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Der peruanische Bauer Saúl Luciano Lliuya vor dem Bergsee, den der geschmolzene Gletscher in seiner Heimat hinterlassen hat.
© AFP

Klimawandel: Muss RWE für Gletscherschmelze in Peru büßen?

Ein Bauer aus Peru macht den Kraftwerksbetreiber RWE für mögliche Umweltkatastrophen mit verantwortlich. Vor dem Oberlandesgericht Hamm schafft er zumindest einen Etappensieg.

Muss der deutsche Kraftwerksbetreiber RWE für Schäden in Peru aufkommen, die dort mutmaßlich durch den Klimawandel verursacht werden? Mit dieser Frage befasst sich seit Montag das Oberlandesgericht Hamm. Geklagt hat der peruanische Bauer Saúl Luciano Lliuya, der sein Haus in Huaraz etwa 450 Kilometer nördlich von Lima von Überschwemmungen bedroht sieht, die mutmaßlich vom Klimawandel verursacht werden. Dafür macht er den Kraftwerksbetreiber RWE mitverantwortlich. Vor Gericht errang er nun einen Etappensieg.

Nach der Interpretation der Umweltorganisation Germanwatch wird das Oberlandesgericht (OLG) Hamm die Beweisaufnahme gegen RWE zulassen. Das sei bei der mündlichen Verhandlung am Montag deutlich geworden. „Damit hat der 5. Zivilsenat des OLG Hamm Rechtsgeschichte geschrieben“, sagte ein Sprecher von Germanwatch. Das Gericht habe klar zu erkennen gegeben, dass große Emittenten wie RWE grundsätzlich verpflichtet seien, Betroffene von Klimaschäden in armen Ländern zu unterstützen.

Der Bauer Saúl Luciano Lliuya mit seinen Anwälten im Gericht.
Der Bauer Saúl Luciano Lliuya mit seinen Anwälten im Gericht.
© REUTERS

RWE deutet den Verhandlungsverlauf anders: „Das OLG Hamm hat in der mündlichen Verhandlung noch keine Entscheidung getroffen. RWE erhält die Möglichkeit, noch einmal schriftlich Stellung zu nehmen“, teilte ein Sprecher mit.

Hintergrund der Klage ist, dass RWE historisch gesehen für ein halbes Prozent aller je ausgestoßenen Kohlendioxidemissionen verantwortlich ist. In Folge des Klimawandels schmelzen überall auf der Welt die Gletscher. Auch der über Lucianos Heimatstadt Huaraz. Schon einmal haben die Wassermassen hinter einer berstenden Staumauer Huaraz überschwemmt. An den Kosten für die Verstärkung des jetzigen Staumauer soll sich RWE nun mit genau den 0,5 Prozent beteiligen, die der Konzern zum Klimawandel beigetragen hat.

Es ist ein vorläufiger Teilsieg

Der offizielle Beschluss zur Beweisaufnahme wird am 30. November verkündet. „Dann muss gezeigt werden, dass die Belege in diesem Einzelfall reichen, um RWE zu den geforderten Zahlungen zu verpflichten“, teilt Germanwatch mit. Die Organisation unterstützt Luciano bei der Klage. Das heutige Votum des Gerichts habe schon jetzt Bedeutung für sehr viele vom Klimawandel bedrohte Menschen.

Vor knapp einem Jahr hatte das Landgericht Essen die Zivilklage gegen RWE abgewiesen. Es hatte einen fehlenden rechtlichen Zusammenhang zwischen den Emissionen von RWE und der Bedrohung in Peru gesehen. Lucianos Anwältin Roda Verheyen sagt: „Nur, weil viele Verursacher eine bestimmte Folge herbeiführen, entfällt nicht die rechtliche Verantwortung des Einzelnen.“

Braunkohlekraftwerk von RWE.
Braunkohlekraftwerk von RWE.
© AFP

Nach Auffassung von RWE ist die Klage nicht zulässig. „Nach dem deutschen Zivilrecht kann ein einzelner Emittent von CO2 nicht für allgemein verursachte und globale Vorgänge wie den Klimawandel und mögliche individuelle Folgen haftbar gemacht werden“, teilt das Unternehmen mit. Wegen der Vielzahl der weltweiten Emissionen und der Komplexität des Klimas ist es nach Auffassung von RWE nicht möglich, spezifische Auswirkungen einer Klimaveränderung juristisch einem einzelnen Emittenten zuzurechnen.

„Der Druck auf große Treibhausgas-Emittenten und die Politik ist mit dem heutigen Tag massiv gewachsen“, hält Klaus Milke dagegen. „Das werden sie schon morgen auf der gerade stattfindenden UN-Klimakonferenz in Bonn zu spüren bekommen. Niemand will eine Prozessflut, aber wir wollen, dass von Klimawandelfolgen bedrohte Menschen nicht hilf- und rechtlos sind.“

Der Kontakt zwischen Luciano und Germanwatch entstand vor der Klimakonferenz in Lima 2014 über einen örtlichen landwirtschaftlichen Berater, mit dem Luciano und sein Vater über die Auswirkungen des Klimawandels in ihrer Region sprachen. Sie fragten sich, warum die Verursacher nicht zur Verantwortung gezogen werden. Der Berater stellte dann den Kontakt zu Germanwatch her.

Weltweit sind mehrere Klagen wie die von Saúl Luciano anhängig. So brachte der US-Klimawissenschaftler und Aktivist James Hansen zur laufenden Klimakonferenz seine Enkelin Sophie Kivlehan mit. Sie verklagt mit 20 anderen Kindern und Jugendlichen die US-Regierung, weil sie Boden und Luft nicht schützt. Auch in Europa gab es schon eine Klage, die sogar erfolgreich war: In den Niederlanden erreichte die Stiftung Urgenda 2015, dass der Staat den Ausstoß von Kohlendioxid stärker als geplant senken musste.

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