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Frankreichs Front-National-Chefin Marine Le Pen.
© AFP

Folgen der Flüchtlingskrise: Schub für Populisten

Die Flüchtlingskrise beflügelt nationalkonservative Parteien in ganz Europa. Sie kommen nicht aus dem Nichts – und bauen auf Überfremdungsängste.

Nicht nur in Polen befinden sich die Rechtspopulisten derzeit im Aufwind. In Europa reicht das Spektrum dieser Parteien von Gruppierungen wie der Jobbik in Ungarn, die offen Stimmung gegen Ausländer machen, bis zur Ukip in Großbritannien, die in erster Linie mit einer radikalen Anti-EU-Rhetorik auftritt. Nach den Worten des Politologen Janis Emmanouilidis vom Brüsseler Think Tank „European Policy Centre“ (EPC) bekommen diese Parteien, die häufig Überfremdungs-Ängste in der Bevölkerung aufgreifen, durch die Flüchtlingskrise „noch einen zusätzlichen Schub“.

SVP ist seit 1999 stärkste Kraft in der Schweiz

Zuletzt war dies in der Schweiz zu beobachten. Bereits vor den Parlamentswahlen am vergangenen Wochenende war die rechtspopulistische SVP dort die beherrschende Kraft. Der Durchbruch war ihr bereits bei der Parlamentswahl 1999 gelungen, als sie sich als stärkste Partei etablierte. Zuvor hatte der Zürcher Großunternehmer Christoph Blocher der Schweizerischen Volkspartei in den Achtzigerjahren eine stramm konservative Haltung verpasst. Bei den Parlamentswahlen vor einer Woche errang die SVP nicht zuletzt wegen ihrer Stimmungsmache gegen Flüchtlinge ihr bislang bestes Ergebnis mit 29,4 Prozent.

Anders als im Fall der SVP in der Schweiz spielt in Frankreich der rechtsextreme Front National (FN) für die Regierungspolitik keine Rolle. Für viele Franzosen war es ein Schock, als es der Front-National-Gründer Jean-Marie Le Pen im April 2002 bei der Präsidentschaftswahl in den zweiten Wahlgang schaffte. Den entschied der Konservative Jacques Chirac dann gegen Le Pen mit überwältigenden 82 Prozent der Stimmen für sich.

In Frankreich würden 31 Prozent Marine Le Pen ihre Stimme geben

Inzwischen ist Jean-Marie Le Pen, der die Gaskammern als ein „Detail“ im Zweiten Weltkrieg verharmloste, aus der Partei verbannt. Seine Tochter Marine Le Pen, die den FN seit 2011 führt, versucht, mit einer vergleichsweise gemäßigten Rhetorik bei den Wählern zu punkten. Allerdings sind auch bei ihr die ausländerfeindlichen Töne nicht zu überhören. Als die SVP vor einer Woche in der Schweiz triumphierte, twitterte sie: „Überall in Europa sagen die Völker Nein zur Überflutung durch Migranten“. Wie Marine Le Pen bei den Präsidentschaftswahlen in gut eineinhalb Jahren abschneiden wird, ist derzeit nicht absehbar. Laut einer in diesem Monat veröffentlichten Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Ifop erklärten 58 Prozent der Franzosen, dass sie der FN-Chefin „sicher nicht“ ihre Stimmen geben würden. 31 Prozent sagten hingegen, dass sie im Wahljahr 2017 genau dies tun würden.

Ähnlich wie in Frankreich waren es auch in Großbritannien die Rechtspopulisten, die bei der letzten Europawahl im Mai 2014 zur stärksten Kraft wurden: Die Unabhängigkeitspartei Ukip errang vor eineinhalb Jahren 28 Prozent – vor den Konservativen und der Labour-Partei. Anders sah das Ergebnis aber ein Jahr später bei der Parlamentswahl aus. Im vergangenen Mai kam die Ukip nur noch auf 12,6 Prozent, was etwa ihrem jetzigen Anteil in den Umfragen entspricht. Für die Ukip bleibt der Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union vor dem EU-Referendum das beherrschende Thema. Aber inzwischen macht die Partei zunehmend auch Stimmung gegen Einwanderer. Parteichef Nigel Farage hielt jüngst dem EU-Migrationskommissar Dimitris Avramopoulos eine „unsagbare Arroganz“ vor, weil der Grieche gefordert hatte, in der Flüchtlingskrise nicht auf das Wählervotum zu schielen.

In Deutschland kommt die AfD auf sechs bis acht Prozent

Nicht nur in Großbritannien hat sich das Profil der rechtspopulistischen Ukip in Richtung einer Anti-Einwanderungs-Partei verschoben. Dasselbe gilt auch in Deutschland für die AfD, die ursprünglich gegen die Euro-Rettungspolitik angetreten war. Seitdem der Mitbegründer Bernd Lucke im Juli die Partei verlassen hat, sind islam- und ausländerfeindliche Töne aus der AfD häufiger zu hören. Dabei hat die Flüchtlingskrise der Partei zu einem Comeback verholfen, nachdem sie Mitte dieses Jahres fast in der Versenkung zu verschwinden schien. Inzwischen kommt die AfD in Umfragen wieder auf sechs bis acht Prozent – ein ähnlicher Wert wie während ihres Höhenfluges bei den Europa- und Landtagswahlen 2014. Der Brüsseler Politologe Emmanouilidis sieht in der nationalkonservativen Rhetorik einiger AfD-Protagonisten durchaus Parallelen zum Front National in Frankreich. Allerdings könne man angesichts der kurzen Geschichte der 2013 gegründeten AfD noch nicht voraussagen, welche Richtung die deutschen Rechtspopulisten einschlagen werden, so Emmanouilidis.

Ein deutlicher Rechtsruck ist derweil in den Niederlanden zu verzeichnen, wo die „Partei für die Freiheit“ des Anti-Islam-Politikers Geert Wilders in der Popularität vor der rechtsliberalen VVD von Regierungschef Mark Rutte liegt. Rekordergebnisse erzielte auch in Österreich die rechtspopulistische FPÖ – und zwar nicht in Umfragen, sondern bei den Landtagswahlen in Oberösterreich und Wien.

In Ungarn zahlt sich derweil für Regierungschef Viktor Orban die harte Linie in der Flüchtlingspolitik aus. Zunächst ließ Orban aus Serbien kommende Migranten nicht mehr ins Land, seit einer Woche ist auch die grüne Grenze zwischen Kroatien und Ungarn für Flüchtlinge nicht mehr passierbar. Ungarn gehört auch zu den EU-Ländern, die eine Umverteilung der Flüchtlinge in der EU ablehnen. Eine gesamteuropäische Lösung des Flüchtlingsproblems lehnt Orban bislang ab. Im vergangenen Monat erklärte er in Brüssel, die Flüchtlingskrise sei ein „deutsches Problem“. Das Ergebnis: In den Meinungsumfragen kommt Orbans Regierungspartei Fidesz auf 41 Prozent. Damit hat die Partei, die bei ihrer Gründung im Jahr 1988 noch als liberale Gruppierung angetreten war und seither weit nach rechts gewandert ist, seit Juni um drei Prozentpunkte zugelegt. Gleichzeitig hält Orban die rechtsradikale Jobbik-Partei, die offen gegen Juden und Roma hetzt, auf Distanz. In den Umfragen ging der Stimmenanteil der Jobbik in den vergangenen vier Monaten um zwei Punkte auf 26 Prozent zurück.

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