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Die Standarte des Bundespräsidenten steht im Schloss Bellevue in Berlin vor dessen Amtszimmer.
© dpa
Update

Suche nach Bundespräsidenten: Gabriel sagt Treffen zur Gauck-Nachfolge wegen Grippe ab

Heute sollte bei einem Treffen ausgelotet werden, ob Union und SPD sich noch auf einen Bundespräsidenten-Kandidaten einigen können. Doch SPD-Chef Gabriel ist krank.

Der große Präsidenten-Poker auf der anderen Seite des Atlantiks ist entschieden, der kleinere Präsidenten-Poker hierzulande sollte an diesem Freitag in die nächste Runde gehen. Doch SPD-Chef Sigmar Gabriel hat ein für den Nachmittag angesetztes Spitzentreffen der Parteivorsitzenden zur Suche nach einem neuen Bundespräsidenten wegen einer Grippeerkrankung abgesagt. Das berichtet die „Bild“-Zeitung. Das Dreiertreffen mit Kanzlerin Angela Merkel und CSU-Chef Horst Seehofer soll jetzt am Sonntagnachmittag um 15 Uhr stattfinden. Das erfuhr auch die Deutsche Presse-Agentur aus Koalitionskreisen.

Und wie es aussieht, wird sich die deutsche Entscheidung noch länger hinziehen. Die Aussicht, dass sich Merkel und Seehofer mit Gabriel dann auf einen gemeinsamen Kandidaten für die Nachfolge von Joachim Gauck einigen, wurden von Insidern als mittlerweile gering eingeschätzt. So zeichnet sich ab, dass CSU/CSU und SPD mit eigenen Bewerbern in die Bundesversammlung am 12. Februar hineingehen. Ob einer davon auch als Sieger wieder herausgeht, bleibt ungewiss.

Die Einschätzung, dass es nichts mehr wird mit dem großkoalitionären Konsenskandidaten, hat vor allem mit Entwicklungen im Unionslager zu tun. Dort war vor einer Woche die Hoffnung nicht gestorben, dass man Norbert Lammert trotz aller öffentlichen und internen Absagen noch bewegen könnte, sich für das höchste Staatsamt zur Verfügung zu stellen. Doch der Bundestagspräsident meint den Komplettausstieg aus der Politik ernst. Merkel und dem CDU-Präsidium blieb am Montag nur Bedauern.

Eine Alternative vom Kaliber Lammerts fällt niemandem ein. Aber von ähnlichem Kaliber müsste ein Kandidat schon sein, der Gabriel davon abbringen könnte, seinen Favoriten Frank-Walter Steinmeier zurückzuziehen. Mit der – noch inoffiziellen – Nominierung des Außenministers hatte der SPD-Chef die Latte denkbar hoch gelegt. Dass er damit zugleich den Weg verbaut hat, den populären Minister zum Kandidaten der großen Koalition zu machen, ärgert viele in der Union; ändern können sie es nicht.

So hat inzwischen in CDU wie CSU die Einschätzung Raum gegriffen, dass man wohl mit einem eigenen Bewerber oder einer Bewerberin ins Rennen gehen muss. Denn die dritte Alternative – die Union unterstützt einen grünen Kandidaten – stieß bei den Grünen nicht auf lautes Echo. Winfried Kretschmann gab bekannt, er werde als Ministerpräsident in Stuttgart durchaus gebraucht. Das war zwar keine klare Absage, aber eben auch kein klares Signal: Erster grüner Bundespräsident – ja bitte!

Ein Unionsbewerber braucht Heldenmut für den Einsatz

Ob sich das bis Februar noch ändert, weiß keiner. Dass die Union als größte Fraktion tatenlos zuguckt, wie der Rest der Bundesversammlung womöglich die Wahl zwischen Steinmeier und dem AfD-Bewerber Albrecht Glaser hat, erscheint undenkbar. Seehofer hat darüber mit seinem Vorstand telefonisch gesprochen. Der fand, schon aus Gründen der Selbstachtung müsse die Union dann einen eigenen Bewerber stellen. Außerdem lasse sich so wenigstens die Chance erhalten, die erste symbolisch wichtige Wahl im Wahljahr noch zu gewinnen.

Groß ist die Chance nicht. Ein Unionsbewerber braucht einigen Heldenmut für den Einsatz. Selbst mit der FDP zusammen kämen CDU und CSU gegen einen rot-rot-grünen Block nicht an, wenn im dritten Wahlgang schon die relative Mehrheit der 1260 Delegierten ausreicht.

Nur – gibt es diesen Block? Zwar finden Lockerungsübungen statt wie das erste vertrauliche Abendessen der Fraktionsspitzen von Grünen und Linken – das Quartett wollte sich am Donnerstagabend beim Italiener treffen. Aber die Linke kündigt zugleich an, einen eigenen Bewerber aufzustellen. Und am Abend vorher war Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt gewissermaßen zum Ausgleich noch beim schwarz-grünen Pizza-Kreis – auch das eine Premiere, zumal Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) ebenfalls erstmals als Gast in die mittlerweile etablierte Runde aus zwei Dutzend Schwarzen und Grünen kam. Um die deutsche Präsidentenfrage ging es nicht, dafür indirekt um die amerikanische. Man habe, sagt der grüne Mitorganisator Omid Nouripour, unter anderem über Strategien gegen Populisten diskutiert.

So spricht viel dafür, dass der 12. Februar zur Zitterpartie wird, Überraschung nicht ausgeschlossen: Bis zum letzten Wahlgang dürfen jederzeit Kandidaten ausscheiden und neue ins Spiel kommen. „Alle haben Angst davor zu verlieren“, resümiert ein Insider die Lage.

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