Regierungs-Blockade in Israel: Gantz will Neuwahlen mit „Einheitsregierung“ abwenden
Israel hat zwei Monate nach der Wahl noch immer keine Regierung. Wahlgewinner Gantz machte einen Vorschlag, der Netanjahu ins politische Aus befördern könnte.
Der israelische Oppositionspolitiker Benny Gantz hat die Bildung einer „breiten Einheitsregierung“ mit der rechtskonservativen Partei von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu gefordert. Zugleich drängte er seinen politischen Rivalen, der wegen Korruption vor Gericht soll, zum Rücktritt. Das Justizministerium hatte am Donnerstagabend mitgeteilt, der seit zehn Jahren regierende Ministerpräsident solle wegen Betrugs und Untreue sowie Bestechlichkeit angeklagt werden.
Bei den Vorwürfen gegen Netanjahu geht es um den Verdacht der Beeinflussung von Medien, angebliche krumme Deals mit Unternehmen und Luxusgeschenke befreundeter Geschäftsleute im Gegenzug für politische Gefälligkeiten. Es ist das erste Mal in der Geschichte Israels, dass ein amtierender Ministerpräsident direkt vor einer Anklage steht.
Netanjahu sollte die Entscheidungen des israelischen Rechtssystems und den Willen der Mehrheit der Menschen respektieren, sagte Gantz vom Mitte-Bündnis Blau-Weiß am späten Samstagabend in Tel Aviv. Nach dem Rücktritt könne der Chef der Likud-Partei weiter für seine Unschuld kämpfen.
Gantz schlug eine Aufteilung der Macht vor. „Ich werde in den ersten zwei Jahren Ministerpräsident sein“, sagte er. In dieser Zeit könne Netanjahu seine juristischen Probleme klären. Sollte Netanjahu freigesprochen werden, könne er wieder in das Amt des Regierungschefs zurückkehren, sagte Gantz. „Das ist die einzige Möglichkeit, um eine Neuwahl zu verhindern.“
Netanjahu spricht von „Putschversuch“
Aufgrund der komplizierten Mehrheitsverhältnisse nach der Parlamentswahl vom 17. September gibt es bis heute keine neue Regierung. Die Parteien konnten sich noch nicht auf eine Koalition einigen und haben wegen der geltenden Fristen nurmehr zweieinhalb Wochen Zeit, um eine dritte Neuwahl binnen eines Jahres abzuwenden.
Die Regierungsbildung gestaltet sich schwierig, weil weder das rechts-religiöse noch das Mitte-Links-Lager über eine Mehrheit verfügt. Gantz' Blau-Weiß-Bündnis war mit 33 von 120 Mandaten als stärkste Kraft aus der Wahl hervorgegangen. Netanjahus Likud kam auf 32 Mandate. Vor Gantz war bereits Netanjahu mit der Regierungsbildung gescheitert - wie schon im April nach der vorangegangenen Parlamentswahl. Der 70-Jährige ist seit 2009 im Amt und führt die Regierungsgeschäfte derzeit kommissarisch.
Netanjahu erklärte zuletzt, seinem Land weiter als Ministerpräsident dienen zu wollen. Er warf den zuständigen Behörden unsaubere Arbeit bei den Ermittlungen vor und sprach von einem „Putschversuch“. Netanjahus rechte Regierungspartner stehen trotz der Korruptionsanklagen zu ihm. Offen ist, ob parteiinterne Konkurrenten bereit sein könnten, ihren Vorsitzenden zu stürzen und damit einen Ausweg aus der verfahrenen Lage zu ermöglichen. (dpa)