Arnsdorf in Sachsen: Flüchtling mit Kabelbindern gefesselt - vier Deutsche angeklagt
Im Mai fesselten vier Männer im sächsischen Arnsdorf einen Flüchtling aus dem Irak nach Streit im Supermarkt in Bürgerwehr-Manier. Sie werden nun wegen Freiheitsberaubung angeklagt.
Vier Männer, die im Mai im sächsischen Arnsdorf einen 21 Jahre alten Flüchtling aus dem Irak in Bürgerwehr-Manier mit Kabelbindern an einen Baum gefesselt haben, werden nun wegen Freiheitsberaubung angeklagt. Staatsanwalt Till Neumann von der Staatsanwaltschaft Görlitz bestätigte auf Anfrage, dass gegen die vier Deutschen im Alter zwischen 29 und 56 Jahren Anklage zum Strafrichter am Amtsgericht Kamenz erhoben worden sei. Im Fall einer Verurteilung droht ihnen eine Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren oder eine Geldstrafe.
Die Staatsanwaltschaft Görlitz hat die Ermittlungen gegen vier deutsche Staatsangehörige im Alter von 29 bis 56 Jahren abgeschlossen. Der Anklage zufolge gingen die vier Männer - unter ihnen war ein Gemeinderat und früherer Bürgermeisterkandidat der CDU - am Abend des 21. Mai gewalttätig gegen den Iraker vor. Sie ergriffen ihn und zerrten ihn gegen seinen Willen aus dem Supermarkt.
"Vor dem Markt soll der Geschädigte sodann mittels eines Kabelbinders von ihnen gefesselt und zu Boden gedrückt worden sein", erklärte Neumann. Anschließend, so der Vorwurf, hätten die Angeschuldigten dessen Arme ergriffen, diese um einen der dortigen Bäume nach hinten gebogen und erneut seine Hände mit einem Kabelbinder gefesselt. Der geistig verwirrte Iraker blieb etwa 25 Minuten lang in der Gewalt der vier Männer.
Ermittlungsverfahren gegen Iraker eingestellt
Ein Ermittlungsverfahren gegen den Iraker, welcher zunächst verdächtigt wurde, an diesem Tag im Kassenbereich des Supermarkts eine Zeugin mit zwei in den Händen gehaltenen Weinflaschen bedroht zu haben, wurde eingestellt. Die Tat war nach den Worten von Neumann nicht nachweisbar. "Anhand einer Videoaufnahme konnte festgestellt werden, dass eine Bedrohungslage nicht bestand", sagte der Staatsanwalt.
Der Fall war erst rund zehn Tage nach der Tat publik geworden. In rechten Internetforen kursierte damals ein etwa zweieinhalb Minuten langes Video, das zunächst einen Streit des Flüchtlings mit Verkäufern des Marktes dokumentiert. Zum Ende des Films tauchen mehrere schwarz gekleidete Männer auf, sie greifen den jungen Flüchtling an. Das Video endet mit dem Satz: "Es ist schon schade, dass man 'ne Bürgerwehr braucht, oder?" In den rechten Foren werden die "kräftigen Männer", die gewalttätig gegen den Flüchtling wurden, als "couragiert" gefeiert.
Polizei hatte das Eingreifen der Männer verteidigt
Der Verteidiger eines der vier Angeklagten ist der Dresdner Rechtsanwalt Maximilian Krah, früheres Kreisvorstandsmitglied der Dresdner CDU und inzwischen Mitglied der AfD. Krah hatte die Fixierung des Irakers als gerechtfertigt gesehen durch das Jedermann-Festnahmerecht und auch aus dem Gesichtspunkt des Selbstschutzes. Zudem kam aus seiner Sicht der sogenannte Notstand hinzu, weil der Flüchtling zu Gewaltausbrüchen geneigt habe.
Der Görlitzer Polizeipräsident Conny Stiehl hatte im Juni das Eingreifen der Männer, die in Bürgerwehr-Manier auftraten, verteidigt. Er sagte, der Asylbewerber sei "stark erregt" gewesen. Die Polizei habe davon ausgehen müssen, "dass das Handeln derjenigen, die zu dem Zeitpunkt - und ich sage das jetzt in vollem Bewusstsein - geholfen haben, korrekt war". Vor Journalisten erklärte Stiehl damals weiter, wegen der Erregtheit des Flüchtlings sei "dieses Festhalten durchaus auch sinnvoll - ich tue mich schwer zu sagen: notwendig" gewesen.
Die sächsische CDU tat sich zunächst schwer damit, die Gewaltaktion der vier Männer in Arnsdorf klar zu verurteilen - wohl auch, weil einer ihrer Kommunalpolitiker beteiligt war. Sachsens CDU-Generalsekretär Michael Kretschmer sagte im Juni, der Fall werfe "viele Fragen auf, die dringend geklärt werden müssen". Die Polizei ermittele, ein Urteil könne erst danach gefällt werden. Lediglich der CDU-Ortsverband Arnsdorf wurde deutlich: "Menschen an Bäume zu fesseln entspricht keinesfalls dem christlichen Selbstbild der CDU und auch nicht unserer Auffassung eines Rechtsstaates. Es darf keine Selbstjustiz unter dem Deckmantel einer Bürgerwehr geben", sagte dessen Chef Lars Werthmann.