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An einem Tisch: Irans Außenminister Javad Zarif (vorn) und sein US-Kollege John Kerry (rechts) am Montag in Wien
© Reuters

Iran und USA: Es geht um mehr als um Atompolitik

Bei den Atomverhandlungen gibt es noch immer keinen Durchbruch. Doch der Iran und die USA stehen vor einem historischen Schritt.

Vor Jahresfrist schien es noch unvorstellbar, dass der iranische und amerikanische Außenminister zwei Tage lang in einem Wiener Palasthotel Auge in Auge miteinander reden und anschließend erklären könnten, ihre Verhandlungen fänden statt in einer Atmosphäre von „Treu und Glauben“. Trotzdem - im ersten Anlauf hat es anscheinend nicht gereicht. Die vor einem halben Jahr in Genf gesetzte Verhandlungszeit bis zum 20. Juli wird wohl in die Verlängerung gehen.

Die technischen Details nämlich erweisen sich als mindestens ebenso vertrackt wie die politischen Konstellationen auf beiden Seiten. Im Iran blockieren das konservative Lager, die Revolutionären Garden und die bisherigen Profiteure des Sanktionsregimes. In Washington braucht Präsident Barack Obama die Zustimmung des skeptischen Kongresses, der allein die Sanktionen gegen die Islamische Republik demontieren kann. Auch die Bedenken der nahöstlichen Verbündeten Israel und Saudi-Arabien werden sich nicht so leicht zerstreuen lassen. Obendrein gefällt sich Russland in diesem internationalen Nervenspiel in der Rolle des unberechenbaren Solisten. Moskaus Vertrag mit Teheran über künftige 500.000 Barrel Rohöl pro Tag im Tausch gegen zwei weitere Atomkraftwerke und Devisengüter ist fix und fertig. Den Ölsanktionen von USA und EU wäre damit mit einem Schlag die Hälfte ihrer Wirksamkeit genommen.

Iran will gleiches Recht wie andere Nuklearstaaten

Irans Präsident Hassan Ruhani jedoch ist überzeugt, dass der Preis seiner Nation für das Atomprogramm längst in keinem Verhältnis mehr zum Nutzen steht. Und er weiß, dass sich der Megaknoten aus internationaler Isolierung und Abschnürung vom Welthandel nur entwirren lässt, wenn sein Land das jahrelange taktische Gerangel und zähe Doppelspiel ad acta legt. Zentraler Konfliktpunkt sind Dimension und Überwachung der Urananreicherung. Die USA wollen mindestens für die nächste Dekade Sicherheit, dass der Iran keine Atombombe bauen kann. Dazu müsste die Zahl der Zentrifugen deutlich reduziert, die internationalen Kontrollen minutiös festgeschrieben und eingehalten werden. Die iranische Seite dagegen will ihre Uranproduktion für drei bis sieben Jahre auf gegenwärtigem Niveau einfrieren, danach jedoch freie Hand erhalten – wie alle anderen Nuklearstaaten unter Aufsicht der Wiener Atomenergiebehörde.

London will sich in Teheran entschuldigen - für Krieg und den Putsch 1953

Gelingt es beiden Seiten, sich irgendwo auf der Mitte zu einigen, winken politische Vorteile von historischem Zuschnitt. In den USA würde der Atomvertrag als einer der größten außenpolitischen Erfolge der Regierung Obama in die Annalen eingehen. Der Iran fände unter der Führung von Hassan Ruhani nach 35 Jahren endlich aus dem kostspieligsten diplomatischen Irrgarten seiner Geschichte heraus, in den er sich durch die Geiselnahme in der Teheraner US-Botschaft 1980 hineinmanövriert hat. Zudem könnten diesem Durchbruch bald weitere folgen. So erwägt das britische Parlament, sich beim iranischen Volk öffentlich zu entschuldigen - für Londons Mittäterschaft beim Putsch 1953 gegen den einzigen frei gewählten Präsidenten Irans, Mohammad Mossadegh, sowie für seine dubiose Rolle im iranisch-irakischen Krieg von 1980 bis 1988, der der Islamischen Republik durch Saddam Hussein mit unverhohlenem Nachdruck der Westmächte aufgezwungen wurde.

Das Thema Atom wird weniger brisant

Washington wiederum hat mit Teheran brennende regionale Probleme zu regeln, angefangen vom US-Rückzug aus Afghanistan über die Zerfallskrise im Irak nach dem Feldzug der Isis-Krieger gen Bagdad bis hin zu einem Ende des mörderischen Bürgerkrieges in Syrien, das längst zum Tummelplatz tausender Gotteskrieger aus aller Welt geworden ist.

Und so könnte das Atomthema, wenn es erst einmal international entschärft ist, mit der Zeit ganz von alleine an Brisanz verlieren. Denn zehn Jahre im diplomatischen Abklingbecken sind eine lange Zeit. Bis dahin sind die betagten Gründungsväter der Islamischen Republik allesamt von der politischen Bühne verschwunden. Und die nächste Führungsgeneration im Iran könnte erheblich unbefangener denken, nicht nur über die Atomtechnik, auch über ihr Verhältnis zur Welt.

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