Aktionsplan für nachhaltiges Wachstum: EU will Finanzwirtschaft grüner machen
Die EU-Kommission legt einen ehrgeizigen Plan für den Umbau des Finanzsystems Richtung Nachhaltigkeit vor. Der Zeitplan ist straff. Der Tagesspiegel hat den Entwurf vorab erhalten.
Die EU will die Finanzwelt für eine nachhaltige Entwicklung einspannen und neue Regeln schaffen, um dies zu gewährleisten. Dazu stellt die Europäische Kommission am heutigen Mittwoch den Entwurf für einen Aktionsplan „Nachhaltiges Wachstum finanzieren“ vor, der dem Tagesspiegel vorab vorliegt. Der Plan beruht auf drei Strategien: Kapitalflüsse in nachhaltige Investments leiten, Nachhaltigkeit ins Risikomanagement einbeziehen sowie Transparenz und langfristiges Handeln fördern. Er baut auf dem Bericht einer Expertengruppe auf.
Die Sorge der Kommission gilt dabei nicht allein dem Klimawandel, der von 2007 bis 2016 eine Erhöhung der wirtschaftlichen Verluste durch Extremwetter um 86 Prozent gebracht habe - allein 2016 hätten die Schäden 117 Milliarden Euro betragen. Sondern sie will auch dauerhaft Wohlstand schaffen, indem sie die Konkurrenzfähigkeit der Wirtschaft erhöht, weil der Produktionsprozess durch nachhaltige Investitionen effizienter wird und die Kosten für die Beschaffung von Ressourcen sinken. Am Ende trage dies auch zu sozialem Frieden bei.
Gütezeichen für grüne Finanzprodukte
Um Kapitalflüsse in nachhaltige Investments zu leiten, plant die EU folgende Maßnahmen: Sie will ein Klassifikationssystem schaffen, das klar benennt, welche Aktivitäten als nachhaltig bewertet werden. Grundsätze dieses System will die Kommission im zweiten Quartal 2018 als Verordnung vorlegen. Im ersten Quartal 2019 soll eine neue Expertengruppe eine Klassifikation für Aktivitäten zur Reduzierung von Klimagasen vorlegen. Im dritten Quartal soll ein System für die Anpassung an den Klimawandel folgen. Weiter soll es Standards für grüne Anleihen und ein Gütezeichen für grüne Finanzprodukte geben. Bis zum Start des nächsten langfristigen EU-Finanzrahmens ab 2021 sollen die Mittel des Strukturfonds EFSI verstärkt in Klima-, Umwelt- und Sozialprojekte fließen. Danach will sie einen Fonds schaffen, der nachhaltige Investitionen quer über alle Politikbereiche finanziert. Nachhaltigkeitsbewertungen sollen in die Beurteilung sämtlicher Finanz- und Versicherungsprodukte einfließen.
Um Nachhaltigkeit ins Risikomanagement einbeziehen, will die Kommission im zweiten Quartal alle relevanten Interessengruppen darüber diskutieren lassen, wie Nachhaltigkeitsfaktoren ihre Bewertungen einfließen könnten. Im gleichen Zeitraum soll bereits ein Gesetzesvorschlag zu dem Thema herauskommen. Im dritten Quartal 2018 soll dann auch die European Insurance and Occupational Pensions Authority ihre Aufsichtsregeln durchgesehen haben.
Was Transparenz und langfristiges Handeln angeht, will die Kommission einen Fitnesscheck für alle Gesetzgebungen einführen, die das öffentliche Berichtswesen und das Rechnungswesen betreffen. Finanzverwalter sollen offenlegen, wie sie Nachhaltigkeitsfaktoren in ihre Investmentstrategien einbauen. Auch die internationalen Rechnungslegungsvorschriften sollen daraufhin durchgesehen werden. Im ersten Quartal 2019 will die Kommission dann Möglichkeiten suchen, Nachhaltigkeit auch in die Unternehmensführung von Finanzmarktakteuren zu integrieren. Schon Ende 2018 soll eine Plattform geschaffen werden, auf der diese sich über gute Beispiele austauschen können.
Europa soll Champion werden
Der Aktionsplan und die Kommission könnten das Ziel aber nicht allein erreichen, heißt es am Ende des Entwurfs. Große Länder und Aufsichtsbehörden der Privatwirtschaft müssten folgen. Dennoch habe die Kommission das Ziel, weltweit Führer auf diesem Gebiet zu sein.
Der Finanzexperte der Grünen im Europaparlament, Sven Giegold, findet diese Vorschläge gut: „Unser Drängen für eine systematische Förderung grüner Finanzmärkte trägt endlich Früchte. Der Aktionsplan der Kommission enthält Schlüsselprojekte, die inzwischen auch von weiten Teilen des Finanzsektors gefordert werden.“ Bei der Umsetzung der Vorschläge müsse die Kommission darauf achten, mit ihren Definitionen und Regeln nicht nur Gutes zu fördern, sondern auch Schädliches auszuschließen. „Atom- und Kohlekraftwerke oder fossile Infrastruktur gehören in kein nachhaltiges Finanzprodukt, vielmehr können sie den Ruf des jungen Markts ruinieren“, sagte Giegold.
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