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Update

Islam-Hass: Innenminister warnen vor Pegida

10.000 Menschen folgten am Montag dem Aufruf des rechtspopulistischen Bündnisses Pegida. Innenpolitiker sind besorgt über „ausländerfeindliche Hetze“.

Mandy P. ist sauer. „Ich habe nichts gegen Asylanten, aber sie sollten sich benehmen und nicht ihre Kippenstummel auf den Boden schmeißen und rumspucken“, empört sich die Dresdnerin auf der Facebook-Seite von „Pegida“. „Pegida“ heißt „Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“ und macht der sächsischen Landespolitik derzeit Sorgen. Am Montag folgten fast 10 000 Menschen dem Aufruf des Bündnisses. Mehr als je zuvor. Schon am Montag vergangener Woche hatten sich rund 7000 Menschen beteiligt. Gleichzeitig demonstrierten 9000 Menschen für ein weltoffenes Dresden. Bis zum späten Abend blieb alles friedlich.

Sorge um „dramatischen Zulauf“

Angesichts des enormen Zulaufs der Bewegung zeigen sich Politiker und Aktivisten besorgt. Die Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Dresden, Nora Goldenbogen, betonte wie wichtig es sei, Menschen in Not zu helfen: „Wir Juden wissen das.“ Während des Holocausts wäre die Zahl der Opfer noch viel höher gewesen, „wenn es nicht überall auf der Welt Menschen gegeben hätte, die bereit waren, Flüchtlinge aufzunehmen“. Ein Polizeisprecher sprach gegenüber MDR Sachsen von einem „dramatischen Zulauf“, den Pegida erfahren habe.

„Die Initiatoren schüren mit ausländerfeindlicher Hetze und islamfeindlicher Agitation Vorurteile und Ängste“, sagte der Vorsitzende der Innenministerkonferenz, Ralf Jäger (SPD) im Interview mit der „Neuen Osnabrücker Zeitung“. Rechtspopulisten und Rechtsradikale würden „aggressiv Stimmung machen – und das auf dem Rücken der Menschen, die sowieso schon alles verloren haben“. Der CDU-Innenpolitker Wolfgang Bosbach sagte dem Blatt, jeder könne für oder gegen etwas demonstrieren. „Aber man sollte sich nicht für extreme politische Ziele instrumentalisieren lassen, die man selbst nicht teilt.“ Es sei die Pflicht von Politik und Medien, über die Hintermänner und deren wahren Motive aufzuklären. Diesen ginge es um eine „Verankerung radikaler Ansichten in der Mitte der Gesellschaft“.

Verbindungen zu "Hogesa"

Lutz Bachmann ist 41 Jahre alt und kommt aus Dresden. Wohl schockiert von Berichten über Straßenschlachten zwischen Kurden und Salafisten in Deutschland, meldete der Vollbartträger für den 20. Oktober eine Demonstration an. „Pegida“ war geboren. Zur ersten Demo kamen noch wenige hundert Leute.

Den entscheidenden Aufschwung gab ein weiteres Bündnis, ebenfalls mit knackiger Abkürzung: „Hogesa“, „Hooligans gegen Salafisten“. 5000 Menschen, eine grobe Mischung aus Hooligans und Neonazis, randalierten in der Domstadt Köln, vorgeblich gegen Salafisten. In Wirklichkeit war es der größte Neonazi-Aufmarsch in Deutschland in den vergangenen Jahren. Ein Mitglied aus dem „Pegida“-Organisationskreis soll MDR-Recherchen zufolge auch bei „Hogesa Ost“ mitmischen. Nach „Hogesa“ erhielt auch „Pegida“ Zulauf: 500 „Patriotische Europäer“ kamen zur zweiten Demonstration in Dresden, die seitdem wöchentlich stattfindet.

Bei Lutz Bachmann und seinem „Pegida“-Bündnis klingt das so: „Deutschland erwacht, wir werden jeden Tag mehr! Für unser Vaterland, für Deutschland, es ist unser Land, das Land unserer Ahnen, Nachfahren und Kinder, und dafür erheben sich immer mehr Menschen und gehen zum Prostest auf die Straße“, schreibt er auf seiner Website.

Breite Themenpalette

In Dresden ist es mittlerweile schwierig, einzelne Neonazis in der Masse der „Pegida“-Demonstranten ausmachen zu wollen. Zu sehr ist hier der unpolitische Wutbürger mit dem strammen Rechtsradikalen verschmolzen. Es geht längst nicht mehr um „Glaubenskriege auf deutschem Boden“, wie die Initiatoren behaupten. Die Themenpalette ist breit. Es geht pauschal gegen „Ausländer“ oder solche, die dafür gehalten werden. Verschwörungstheorien machen die Runde, denen zufolge „die Medien“ von den Parteien gekauft wurden, um das Bündnis zu diffamieren. Teilnehmer beklagen eine „Meinungsdiktatur“, sprechen von Gegendemonstranten als „SAntifa“. Längst lobt auch die NPD Sachsen die als „Abendspaziergänge“ bezeichneten Aufmärsche. Dass nur 2,2 Prozent der Einwohner Sachsens Ausländer sind, stört hier niemanden.

Vor allem die Forderung nach Abschiebung „krimineller Ausländer“ macht auf den Demonstrationen die Runde. Dabei passte ihr Gründer fast selbst einmal in diese Kategorie. Der mehrfach vorbestrafte Bachmann erhielt von der „Bild“- Zeitung 1996 den Titel „Panzerknacker von Dresden“, soll für das Rotlichtmilieu 16 Mal auf Beutezug gegangen sein. 1997 flüchtete er nach Südafrika, wurde von der Einwanderungsbehörde aufgespürt, ihm drohte die Abschiebung. Bachmann stellte sich den deutschen Behörden. 2008 wurde er mit 40 Gramm Kokain erwischt. Er ist derzeit auf Bewährung.

Asylbewerber sind nicht krimineller als Deutsche

Politiker und zivilgesellschaftliche Akteure zeigen sich überfordert mit der Bewegung, die sich mittlerweile in mehreren deutschen Städten, auch im Westen, gebildet hat. Einige bringen sogar Verständnis auf. „Wir sollten die persönliche Sorge der Menschen, die auf die Straße gehen, ernst nehmen“, zitiert die „Sächsische Zeitung“ Jochen Bohl, den evangelischen Landesbischof in Sachsen.

Offenbar um „Pegida“ entgegenzukommen, kündigte Sachsens Innenminister Markus Ulbig (CDU) Ende November an, spezielle Polizeieinheiten zur Bekämpfung straffälliger Asylbewerber abzustellen. „Wenn deutsche Rocker Angst und Schrecken verbreiten, gehen wir knallhart dagegen vor“, sagte Ulbig der „Dresdner Morgenpost“. „Und wenn Asylbewerber schwere Straftaten begehen, muss künftig ebenso konsequent durchgegriffen werden.“ Dass Asylbewerber nicht krimineller sind als Deutsche, wie Dresdens Polizeipräsident daraufhin betonte, spielte dabei keine Rolle.

Dass sich am Montag so viele Gegendemonstranten einfanden, lag auch an einem Aufruf von Parteien und Vereinen, die einen Sternmarsch gegen „Pegida“ organisierten. Dresdens Oberbürgermeisterin Helma Orosz (CDU), Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) und sein Stellvertreter Martin Dulig (SPD) unterstützten die Demonstration. Die „Pegida“-Demonstranten aber verzichteten erstmals auf einen Marsch. Angeblich aus Sorge um den Einzelhandel habe man sich auf eine Großkundgebung beschränkt.

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