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Gregor Gysi, Vorsitzender der Linksfraktion im Bundestag
© dpa

Ermittlungen gegen Gregor Gysi: Der Staatsanwalt macht Urlaub

Ende Juli steigt Gregor Gysi so richtig in den Bundestagswahlkampf ein. Jetzt ist sicher: Bis dahin wird nicht klar sein, wie das in Hamburg anhängige Ermittlungsverfahren um die früheren Stasikontakte des Linken-Politikers ausgeht.

56 Tage lang will der Linken-Politiker Gregor Gysi so richtig kämpfen: Am 29. Juli will er voll in den Bundestagswahlkampf einsteigen, in den acht Wochen bis zum 22. September an die 200 Termine absolvieren, wie es aus seiner Umgebung heißt. Noch immer anhängig ist derweil das Ermittlungsverfahren gegen den Vorsitzenden der Linksfraktion im Bundestag. Seit vergangenem Jahr befasst sich die Staatsanwaltschaft Hamburg mit der Frage, ob eine eidesstattliche Versicherung von Gysi zu seinen früheren Stasikontakten falsch gewesen ist. Jetzt ist klar: Abschließen werden die Hamburger Ermittler das Verfahren entweder in der heißen Wahlkampfphase - oder erst nach dem Wahltermin.

Die Sprecherin der Hamburger Staatsanwaltschaft, Nana Frombach, sagte am Dienstag dem Tagesspiegel, der Bundestagwahltermin spiele im Zusammenhang mit den Ermittlungen für ihre Behörde "keine Rolle". Es werde versucht, das Verfahren "so schnell wie möglich abzuschließen", denn: "Das gebietet die besondere Situation, in der sich Gysi befindet." Allerdings würden auch keine notwendigen Ermittlungen ausgelassen. Deshalb wolle und könne man sich auch nicht festlegen, ob noch vor dem Tag der Bundestagswahl über eine mögliche Anklageerhebung entschieden werde. Die Strafprozessordnung kenne einen Wahltermin nicht "als Frist, die wir zu beachten hätten", so die Behördensprecherin weiter.

Derzeit befinde sich der zuständige Ermittler im Urlaub, und das noch bis Ende kommender Woche, sagte Frombach. "In seiner Abwesenheit wird niemand den Fall für ihn abschließen." Die Staatsanwaltschaft hatte umfangreiches Aktenmaterial zu dem Fall von der Stasiunterlagenbehörde angefordert - und drei Leitz-Ordner erhalten . Gysi war daraufhin zu einer weiteren Stellungnahme aufgefordert worden. Ob der zuständige Staatsanwalt entscheiden wird, zusätzlich noch Zeugen zu vernehmen, konnte Frombach am Dienstag nicht sagen.

Ein pensionierter Richter hatte Gysi im vergangenen Jahr angezeigt. Ausgangspunkt war eine gut vor zwei Jahren abgegebene eidesstattliche Versicherung im Zusammenhang mit einer Fernsehdokumentation des NDR. Darin erklärte Gysi: "Ich habe zu keinem Zeitpunkt über Mandanten oder sonst jemanden wissentlich und willentlich an die Staatssicherheit berichtet." Und: "Mir war die Staatsräson zu keinem Zeitpunkt wichtiger als das Schicksal meiner Mandanten." Dass Gysi Kontakte zur Staatssicherheit hatte, ist allerdings unstrittig - auch er selbst streitet das gar nicht ab.

Gysi spielt im Bundestagswahlkampf der Linken die zentrale Rolle, obwohl er formal im Spitzenteam nur einer von acht Kandidaten ist. Erst vor wenigen Tagen ist sein neues Buch "Wie weiter? Nachdenken über Deutschland" erschienen, laut Verlag angelegt als sein "persönliches Wahlprogramm". Gysi strebt an, die Bundestagswahl auch nach dem Wahltag zu führen - und zwar allein. Für die Nachfolge, etwa zur Mitte der Legislaturperiode, könnte er sich eine Doppelspitze aus seinen bisherigen Stellvertretern Dietmar Bartsch und Sahra Wagenknecht vorstellen. Einen zusätzliches Indiz für diesen Plan gab auch die Bundestagsfraktion selbst. In der jüngsten Ausgabe des von ihr herausgegebenen Magazin "Clara" ließen sie Bartsch und Wagenknecht im Doppelinterview zu Wort kommen. Die beiden Politiker erläuterten, wie sie sich die Umverteilung von Reichtum vorstellen und spielten sich dabei testweise die Bälle zu. Denkbar ist aber auch, dass der 65-Jährige Gysi noch länger an der Spitze stehen möchte - zum Beispiel, weil er Chancen sieht, mit SPD und Grünen doch noch in Gespräche über ein Linksbündnis 2017 im Bund zu kommen.

Für die Hamburger Ermittler derweil entwickelt sich der Fall Gysi derweil mehr und mehr zum Drahtseilakt. Sollte das Verfahren nach der Bundestagswahl mit einer Einstellung enden, würde diese späte Entscheidung aus Sicht Gysis eine Beigeschmack haben. Eine Anklage wiederum vor der Wahl könnte zum Vorwurf führen, in Hamburg mit seiner SPD-Alleinregierung habe die Justiz eine politische Entscheidung getroffen.

Matthias Meisner

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