Nachhaltigkeit im Finanzsystem: Profit machen und das Klima schützen
Experten haben zusammengetragen, wie die EU ihr Finanzwesen nachhaltiger machen kann. Im März soll ein Aktionsplan dazu herauskommen.
Auf große Zustimmung sind Empfehlungen von Experten gestoßen, wie die EU ihr Finanzsystem hin zu mehr Nachhaltigkeit umbauen sollte. Der Bericht der High-Level Expert Group on Sustainable Finance (HLEG) warnt, dass das Finanzsystem nach der Krise 2007 immer noch verwundbar sei. Mit den am Mittwoch veröffentlichten Empfehlungen soll es durch die systematische Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsaspekten gestärkt werden. Ziel ist auch, Investitionen zum klimafreundlichen Umbau der Wirtschaft auszulösen.
„Nachhaltigkeit bedeutet, wirtschaftlichen Erfolg dauerhafter zu machen, indem er sozial inklusiv und unabhängiger von der Ausbeutung endlicher Ressourcen und der Natur wird“, schreiben die Experten. Zum großen Strauß von Empfehlungen gehört, bis 2020 eine Systematik für die Beurteilung von nachhaltigen Vermögenswerten zu schaffen.
Als großes Risiko für den Finanzmarkt gilt der Klimawandel, weil heute sehr wertvolle Unternehmen wie die großen Öl- und Gasförderer fossile Vorkommen in den Bilanzen haben, die künftig weniger wert sein könnten. Das hatte jüngst der Global Risk Report des World Economic Forum verdeutlicht. Auch Versicherungsschäden fallen unter die Risiken in Folge des Klimawandels. Diese offenzulegen solle zu den ersten Schritten gehören, heißt es im Expertenbericht.
Die EU-Kommission hatte die HLEG eingesetzt, um die Grundlage für einen Aktionsplan zur Finanzstabilität zu schaffen. Er soll im März herauskommen. Ob der Plan auch bindende Vorschriften enthalten wird, steht noch nicht fest. Angekündigt hat die Kommission, dass Vermögensverwalter und Finanzinstitute Nachhaltigkeitskriterien in ihren Berichten stärker berücksichtigen und dass nachhaltige Investments durch niedrigere Kapitalkosten erleichtert werden sollen.
Was das betrifft, warnt der finanzpolitische Sprecher der Grünen im Europäischen Parlament, Sven Giegold: „Grüne Investitionen dürfen nicht durch unberechtigte Privilegien bei den Eigenkapitalvorschriften von Banken und Versicherungen subventioniert werden. Zukunftsinvestitionen sind nicht per se risikoärmer als andere Investitionen.“ Hier seien sich die Expertengruppe und die Verfasserin eines davon unabhängigen Berichts des Europäischen Parlaments zur Nachhaltigkeit im Finanzwesen, Molly Scott Cato, einig.
Positiv wertet Giegold das vorgeschlagene EU-Label für nachhaltige Finanzprodukte. Es sei dringend nötig, denn Kleinanleger könnten sich nicht selbst über alle Hintergründe ihrer Investition informieren.
"Das Offenlegung von Nachhaltigkeitsrisiken sollte schon bald Plicht sein"
In einer gemeinsamen Stellungnahme begrüßten deutsche Umwelt- und Entwicklungsorganisationen die Empfehlungen. Sie fordern, dass schon im Koalitionsvertrag Schritte zur Umsetzung der Empfehlungen festgelegt werden. „Dazu zählt vor allem, dass die Offenlegung von Nachhaltigkeitsrisiken zeitnah verpflichtend gemacht werden soll“, heißt es in der Stellungnahme, die unter anderem von den Klima- und Finanzexperten von Germanwatch unterzeichnet ist. Dazu sagt der finanzpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Lothar Binding, auf Nachfrage von Background: „Im Koalitionsvertrag wird dieser Aspekt noch keine große Rolle spielen.“ Allerdings wolle seine Fraktion das Thema im Rahmen der laufenden Legislaturperiode weiter vorantreiben.
Der WWF und das UNEP Collaborating Centre for Climate & Sustainable Energy Finance der Frankfurt School hatten bereits vergangene Woche gefordert, dass die Bundesregierung Regeln verabschiedet, um umwelt- und klimabezogene Finanzmarktrisiken transparent zu machen. Bei der Integration von Nachhaltigkeitsaspekten ins Finanzsystem hinke Deutschland im internationalen Vergleich hinterher. Wie Deutschland diesen Rückstand aufholen kann, hat der WWF in einer Roadmap für grüne Finanzen festgehalten.