US-Präsident wirft Bolton raus: Für Trump zählt nur Loyalität
Trumps Sicherheitsberater John Bolton geht im Streit – vermissen wird ihn kaum jemand. Und das Chaos in der US-Regierung bleibt. Eine Analyse.
Da stehen Außenminister Mike Pompeo und Finanzminister Steven Mnuchin und wollen über Sanktionen im Kampf gegen den Terror sprechen. Doch die Journalisten im vollgepackten Presseraum des Weißen Hauses sind nur an dem Mann interessiert, der nicht dabei ist.
Als drittes Regierungsmitglied für das erst um 11 Uhr am Dienstagmorgen anberaumte Briefing ist eigentlich der Nationale Sicherheitsberater John Bolton angekündigt worden. Aber der ist zu diesem Zeitpunkt bereits ein ehemaliges Regierungsmitglied, dessen Karriereende US-Präsident Donald Trump kurz zuvor per Twitter angekündigt hat.
Selbst für diesen Präsidenten waren die Ereignisse am Dienstag ungewöhnlich. Dass Donald Trump selbst enge Vertraute via Twitter über ihren Rausschmiss informiert, ist zwar nichts Neues. Aber eher selten wehren sich die so Geschassten gleichzeitig öffentlich.
Bolton versuchte am Dienstag alles, um die Darstellung seines Ex-Chefs zu widerlegen, dass dieser ihn gefeuert habe. Das Gegenteil sei der Fall, erklärte der 70-Jährige auf Twitter und in Mails an Journalisten: Damit eines klar sei – er selbst habe seinen Rücktritt eingereicht.
Unabhängig von dieser bizarren Auseinandersetzung: Es wird in Washington nicht allzu viele geben, die diese Entwicklung bedauern. Auch war schon länger damit gerechnet worden. Immer wieder in seiner Karriere hatte der als Hardliner bekannte Bolton mit extremen Äußerungen große Aufregung verursacht.
Zum Beispiel 2015 in einem Beitrag für die „New York Times“ mit der Überschrift „To Stop Iran’s Bomb, Bomb Iran“ (Um den Iran von der Bombe abzuhalten, muss man ihn bombardieren). Ein Krieg mit dem Iran war für ihn immer ein reales Szenario, auch dann noch, als er im vergangenen Jahr den Job als Trumps Sicherheitsberater annahm.
Bolton gilt außerdem als einer der Treiber des Irak-Krieges während der Regierungszeit von George W. Bush – ein Militäreinsatz, den Trump mehrfach als Fehler bezeichnet hat. Der Präsident möchte so schnell wie möglich viele der im Ausland stationierten US-Soldaten nach Hause holen und die in seinen Worten „endlosen“ Kriege beenden, in die die USA verstrickt sind. Viele seiner Wähler sehen das ähnlich, und im nächsten Jahr will Trump wiedergewählt werden.
Bolton vertrat harten Kurs gegenüber Nordkorea
Dass Bolton seinem Chef in der Frage, wie die USA mit dem nordkoreanischen Diktator Kim Jong Un umgehen sollen, öffentlich widersprach und auf ein härteres Vorgehen drängte, wird dem ebenfalls kaum gefallen haben. Immerhin nennt Trump Kim gern einen guten Freund.
Überzeugend klingt, dass der unmittelbare Anlass für Boltons Rausschmiss ein erbitterter Streit am Montagabend über das von Trump angedachte und dann kurzfristig wieder abgesagte Geheimtreffen mit den radikalislamischen Taliban gewesen sein soll, wie US-Medien berichten.
Bolton hält nichts davon, mit Terroristen zu verhandeln. Gegen die Einladung der Taliban an den Präsidenten-Landsitz Camp David nur drei Tage vor dem Jahrestag des 11. Septembers 2001 protestierte er entschieden. Für Trump wiederum wäre ein wie auch immer gearteter „Frieden“ in Afghanistan die Möglichkeit, das US-Engagement am Hindukusch – mit knapp 18 Jahren der längste Kriegseinsatz Amerikas überhaupt – endlich zu beenden. Ein Schritt, der seinem Vorgänger Barack Obama nicht gelungen ist.
Auch mit dem Außenminister lag Bolton häufig über Kreuz
Interessant ist auch die Rolle Pompeos in der Regierung. Der 55-Jährige gilt als absolut loyal gegenüber Trump. Anders als von Bolton, der immer wieder seine Uneinigkeit mit Trump selbst gestreut haben soll, werden von ihm kaum abweichende Meinungen öffentlich. Die beiden engsten außen- und sicherheitspolitischen Berater des Präsidenten lagen inhaltlich immer wieder über Kreuz.
Am Dienstag bestätigte Pompeo, dass er sehr oft anderer Meinung als Bolton gewesen sei, und stellte klar, dass er selbst eindeutig zum Team Trump gehört. Bei dem Pressebriefing im Weißen Haus erklärte er, der Präsident habe selbstverständlich das Recht, sich seine Leute auszusuchen. Auf die Frage einer Journalistin, ob ihn Boltons Abgang kalt erwischt habe, antwortete der sichtbar gut gelaunte Außenminister: „Ich bin niemals überrascht.“
Allerdings gab es auch Stimmen, die nun noch größeres Chaos in der US-Außenpolitik befürchten. Der republikanische Senator aus Utah, Mitt Romney, erklärte, das Ausscheiden Boltons sei „ein großer Verlust“ für die Regierung.
Die demokratische Mehrheitsführerin im Repräsentantenhaus, Nancy Pelosi, twitterte, Boltons plötzlicher Abgang sei symbolisch für die chaotischen Zustände, die auch die amerikanischen Alliierten seit dem Beginn von Trumps Amtszeit nervten. Bolton war bereits der dritte Sicherheitsberater in Trumps zweieinhalbjähriger Amtszeit.
Der Präsident hat ganz offensichtlich Probleme damit, eigenständig denkende Mitarbeiter allzu lange zu ertragen. Berechenbarer wird die amerikanische Außenpolitik künftig ganz sicher nicht. Regierungsmitglieder mit außenpolitischer Erfahrung gibt es kaum noch. Als Ende 2018 der bei den Verbündeten hoch angesehene Verteidigungsminister Jim Mattis nach Meinungsverschiedenheiten mit Trump zurücktrat, hieß es, damit verlasse der letzte Erwachsene das Weiße Haus.