Frankreich: Front National auf dem Vormarsch
Die Franzosen sind am Sonntag zu Regionalwahlen aufgerufen. Der rechte Front National profitiert dabei von den Terroranschlägen in Paris.
Am Sonntag findet in Frankreich der erste Wahlgang für die Regionalwahlen statt. Nach den Anschlägen vom 13. November stehen in Frankreich Themen wie die innere Sicherheit, die Zuwanderung und das Verhältnis zwischen Muslimen und Nicht-Muslimen hoch im Kurs – Themen, die traditionell vom rechtspopulistischen Front National (FN) besetzt werden. Deshalb wird bei den Regionalwahlen mit einem starken Abschneiden des FN unter der Führung von Marine Le Pen gerechnet. Die Regionalwahlen sind der letzte große Testlauf vor der Präsidentschaftswahl 2017, bei der Marine Le Pen ein Ziel hat: Präsidentin Frankreichs zu werden.
Wie stark könnte der Front National bei den Regionalwahlen werden?
Nach einer am Freitag veröffentlichten Umfrage liegt der Front National mit 30 Prozent vor den konservativen Republikanern des Ex-Präsidenten Nicolas Sarkozy, die auf 29 Prozent kommen. Weit abgeschlagen landen die Sozialisten mit 22 Prozent auf dem dritten Platz. Nach Angaben der Zeitung „Le Monde“, die sich auf das Umfrageinstitut Ipsos beruft, könnte der FN im ersten Wahlgang in sechs der 13 Regionen die meisten Stimmen erhalten. Im zweiten Wahlgang am 13. Dezember werden die Karten dann neu gemischt. Beispielsweise denken die Sozialisten darüber nach, mit welcher Strategie sie dem Jungstar des FN, Marion Maréchal-Le Pen, begegnen sollen, die als Spitzenkandidatin in der südostfranzösischen Region aus Provence, Alpen und Côte d’Azur (PACA) antritt. Marion Maréchal-Le Pen liegt in den Umfragen in der Region weit in Führung. Um die 25-Jährige noch abzufangen, denken die Sozialisten nun darüber noch, ihre Kandidaten im zweiten Wahlgang zugunsten des konservativen Bürgermeisters von Nizza, Christian Estrosi, zurückzuziehen.
Trotz derartiger Taktierereien hat der FN gute Chancen, am Ende mindestens zwei Regionen zu erobern – PACA im Süden und Nord-Pas-de-Calais-Picardie im Norden. Dies würde einen historischen Wahltriumph für den FN bedeuten.
Wie verlief der Wahlkampf bisher?
Eigentlich hätten die Kampagnen der Parteien schon im vergangenen Monat beginnen sollen. Aber die Pariser Anschläge ließen die Wahlkampftöne zunächst verstummen. Stattdessen lud Hollande zwei Tage nach den Anschlägen die wichtigsten Parteichefs in den Elysée-Palast ein – darunter auch Marine Le Pen. Nach dem Anschlag auf die Satirezeitschrift „Charlie Hebdo“ war sie einer großen Solidaritätskundgebung in Paris noch ferngeblieben. Nach den jüngsten Attentaten war das anders. Auch bei der Trauerfeier für die Opfer der Anschläge im Pariser Invalidendom, wo Hollande zu den Angehörigen sprach, war sie unter den Gästen.
Die Einbindung der FN-Chefin war ganz im Sinne der von Premierminister Manuel Valls geforderten „union sacrée“, einer Allianz zwischen Linken und Rechten im Kampf gegen den Terrorismus. Allerdings war absehbar, dass der politische Burgfrieden vor den Regionalwahlen nicht unbegrenzt halten würde. Valls äußerte in dieser Woche massive Kritik an der Partei von Marine Le Pen. Der Sozialist warf den Rechtsextremen vor, die Franzosen zu täuschen und Frankreich nicht zu lieben. Prompt keulte FN-Chefin Marine Le Pen zurück. Bei einer Wahlkampfveranstaltung im südfranzösischen Nîmes erklärte sie, es sei bedauerlich, dass Valls „nicht die gleiche Energie für den Kampf gegen den IS aufwendet wie für den Kampf gegen die Patrioten des FN“.
