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Typisches Bild an Rhein und Ruhr: ein Stau auf der Autobahn A3 bei Köln.
© Rolf Vennenbernd/dpa

CO2-Bilanz: Deutschland verpasst auch Klimaziel der EU

Deutschland scheitert nicht nur an den Vorhaben der Bundesregierung. Auch das international verbindliche Ziel der EU für 2020 wird fast sicher verfehlt. Das wird teuer.

Übers deutsche Klimaziel für das Jahr 2020 wird derzeit viel diskutiert, in den Jamaika-Verhandlungen und nun auch von Union und SPD. Es ist kaum noch möglich, so viel steht fest, die Emissionen von Treibhausgasen bis 2020 um 40 Prozent im Vergleich zu 1990 zu senken. Dass die internationalen und europäischen Vereinbarungen eingehalten werden, gilt dagegen gemeinhin als gesetzt.

Nun stellt sich diese Annahme als Trugschluss heraus: Die Bundesregierung erwartet, dass Deutschland die europäische Vorgabe zur CO2-Minderung deutlich verfehlt. Es sind deshalb Zahlungen an andere Mitgliedsstaaten notwendig. Dies geht aus Unterlagen des Bundesumweltministeriums (BMUB) hervor, die dem Energiefachdienst Tagesspiegel Background vorliegen.

Verkehr, Gebäude und Landwirtschaft produzieren zu viel CO2

Ausgangslage ist, dass es zwei europäische Systeme gibt, die die Emissionen regeln. Zum einen den Emissionshandel (ETS), der zum Beispiel Industrie und Kraftwerke umfasst. In diesem Bereich gibt es keine nationalen, sondern nur europäische Ziele. Zertifikate, die zum Ausstoß von CO2 berechtigen, können frei gehandelt werden. Dieser Bereich deckt rund die Hälfte der Emissionen ab. Die zweite Hälfte, Non-ETS genannt, umfasst etwa Verkehr, Gebäudeenergie und Landwirtschaft. In diesem Bereich schreiben die EU-Ziele vor, dass die Emissionen zwischen 2005 und 2020 in Europa um zehn Prozent und in Deutschland um 14 Prozent sinken müssen. Das höhere Ziel für Deutschland gilt, weil wirtschaftsschwachen Ländern eine Steigerung der Emissionen zugestanden wird.

Deutschland wird die 14 Prozent aber fast sicher deutlich verpassen. 2016 lagen sie erst bei sechs Prozent. In einem Bericht der EU-Kommission aus dem Mai 2017 wurde bereits angenommen, Deutschland werde nur knapp elf Prozent Einsparungen schaffen. Nun heißt es ergänzend vom Umweltministerium: „Wie die bis 2016 nicht abnehmenden Emissionsdaten zeigen, ist die Projektion allerdings eher optimistisch.“ Auch 2017 haben die Emissionen im Bereich, den die ESD abdeckt, ersten Projektionen zufolge nicht ab-, sondern zugenommen. Im März legt das Umweltbundesamt dazu amtliche Schätzungen vor.

Nur mit einem "Ablasshandel" kann der Vertrag erfüllt werden

Nun muss Deutschland von einer Art Ablasshandel Gebrauch machen, um nicht vertragsbrüchig zu werden. 2016 und 2017 sowie zum Teil 2018 kann das Überschreiten der Emissionsvorgaben, die sich von Jahr zu Jahr verschärfen, noch abgedeckt werden, indem die frühere Übererfüllung angerechnet wird, teilte das BMUB mit. 2018 könne geschafft werden durch das Vorgreifen auf Emissionen der Folgejahre. Und schließlich: „Für 2019 und 2020 werden dann zusätzliche Emissionsrechte durch den Einkauf von anderen Staaten benötigt.“

Wie das vonstattengeht, ist offen. Es gibt lediglich einen Präzedenzfall. „Bislang hat nur Malta Emissionsrechte von einem anderen Mitgliedsstaat gekauft, nämlich von Bulgarien. Der Preis ist nicht bekannt“, so das BMUB. „Es ist davon auszugehen, dass ein Transfer auf bilateralen Verhandlungen zwischen Regierungen basiert, die Menge und Preis festlegen. Eine Vermittlung durch EU-Institutionen ist nicht vorgesehen.“ Die Bundesregierung führe derzeit aber noch keine Verhandlungen über einen möglichen Zukauf. „Weder Bedarf noch Angebot sind dafür hinreichend klar.“

Nur Irland und Malta verfehlen Ziele deutlicher

Der Zirkel der EU-Mitgliedsländer, die ihre Ziele verfehlen, ist klein. Laut dem jüngsten Kommissionsbericht, der sich auf 2016 bezieht, liegen nur zwei Länder, Irland und Malta, in der Projektion für 2020 schlechter als Deutschland. Der Großteil der EU-Staaten hat Überschüsse zur Verfügung haben und könnte diese verkaufen. Insgesamt wird Europa seine Ziele in diesem Bereich, der nicht vom ETS abgedeckt ist, vermutlich einhalten.

Vergangene Woche hatte Umweltstaatssekretär Jochen Flasbarth (SPD) auf einer Veranstaltung gesagt: „Wir werden nicht einmal das EU-Ziel 2020 erreichen. Wir werden erstmals zahlen müssen.“ Daraufhin hatte Background eine Anfrage gestellt, um weitere Informationen zu erhalten.

Benjamin Stephan, Greenpeace-Klimaexperte, kritisierte: „Statt sich demnächst bei seinen EU-Partnern freizukaufen, muss Deutschland selbst mehr beim Klimaschutz unternehmen.“ Deutschland erreicht die Vorgaben zudem nicht, obwohl EU-Ziele insgesamt nicht besonders streng sind. „Das EU-Ziel im Non-ETS-Sektor von minus zehn Prozent bis 2020 ist gemessen an dem, was die EU leisten kann, zu schwach“, sagte Gilles Dufrasne, Analyst bei der Brüsseler Organisation Carbon Market Watch.

Bis zum Jahr 2030 wird Deutschland eine Emissionsminderung im Non-ETS-Bereich von Minus 38 Prozent gegenüber 2005 erbringen müssen. Im Vergleich zum bisherigen Einspartempo seit 2005 bedeutet das etwa eine Verfünffachung der Klimaschutzbemühungen.

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