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Matthias Höhn
© dpa

Matthias Höhn im Interview: "Es heißt: Merkel oder Die Linke"

Matthias Höhn ist Bundesgeschäftsführer der Linken. Mit Matthias Meisner spricht er im Interview über den aktuellen Wahlkampf, Lagerbildung der Großparteien in der Öffentlichkeit und Anti-Stalinismus in der Linken.

Herr Höhn, braucht die Linke einen besseren Kopierschutz?
Nein. Wieso?
Weil die Linkspartei mit SPD und Grünen zwei starke Mitbewerber bekommen hat, wenn es um das Thema soziale Gerechtigkeit geht. Nur ein Stichwort: Mindestlohn.
Zunächst gilt auch im politischen Geschäft: Wettbewerb belebt. Und zweitens: Ich freue mich, dass wir zumindest auf der programmatischen Ebene mit SPD und Grünen wieder stärker im Wettbewerb stehen, weil damit eine Kurskorrektur bei diesen beiden Parteien verbunden ist. Wir haben durch unsere Stärke und Konsequenz SPD und Grüne gezwungen, sich zu bewegen. Was wir noch nicht erreicht haben, ist, dass aus deren Ankündigungen praktische Politik wird, also Realität. Darum ist der Druck von links auch weiterhin notwendig.
In der Öffentlichkeit wahrgenommen wird eine Auseinandersetzung Schwarz-Gelb gegen Rot-Grün, die Linke als Urheber vieler sozialpolitischer Forderungen kommt kaum noch vor. Wie gehen Sie damit um?
Die Lagerwahrnehmung Schwarz-Gelb gegen Rot-Grün mag die veröffentlichte Meinung prägen. Da ist jedoch viel Inszenierung dabei. Rot-Grün und Schwarz-Gelb sind etwa bei der Euro- und Bankenkrise sehr nah beieinander. Ein Großteil der Bürgerinnen und Bürger denkt ohnehin nicht in solchen Konstellationen, sondern hat konkrete parteipolitische oder thematische Präferenzen. Und wenn man sich anschaut, welche Regierungskonstellation bevorzugt wird, zeigt sich, dass diese Lagerbildung so heute gar nicht mehr funktioniert. Dass sich viele Wähler von Union und SPD eine große Koalition wünschen, unterstreicht das.

Wieso ist ein Linksbündnis so unbeliebt?
Es gibt derzeit keine greifbare Basis für ein solches Bündnis. Und insofern geht natürlich auch keine Mobilisierung davon aus und keine Begeisterung. SPD und Grüne wollen Rot-Rot-Grün nicht, deswegen ist das eine Phantomdiskussion.
Sollte die Linkspartei auf Angebote an SPD und Grüne verzichten?
Angebote machen wir den Wählerinnen und Wählern, nicht anderen Parteien. Richtig ist, dass wir seit langem einen echten Politikwechsel fordern. Wenn SPD und Grüne an einem solchen Politikwechsel interessiert sind, dann können sie darüber mit uns ins Gespräch kommen. Dieses Interesse liegt aber offensichtlich nicht vor.
Keiner will mit denen… schadet das?
Keine Bundestagspartei vielleicht, dafür viele Wählerinnen und Wähler. Nein, es schadet uns nicht, aber der Chance für einen durchgreifenden Politikwechsel.
Rechnen Sie mit Überraschungen am Wahlabend: Werden SPD und Grüne vielleicht doch auf die Linke zukommen?
SPD und Grüne werden, genauso wie 2009 auch, keine Regierungsmehrheit haben, das wird keine Überraschung sein. Ich erwarte allerdings auch keine Wunder bei den Sozialdemokraten. Selbst wenn deren Ergebnis noch so schlecht ist, wird es ein Weiter so und damit eine große Koalition geben.

Sind Sie besorgt oder schadenfroh, weil es für die SPD nicht so gut läuft?
Weder noch. Allerdings bedeutet die Unfähigkeit der SPD für uns, dass es offensichtlich allein bei uns liegt, die Alternative zu Merkels unsozialer Politik aufzumachen. Es heißt: Merkel oder Die Linke.
Warum sind die Grünen im Aufwind?
Die Grünen profitieren von der Schwäche der SPD und der FDP.
Die Linke hat Nachwuchssorgen, dazu kommt die Schwäche im Westen. Wie ernst sind diese Probleme?
Wir sind immer noch eine junge Partei im Aufbau. Die Frage, was wir nach innen verändern müssen, um noch besser zu werden, wird nach dem Wahltag eine größere Rolle spielen. Jetzt ist Wahlkampf, da steht für mich im Vordergrund, unsere Stärken zu stärken.
Ihre Partei ist zuletzt bei Landtagswahlen im Westen in Serie gescheitert. Eine Woche vor der Bundestagswahl wird in Bayern gewählt. Fürchten Sie ein negatives Signal?
Wir wollen in Bayern wieder einen Achtungserfolg erreichen. Aber ich bestreite nicht, dass unsere Rolle in Bayern als derzeit noch außerparlamentarische Opposition Schwierigkeiten mit sich bringt, was die mediale politische Präsenz angeht. Das versuchen wir, mit Präsenz vor Ort wettzumachen.
Ihr Parteichef Bernd Riexinger sagt, es sei ein Verdienst der Linken, dass keine rechtspopulistische Partei stark geworden ist. Wie populistisch darf die Linke sein?
Es geht nicht darum, Populismus vor sich her zu tragen. Wir machen ein demokratisches Angebot auch an diejenigen, die mit der etablierten Politik abgeschlossen haben, von Politik im Grunde nichts mehr erwarten. Wir dürfen diese Wähler nicht an das antidemokratische Spektrum verlieren. Die Antwort lautet: mehr Demokratie, nicht immer weniger.