Profitiert der FN von den Pariser Anschlägen?
Wenn der Front National auch bei diesen Wahlen wieder stark abschneiden wird, dann setzt sich damit ein Trend fort, der schon seit Längerem anhält. Viele Franzosen sind angesichts ihrer wirtschaftlichen Lage frustriert und dürften ihr Kreuzchen folglich bei den Rechten machen. Inzwischen ist die Arbeitslosigkeit im Land auf den höchsten Stand seit 18 Jahren gestiegen – entsprechend groß ist auch das Reservoir der Unzufriedenen. Für die Sozialisten wirkt es wiederum fatal, dass sie nicht von der Popularität des Staatspräsidenten François Hollande profitieren können, die nach den Attentaten wieder stark gestiegen ist.
Dagegen spielt die Attentatsserie von Paris dem FN in die Karten. Marine Le Pen gelang es mit einer geschickten Strategie, die Anschläge für ihre Zwecke zu nutzen. In ihrer ersten Reaktion nach der Mordnacht vor drei Wochen hatte sie ihre Worte noch auf die Goldwaage gelegt und gefordert, dass sich das Land „einig in dieser Prüfung“ zeigen müsse. Sie wollte damit wohl den Eindruck vermeiden, dass sie die Terrortaten für ihre Zwecke instrumentalisiere. Doch wenige Tage später schlug sie bereits schärfere Töne an: Sie forderte, dass Frankreich keine Flüchtlinge mehr aufnehmen dürfe, und warnte vor einer „Islamisierung“ des Landes. Und in dieser Woche malte die FN-Chefin per Twitter die Folgen eines Fehlschlags im nationalen und internationalen Einsatz gegen den Dschihadismus an die Wand: „Die Scharia wird unsere Verfassung ersetzen.“
Mit solchen Äußerungen bedient Marine Le Pen das klassische ausländerfeindliche Wählermilieu des FN. Der starke Zulauf zu den Populisten hat indes auch damit zu tun, dass es der Parteichefin gelungen ist, den FN zu entdämonisieren. Die Zeitschrift „Nouvel Observateur“ stellte in dieser Woche ein Dutzend neuer FN-Wähler vor und kam zu dem Schluss, dass es sich dabei um lauter „Normalbürger“ handele.
Wie weit rechts steht der Front National?
Während der inzwischen aus der Partei ausgeschlossene Parteigründer Jean-Marie Le Pen auf Antisemitismus setzte und den Holocaust verharmloste, ist die Partei inzwischen ideologisch nicht mehr so einfach zu fassen. Die Enkelin des Parteigründers, Marion Maréchal-Le Pen, vertritt zwar Thesen, die an den Großvater erinnern. Zudem tritt sie entschieden gegen die gleichgeschlechtliche „Ehe für alle“ ein und findet nicht zuletzt in Kirchenkreisen Zulauf. Ihre Tante Marine Le Pen hat sich allerdings dem Protest gegen die „Ehe für alle“ nicht angeschlossen. Dafür gilt sie als Befürworterin der Todesstrafe und möchte Ausländern die Sozialleistungen kappen. In der Wirtschaftspolitik vertritt der FN, der gegen die Globalisierung und die EU wettert, wiederum eine eher linke Programmatik. Vor allem im Norden Frankreichs, der von der Arbeitslosigkeit stark betroffen ist, kann die Partei damit punkten. Dort tritt bei der Regionalwahl Parteichefin Marine Le Pen selbst als Spitzenkandidatin in der Region Nord-Pas-de-Calais-Picardie an. Doch die entscheidende Schlacht will sie in eineinhalb Jahren schlagen. Die Parteichefin hat angekündigt, dass sie sich politisch zurückziehen wolle, wenn sie es nicht schaffe, in die Stichwahl beim Rennen ums Präsidentenamt zu kommen. Sie scheint fest davon auszugehen, dass ihr dies gelingen wird.