Saudi-Arabien, Al Qaida und IS: Finanzierte König Salman den Terror?
Woher bekam und bekommt das Terrornetzwerk Al Qaida sein Geld? War der neue saudische König Salman vielleicht ein zentraler Geldgeber? Und hat der "Islamische Staat" etwas in der globalen Finanzierung des Terrors verändert? Eine Recherche.
Er habe mit tiefer Trauer von dem Schicksal von Muas al Kasasba gehört, kabelte der neue saudische König Salman am Mittwoch von Riyadh nach Amman und nannte den Mord an dem jordanischen Piloten ein „widerliches Verbrechen“, was gegen den Islam verstoße und gegen alle menschlichen Werte.
Dabei ist der 78-jährige Monarch offenbar tief verwickelt in die Aufzucht der mordlustigen Jihadisten in der Region. Jahrzehntelang gehörte er angeblich zu den aktivsten Spendern und Geldsammlern – in den achtziger Jahren für Afghanistan, aber wohl auch in den neunziger Jahren im direkten Vorfeld des 11. September. Erst seit die dritte Generation von Gotteskriegern des „Islamischen Staates“ nun auch das „Haus Saud“ offen bedroht, geht Saudi-Arabien entschiedener gegen private Terrorfinanzierer vor, auch wenn aus westlicher Sicht noch viele Wünsche offen bleiben.
Die brisanten Zeugenaussagen zu König Salmans Rolle stammen von dem Al Qaida-Mitglied Zacarias Moussaoui, wie die „New York Times“ jetzt berichtete. Der 46-Jährige erklärte im letzten Oktober in einer Vernehmung im Hochsicherheitsgefängnis von Florence im Bundesstaat Colorado, Salman und andere prominente Mitglieder der saudische Königsfamilie hätten noch Ende der neunziger Jahre, also unmittelbar vor dem Megaanschlag in New York und Washington, Großspenden an Al Qaida überwiesen.
In seiner auf 123 Seiten protokollierten Aussage beschreibt er Treffen mit dem heutigen König und anderen mächtigen Prinzen, denen er zwei Mal auch handgeschriebene Briefe von Osama bin Laden überbracht haben will. Zudem habe damals ein Mitglied der saudischen Botschaft in Washington offen mit ihm darüber gesprochen, wie man am besten die Air Force One des amerikanischen Präsidenten mit einer Stinger-Rakete abschießen könne. Die saudische Botschaft in der US-Hauptstadt reagierte prompt und hart: „Moussaoui ist ein unzurechnungsfähiger Krimineller, dessen eigener Anwalt Beweise vorlegte, dass er geistig umnachtet ist“, heißt es in einer Erklärung. „Seine Aussagen haben keine Glaubwürdigkeit“.
Prinzen als Einzahler
Zacarias Moussaoui, der Franzose marokkanischer Herkunft ist, wurde 2006 zu lebenslanger Haft verurteilt. Er war einige Wochen vor dem 11. September in Minnesota festgenommen worden, saß am Tag des Anschlags hinter Gittern. Doch wie andere Attentäter, hatte auch er Flugstunden genommen sowie von einer Al-Qaida-Zelle in Deutschland 14.000 Dollar überwiesen bekommen. So vermuteten die Fahnder, er sei eigentlich als der 20. Attentäter eingeplant gewesen. Während des Prozesses versuchte Moussaoui, seinen Verteidiger loszuwerden, weil dieser ihn als geisteskrank erklären lassen wollte. Die damalige Richterin dagegen gab zu Protokoll, sie sei sehr zufrieden, dass der Angeklagte völlig zurechnungsfähig sei, und charakterisierte ihn als „sehr intelligenten Mann“.
