkrise anders, und zwar vorbildlich, als die beiden Hauptverantwortlichen, Kanzlerin und Finanzminister, gleichsam frontal gegen alle Zweifel und Zweifler angingen.

Nehmen wir Innenminister Thomas de Maizière. Er nimmt eine Haltung des Sowohl-als-auch ein. Sicher, Differenzierung tut immer Not, doch in diesem Fall ginge es eher darum, rasch mit einem Plan auf vorhandene Verunsicherung zu reagieren, damit die nicht grassiert. Die Regierung müsste dafür, im Gegensatz zu dem, was sie gerade tut, jetzt das Thema umdrehen und es gegen die „Pegida“-Demonstrationen in Dresden und anderen Städten wenden.

Wie, das haben der Grünen-Vorsitzende Cem Özdemir und SPD- Fraktionschef Thomas Oppermann richtig skizziert: Erst einmal muss die Regierung, vor allem ihr Unionsbestandteil, die Dimension des Themas anerkennen. Einwanderungspolitik ist angesichts der weltweit angespannten Flüchtlingssituation und besonders angesichts der katastrophalen Lage im Nahen Osten in der Tat das vermutlich „wichtigste Thema des kommenden Jahrzehnts“, wie Oppermann sagt. Darum wird es zwangsläufig, die Proteste als „Prüfung“ der liberalen Zivilgesellschaft anzuerkennen, wie Özdemir mahnt.

Wer verdruckst redet, stärkt die Skepsis noch

Also, was hilft? Alle Verantwortlichen in Parlament und Regierung müssen sich klar dazu bekennen, dass Deutschland ein Einwanderungsland ist. Das dürfte keinem schwer fallen, der die Fakten zur Kenntnis nimmt, und wären es nur die ökonomischen: Die Bundesrepublik Deutschland profitiert. Ihr Wachstum, ihre Sozialkassen. Das wiederum sagen Studien. Zweifelsfrei.

In die Offensive gehen, lautet der Rat. Um in die Offensive zu gehen, ist es wichtig, alle positiven Argumente zu sammeln, um sie mit Wucht anwenden zu können. Jeder aus der politischen Entscheiderklasse, der jetzt noch verdruckst redet oder sich verhuscht verhält, nimmt den Bürgern – gleich wie viele es wirklich sind – die Ängste nicht, sondern stärkt die Skepsis noch. Weil sich darin dann die Angst spiegeln würde, dass sich das Ganze auswachsen könnte. Nötig ist eine Politik ohne Angst. Frei nach Hermann Hesse: Man hat nur Angst, wenn man mit sich selber nicht einig ist.

Zur Startseite