Beratung der Nato-Außenminister zur Ukraine: „Für Putin ist Biden der Partner für Sicherheit“
28 der 30 Nato-Staaten liegen in Europa. Doch sie haben wenig Einfluss auf die Verhinderung eines Kriegs um die Ukraine. Eine Analyse.
Europa finde im Ukrainekonflikt zu wenig Gehör; Russland und die USA verhandelten über die Köpfe der Betroffenen hinweg, klagen viele Europäer.
Nur: Was ist ihre Haltung zu Wladimir Putins Forderung, es dürfe keine Nato-Aufnahmen ohne Russlands Zustimmung geben und der Westen müsse Länder östlich des Bündnisgebiets wie die Ukraine als Moskaus Einflusssphäre anerkennen? Welche harten Sanktionen würde wer mittragen – oder nicht –, falls Putin die Ukraine angreift?
Die digitale Beratung der Nato-Außenminister am Freitag bot die Gelegenheit, das zu klären. 28 der 30 Mitgliedsstaaten liegen in Europa, nämlich alle außer den USA und Kanada.
Eine gemeinsame europäische Haltung fehlt jedoch. „Die meisten Regierungen halten sich bedeckt“, analysiert Milan Nic von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP). Sie konzentrierten sich auf die Bekämpfung der Pandemie, die Ablenkung durch eine militärische Krise komme ungelegen.
Borell: Wir leben nicht in den Zeiten von Jalta
Putin habe die Eskalation heraufbeschworen, um Druck auszuüben. Die USA seien „die dominierende Kraft“ bei der Reaktion. „Sie garantieren Europas Sicherheit, warum soll Putin da Zeit mit der EU verlieren? Biden ist der Ansprechpartner für Sicherheit.“
Die beiden prinzipiellen Forderungen Putins beantworten Nato und EU eindeutig. Jeder Staat habe die freie Wahl, welchen Bündnissen er sich anschließen wolle. Also keine Mitsprache Russlands bei künftigen Nato-Beitritte.
Auch die Anerkennung von Einflusssphären lehnt der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell ab. „Wir leben nicht mehr in den Zeiten von Jalta“, verweist er auf die Aufspaltung Europas nach dem Zweiten Weltkrieg. Dieses Denken „gehört nicht ins Jahr 2022“.
Offiziell kann die EU nichts anderes sagen. Alle OSZE-Staaten haben die Bündnisfreiheit in der Charta von Paris 1990 vertraglich garantiert, auch Moskau. Finnland und Schweden, die zur EU, nicht aber zur Nato gehören, bestehen auf ihrem Recht, der Allianz beizutreten. Finnland grenzt wie die Ukraine direckt an Russland
In Brüssel hört man jedoch auch, dass Frankreich und Deutschland eventuell bereit wären, Russland zuzusichern, dass die Ukraine nicht Nato-Mitglied wird.
Offenkundig ist: Weder die USA noch die Europäer werden die Ukraine bei einem Angriff verteidigen. Doch was statt dessen? Da fehlt der Konsens. Die USA und Großbritannien liefern Waffen, Deutschland und Frankreich wollen das nicht tun.
[Jeden Donnerstag die wichtigsten Entwicklungen aus Amerika direkt ins Postfach – mit dem Newsletter „Washington Weekly“ unserer USA-Korrespondentin Juliane Schäuble. Hier geht es zur kostenlosen Anmeldung]
Alle drohen im Falle eines russischen Angriffs mit spürbaren Sanktionen. Die harte Linie der USA und eines Teils der Europäer sieht eine breite Palette vor: vom Lieferstopp für die Bergwerk-, Metall- und Schiffindustrie über Sanktionen gegen russische Energieexporte, darunter die noch nicht genehmigte Pipeline Nord Stream 2, bis zum Ausschluss Russlands aus dem internationalen Finanzsystem Swift.
Deutschland möchte nicht vorab spekulieren. Man wolle einen Krieg verhindern, und entscheide über Sanktionen, wenn dies nicht gelinge.
Wer neigt zu Härte, wer zu Entgegenkommen?
So kursieren nur oberflächliche Listen, welche Länder Europas einer härteren oder weicheren Linie zuneigen. Als Verfechter von Härte an der Seite der USA gelten die baltischen Staaten und Polen; manche zählen weitere Ostmitteleuropäer dazu und die skandinavischen Länder.
Als „weich“ gilt Deutschland, unterstützt von Österreich, das Nord Stream von Sanktionen ausnehmen möchte. Die Grünen wollen die Pipeline stoppen. Manche sehen Kanzler Olaf Scholz auf Gegenkurs. Insider sagen, er werde auf einen Angriff hart reagieren und halte sich bedeckt, um Konflikte mit den Russland-Freunden in der SPD zu vermeiden, ehe sie unvermeidbar sind.
Frankreich und Italien waren bisher darauf bedacht, dass Sanktionen ihre Handelsinteressen mit Russland nicht gefährden. Nachdem Emmanuel Macron die EU-Ratspräsidentschaft übernommen hat, heißt es in Paris jedoch, die EU müsse lernen, ihre ökonomische Macht zur Verteidigung ihrer Werte zu nutzen.
Der Anschein einer geschlossenen EU hat für viele Priorität
Mehrdeutigkeit sieht Nic vielerorts. Ungarns Regierungschef Viktor Orbán kooperiert mitunter mit Moskau gegen die EU. Sein Außenminister Péter Szijjártó hatte kürzlich in Moskau einen Orden angenommen und bei der Gelegenheit nicht ein kritisches Wort zum russischen Verhalten gesagt. Im aktuellen Konflikt schweigt Orbán jedoch und will sich nicht exponieren.
Tschechien hat generell Ärger mit Moskau und neigt zu Härte. Die Slowakei agiert geschmeidiger. Jetzt aber habe für beide eine geschlossene EU Priorität, sagt Nic.
Für Frankreich und Deutschland steht in der Ukraine weit mehr auf dem Spiel: ihr Ansehen als Vermittler. Sie wollten im „Normandie-Format“ mit Russland und der Ukraine eine Friedenslösung aushandeln. Krieg würde ihr Scheitern bedeuten.