Acht Jahre nach seinem Urteil sagte Zacarias Moussaoui nun aus, er habe 1998 oder 1999 auf Anordnung von Osama bin Laden eine digitale Datenbank über eingehende Spenden eingerichtet. Einzahler damals seien unter anderem Prinz Turki al-Faisal gewesen, seinerzeit Chef des saudischen Geheimdienstes, Prinz Bandar bin Sultan, 22 Jahr lang saudischer Botschafter in Washington, und Prinz al-Waleed bin Talal, der reichste Geschäftsmann des Königreichs, sowie zahlreiche führende Kleriker.
Das saudische Geld war für Al Qaida „ausschlaggebend“
„Scheich Osama wollte auf dem Laufenden sein, wer Geld gibt und wer den Jihad unterstützt“, erklärte der Zeuge. Die genaue Verwicklung Saudi-Arabiens in die Anschläge des 11. September liegt nach wie vor im Dunkeln. Das 28-seitige Sonderkapitel für voluminösen Abschlussbericht der 9/11 Kommission des US-Kongresses ist bis heute unter Verschluss.
Eindeutig belegt dagegen ist, dass König Salman in den 80er Jahren in enger Kooperation mit den Vereinigten Staaten Gelder für die afghanischen Mudschaheddin und ihre arabischen Mitkämpfer organisierte, aus denen später das Terrornetzwerk Al Qaida hervorging. Nach Recherchen des ehemaligen CIA-Mannes Bruce Riedel, der heute bei der renommierten Brookings Institution arbeitet, war Salman von Anfang an Chef des offiziellen saudischen Spendenbüros für Afghanistan, von dem jeden Monat 20 bis 25 Millionen Dollar an die Rebellen flossen.
Von 1992 an finanzierte der langjährige Gouverneur von Riyadh als Vorsitzender der „Saudischen Hohen Kommission für Hilfen in Bosnien und Herzegowina (SHC)“ dann auch die Islamisten auf dem Balkan. Bei einer Razzia in der SHC-Zentrale in Sarajevo fanden Nato-Truppen 2001 ein ganzes Arsenal von Terrorutensilien, Fotos von Al Qaida-Zielen vor und nach Anschlägen, Anleitungen, wie sich Hausausweise des US-Außenministeriums fälschen lassen, sowie Stadtpläne von Washington, auf denen wichtige Regierungsgebäude markiert waren.
Paradigmenwechsel wegen dem IS
Seit dem syrischen Bürgerkrieg und dem Auftauchen des „Islamischen Staates“ jedoch dämmert es auch den Verantwortlichen in Riyadh, was für eine enorme Gefahr sie mit ihren jahrzehntelangen Millionenspenden für sich selbst und die ganze Region heraufbeschworen haben. Als erster zog der gerade verstorbene König Abdullah im April 2014 die Notbremse. Prinz Bandar al-Sultan, der bis dahin die Waffenhilfe an die syrischen Aufständischen organisierte, wurde als Geheimdienstchef entlassen.
Das Syriendossier ging über in die Hände von Innenminister Mohammed bin Nayef, dem neuen Vizekronprinzen, dessen Augenmerk vor allem auf der Gefahr durch radikalisierte Rückkehrer liegt. Dessen Mitarbeiter geben sich sicher, dass auch die Geldflüsse inzwischen gestoppt sind. Alle Bankkonten würden regelmäßig auf verdächtige Geldbewegungen geprüft. „Gibt es mehrere hohe Einzahlungen von verschiedenen Personen, gehen wir der Sache nach“, erklärt General Mansour Al-Turki, Sprecher des Innenministeriums. Bedingtes Lob kam vom renommierten „Washington Institute für Near East Policy“.
Der Eindruck sei falsch, dass das Königreich nichts tue, um private Spenden an Terrorgruppen zu unterbinden, heißt es in einer Studie. Die sichtbarste Aktion sei die Überwachung des Bankensektors, um verdächtige Transaktionen zu blockieren. Doch das reiche nicht aus, zumal ein beträchtlicher Teil der Gelder nach wie vor in bar transferiert würde, lautet das Fazit der US-Experten. „Riyadh könnte wesentlich mehr tun, um private Spenden zu begrenzen.“