Umweltschutz: Familien verklagen EU auf mehr Klimaschutz
Die Welle der Klimaklagen erreicht nun auch die EU: Zehn Familien aus Europa, Kenia und Fidschi rufen das Europäische Gericht wegen zu schwacher CO2-Minderungsziele an.
Acht Familien aus ganz Europa gehen vor Gericht, damit die Europäische Union mehr für den Klimaschutz tut. Die Kläger sind vor allem Landwirte, die schon heute vom Klimawandel betroffen sind. Sie sehen ihr Grundrecht auf freie Berufsausübung und ihre Besitzrechte nicht ausreichend geschützt. „Vor allem aber klagen wir für unsere Kinder und für kommende Generationen, die ein Recht darauf haben, zumindest ähnlich gute Lebensgrundlagen vorzufinden, wie wir sie hatten“, sagt die deutsche Klägerin Maike Recktenwald.
Die Recktenwalds betreiben auf Langeoog ein Hotel und beobachten, dass immer häufiger Sand aufgespült werden muss, um den Strand zu schützen. Sie sorgen sich darum, „dass die Natur sich nicht mehr an den Klimawandel anpassen kann“.
Gemeinsam mit ihnen geht auch der Lavendelbauer Maurice Feschet aus Frankreich vor Gericht, der wegen der immer längeren Dürren immer weniger erntet. Oder der Imker Ildebrando Conceição aus Portugal, dessen Bienen immer weniger Honig liefern, weil der Rhythmus der Jahreszeiten durcheinandergeraten ist.
Für verschärfte Klimaziele
Auch zwei Familien aus Kenia und Fidschi haben sich dem „Peoples Climate Case“ angeschlossen, denn die EU ist für zehn Prozent der Emissionen weltweit verantwortlich. Wenn hier zu wenig für den Klimaschutz getan wird, betrifft das auch die Menschen auf anderen Kontinenten, so die Argumentation der Kläger.
Mit ihrer Klage wollen sie erreichen, dass die EU ihr Klimaziel für 2030 verschärft. Statt 40 Prozent weniger Kohlendioxidausstoß als 1990 sollen es 50 bis 60 Prozent weniger sein. Eigentlich müssten es sogar 80 Prozent sein, um den Klima ausreichend zu schützen, sagte der Experte für europäisches Umweltrecht, Gerd Winter, der die Klageschrift aufgesetzt hat.
Bei einer so starken Emissionsminderung wären aber sehr viele andere Interessen berührt. Darum bleiben die Kläger unterhalb der Maximalforderung und verlangen von der EU nur das „technisch und ökonomisch Machbare“.
„Die Kläger wollen keinen Schadensersatz, sondern dass sie ausreichend geschützt werden“, stellt die Anwältin Roda Verheyen klar.
Es werde detailliert vorgetragen, dass die Kläger alle vom Klimawandel betroffen und in ihren Menschenrechten verletzt sind. „Basis ist unter anderem die Charta der Grundrechte, die seit dem Vertrag von Lissabon 2009 Teil des EU-Rechts ist“, sagt die Anwältin.
Unterstützt wird sie von einem großen Netzwerk aus Umweltschutzorganisationen, unter anderem der Menschenrechtsorganisation Germanwatch. Sie hat bereits die Klage des peruanischen Bauern Saúl Luciano Lliuya gegen den Kohlekonzern RWE begleitet. Hier befindet man sich zurzeit im Stadium der Beweisaufnahme. Die finanziellen Ressourcen für die Klage gegen die EU kommen von der Gesellschaft „Protect the Planet“.
Weltweit mehr als 100 Gerichtsverfahren
Beklagte sind das Europäische Parlament und der Rat der Europäischen Union als gesetzgebende Organe der EU. Am Donnerstag wurde die Klage beim Europäischen Gericht eingereicht. Zweite Instanz ist der Europäische Gerichtshof.
Weltweit sind bereits mehrere hundert Gerichtsverfahren wegen des Klimawandels anhängig, wie eine aktuelle Übersicht der Vereinten Nationen zeigt. Die Klage vorm Europäischen Gericht aber sei beispiellos, sagt Winter.
Für die Zulassung gibt es nun erhebliche Hürden. Praxis der Rechtsprechung ist, dass Kläger nicht nur individuell, sondern auch exklusiv betroffen sein müssen, um vor das Europäische Gericht gehen zu können. Das macht für Winter im Zusammenhang mit dem Klimawandel keinen Sinn: „Es würde ja bedeuten, dass, wenn alle betroffen sind, niemand klagen kann. Diese Auffassung bekämpfen wir mit einer gründlichen Argumentation“, sagte er.
Gegen die Nichtzulassung der Klage kann die Initiative in Berufung gehen. Gegen die Abweisung auch. „Die Familien sind entschlossen und mutig. Ich hoffe sehr, dass wir von den Richtern angehört werden“, sagt Verheyen. Der Weg durch die Instanzen kann aber mehrere Jahre dauern.