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Harte Kritik an den Genossen: Der ehemalige SPD-Chef Sigmar Gabriel
© dpa/Swen Pförtner
Update

Früherer SPD-Chef: Gabriel teilt aus und wirft SPD Verdrängung vor

Seit der Wahlschlappe im September war vom Ex-SPD-Chef wenig zu sehen. Nun zerrupft Sigmar Gabriel die Wahlkampfstrategie der Partei - und sieht keine Schuld bei sich.

Der ehemalige SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel wirft seiner Partei vor, die wahren Gründe für die krachende Niederlage bei der Bundestagswahl zu verdrängen. Seinen späten Verzicht auf die Kanzlerkandidatur zugunsten von Martin Schulz erst im Januar und damit nur acht Monate vor der Wahl hält er dagegen nicht für ausschlaggebend.

"Die Behauptung, die späte Benennung des Kandidaten sei ein Fehler gewesen, ist aus meiner Sicht nur eine Ausrede, um sich mit den wirklichen Gründen für die Wahlniederlage nicht beschäftigen zu müssen", sagte Gabriel der Wochenzeitung "Die Zeit". Das lange Zögern Gabriels bei der Kandidatenfrage war als ein Grund für die Probleme der SPD im Wahlkampf genannt worden.

Gabriel geht statt dessen im "Zeit"-Interview mit der Wahlkampfstrategie der SPD hart ins Gericht. Die Fixierung auf das Thema soziale Gerechtigkeit sei ein zentraler Grund für die Wahlschlappe am 24. September. Der Slogan "Zeit für Gerechtigkeit" sei problematisch für eine Partei, die von den letzten 20 Jahren 16 in der Regierung verbracht habe. "Der Slogan zeigte geradezu sinnbildlich, dass die SPD immer noch nach innen blickt, auf eine schwärende Wunde: die Sozialreformen der Agenda 2010 unter Gerhard Schröder", sagte Gabriel.

"Zeit für Gerechtigkeit" sei der Ausdruck der Sehnsucht gewesen, sich davon endlich zu befreien. "Das aber war nicht das Problem der Mehrheit der Wähler, sondern ein Problem der Innensicht der SPD", so Gabriel. Wähler schauten lieber in die Zukunft. "Ihre Fragen nach Sicherheit, der Bewältigung der Digitalisierung und auch die Zerrissenheit vieler Menschen in der Flüchtlingsfrage sind von uns nicht mit einem optimistischen Zukunftsentwurf beantwortet worden", sagte Gabriel.

"Panische Angst" vor Thema Zuwanderung

Ein weiterer Fehler der SPD war nach Gabriels Ansicht, die Sorgen der Menschen vor Zuwanderung nicht offen anzusprechen. Die SPD habe dies versäumt – aus "panischer Angst" dadurch der AfD zu nützen. Auch jetzt, nach der Wahlniederlage, trauten sich große Teile der SPD nicht, über dieses Thema zu sprechen. "Stattdessen werden irgendwelche Nebensächlichkeiten des Wahlkampfes diskutiert", so Gabriel.

Die SPD verliere in unsicheren Zeiten am meisten, "weil wir die Partei sind, von der unsere Wählerinnen und Wähler Sicherheit im Wandel erwarten", sagte Gabriel. "Wenn wir das nur unzureichend bieten, dann verlieren wir sie erst an die Nichtwähler und dann an andere Parteien."

Bei seiner Schelte nennt Gabriel - zumindest in den bisher veröffentlichen Auszügen des "Zeit"-Interviews - den gescheiterten Kandidaten und jetzigen SPD-Chef Schulz nicht namentlich.

Die SPD hat nach der Wahlschlappe eine Erneuerung angekündigt. Schulz ist dabei nicht unumstritten. Zuletzt hatte sich Hamburgs Erster Bürgermeister Olaf Scholz häufiger prominent zu Wort gemeldet.

Gabriel will SPD helfen

Gabriel kündigte an, seiner Partei künftig als "Wasserträger" dienen zu wollen. "Ich will versuchen, mit Patenschaften neue SPD-Ortsvereine dort zu gründen, wo es die SPD gar nicht mehr gibt. In Ostdeutschland etwa", sagte er.

Gabriel, zuletzt Außenminister der rot-schwarzen Bundesregierung, war seit der Wahl am 24. September selten in Erscheinung getreten. Bei öffentlichen Auftritten der SPD-Führung war er kaum zu sehen. (Tsp)

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