Oskar Lafontaine, Stalinismus und zweistellige Ergebnisse

Fürchten Sie noch die Konkurrenz von Protestparteien wie Piraten oder AfD?
Nein.
Oskar Lafontaine hat mit Euro-Skepsis Stimmung gemacht. Wie wichtig ist seine Hilfe im Wahlkampf?
Im Wahlkampf zählen Inhalte, das Image der Partei und natürlich bekannte Köpfe. Zu diesen Köpfen gehört er immer noch, auch wenn er keine Funktion auf Bundesebene mehr hat.
Warum haben Sie ihn dann nicht eingeplant für eine der 19 zentralen Wahlkampfkundgebungen? Wollte er nicht?
Wir werden in Abstimmung mit den Landesverbänden vor allem unsere Spitzenkandidaten und die Parteivorsitzenden bei den zentralen Veranstaltungen auftreten lassen. Oskar Lafontaine wird in diesem Wahlkampf unterwegs sein, er wird Veranstaltungen machen, sehr viele in NRW. Insofern ist er von der politischen Bühne nicht verschwunden.

Im Saarland ist zuletzt viel schief gelaufen, unter anderem musste die Versammlung zur Nominierung der Bundestagskandidaten wiederholt werden. Hat Lafontaine seinen Landesverband nicht im Griff?
Zugegeben: Im Saarland ist in den vergangenen Wochen nicht alles glatt gegangen. Als Wahlkampfleiter erwarte ich, dass Listenaufstellungen korrekt ablaufen. Für die Außenwirkung der Partei, für die Mobilisierung der Anhängerschaft waren diese Probleme Mist. Das hat dem Landesverband insgesamt geschadet. Die Latte für den 22. September liegt hoch im Saarland, und das hat natürlich mit Oskar Lafontaine und seiner Kandidatur 2009 zu tun.
Auf Bundesebene gab es zuletzt Streit um eine Gedenktafel für Opfer des Stalinismus. Der linke Flügel ihrer Partei hat im Vorstand verhindert, dass sie noch vor der Bundestagswahl am Karl-Liebknecht-Haus, der Parteizentrale, aufgehängt wird. Bedauern Sie das?
Der Beschluss des geschäftsführenden Vorstandes vom März dieses Jahres war nicht mit einem Datum versehen. Wir haben den Text beschlossen und dass wir die Tafel am Haus anbringen. Dieser Beschluss gilt. Der Vorstand hat sich nur verständigt, ihn erst im Herbst umzusetzen.
Die Kritiker argumentieren, beim Stammwählermilieu könnte eine Entschuldigungsgeste schaden. Teilen Sie diese Einschätzung?
Bei Fragen zur eigenen Geschichte geht es nicht darum, das eigene Wählerpotenzial zu maximieren. Ich kenne das Argument, ich teile es aber nicht. Warum soll es uns schaden, an ermordete Antifaschisten zu erinnern? Der Bruch mit dem Stalinismus ist Gründungskonsens der PDS gewesen und seitdem Bestandteil unserer Programme. Hier im Speziellen geht es um die Erinnerung an eine Opfergruppe, zu der wir als Partei einen sehr engen Bezug haben. Es geht um Kommunistinnen und Kommunisten, die zum Teil auch in diesem Haus vor 1933 tätig waren. Wenn über die Verbrechen des Stalinismus in der Öffentlichkeit diskutiert wird, wird diese große Opfergruppe oft verschwiegen.

Das heißt, die Parteizentrale ist der richtige Ort für die Anbringung - und Diskussionen über andere Gedenkorte wie den Friedhof Friedrichsfelde verbieten sich?
Es gibt sehr gute Gründe, die Tafel am Karl-Liebknecht-Haus anzubringen. Dieses Haus hat eine lange Geschichte, die auch mit unserer Partei beziehungsweise der Kommunistischen Partei vor 1933 eng verbunden ist. Und deswegen ist hier ein guter Platz, an diese Opfer zu erinnern.
Noch immer ermittelt die Staatsanwaltschaft Hamburg im Zusammenhang wegen des Verdachts auf Falschaussage von Gregor Gysi zu seinen früheren Stasikontakten. Wünschen Sie sich überhaupt noch, dass dieses Verfahren noch vor der Bundestagswahl abgeschlossen wird?
Meine Wünsche werden die Staatsanwaltschaft Hamburg in keiner Weise beeindrucken. Ich bin seit Monaten sehr gelassen. Diese Angelegenheit schadet Gregor Gysi als Person nicht, und uns als Partei auch nicht. Das Thema ist durch.
2009 kam die Linke auf 11,9 Prozent. Ist das von Gysi benannte Ziel, die Linke werde im Herbst bei der Bundestagswahl zweistellig abschneiden, realistisch?
Gregor Gysi hat gesagt, wir wollen ein zweistelliges Ergebnis. Dieses Ziel soll die Partei motivieren. Ich habe immer gesagt, wir wollen so gut wie möglich werden und so nahe wie möglich an das außergewöhnliche Ergebnis von 2009 herankommen.

Das Gespräch führte Matthias Meisner.

Matthias Höhn (37) ist seit Juni 2012 Bundesgeschäftsführer der Linken.

Matthias Meisner

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