NS-Prozess in Münster: Früherer SS-Wachmann will vom Massenmord "nichts gewusst" haben
Im Verfahren wegen Beihilfe zum Mord im Konzentrationslager Stutthof sagt der 94-jährige Angeklagte aus - und bestreitet seine Schuld.
Im NS-Prozess vor dem Landgericht Münster hat der Angeklagte bestritten, von systematischen Massentötungen im Konzentrationslager Stutthof gewusst zu haben. Er sei zwar als SS-Wachmann dort gewesen und habe den schlechten Zustand der Insassen bemerkt, ließ der 94-jährige Johann R. am Dienstag über seinen Verteidiger vor Gericht erklären. Von Gaskammern und systematischen Massenmorden habe er aber „nichts gewusst“. Auch habe er nur „unter Zwang“ in der SS und in dem Lager gedient. Die Staatsanwaltschaft wertete die Aussagen als unglaubwürdig.
Der 94-Jährige muss sich vor dem Landgericht im nordrhein-westfälischen Münster verantworten, weil er von 1942 bis 1944 in dem früheren Konzentrationslager bei Danzig als Wachmann tätig war. In Stutthof hatten die Nationalsozialisten unmittelbar nach Kriegsende polnische Intellektuelle inhaftiert. Auch sowjetische Kriegsgefangene und Juden wurden später in Stutthof eingesperrt und getötet. Von mehr als 100 000 Menschen, die insgesamt in das Lager gebracht wurden, starben etwa 65 000.
R. wird Beihilfe zum Mord in mehreren hundert Fällen vorgeworfen. Die Opfer wurden in Gaskammern ermordet, erschossen oder durch eine Spritze ins Herz getötet, andere starben durch Hunger oder durch absichtliches Erfrierenlassen. Die Anklage geht davon aus, dass Johann R. als Wachmann die systematischen Tötungen in dem Konzentrationslager beförderte und er über die Vorgänge im Lager im Bilde war.
Das Verfahren, bei dem es sich um einen der letzten NS-Prozesse handeln dürfte, soll mindestens bis Februar dauern. Wegen des hohen Alters des Angeklagten darf nur maximal zwei Stunden am Tag verhandelt werden, zwischen zwei Prozesstagen muss zudem ein Tag Pause liegen. Weil der Angeklagte zum Tatzeitpunkt noch nicht 21 Jahre alt war, ist die Jugendkammer des Landgerichts Münster für den Fall zuständig.
Oberstaatsanwalt Andreas Brendel widersprach den Angaben des Angeklagten am Dienstag. „Wir gehen schon davon aus, dass die Wachleute deutlich mehr wussten, als im Rahmen der heutigen Einlassung wiedergegeben wurde“, sagte er. Auch die Aussage R.s, er habe nur aus Angst vor Repressalien seinen Dienst bei der SS verrichtet, entspreche nicht der Einschätzung der Anklage. Nun gelte es, die Beweisaufnahme abzuwarten.
Im Laufe des Prozesses will das Gericht einen Historiker als Sachverständigen hören. Außerdem sollen Holocaust-Überlebende, die wegen ihres hohen Alters nicht nach Münster reisen können, über Skype in den Gerichtssaal zugeschaltet werden.
In dem Verfahren in Münster sind insgesamt 17 Nebenkläger aus den USA, Kanada, Israel und Deutschland vertreten, sie alle haben in Stutthof einen engen Angehörigen verloren. Beim Prozessauftakt in der vergangenen Woche hatte einer der Nebenklageanwälte die bewegende Erklärung einer Überlebenden vorgelesen. Die Angehörigen erhoffen sich von dem Verfahren späte Gerechtigkeit für ihre ermordeten Verwandten.
Nach den Verfahren gegen den früheren "Buchhalter von Auschwitz", Oskar Gröning, und gegen den ehemaligen Wachmann in Auschwitz, Reinhold Hanning, ist es der dritte große NS-Prozess in Deutschland innerhalb weniger Jahre. AFP/cvs
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