EU-Flüchtlingspolitik: Erst helfen, dann verteilen
Verteilung nach Quote, Migration auf Einladung, mehr Geld für Rettungsmissionen - kaum versprochen, gibt es wieder innereuropäischen Streit über die Asylpolitik. Dabei geht es weniger um große Ideen als um schnelle Hilfe. Das hat die EU-Kommission verstanden. Ein Kommentar.
Es ist auf den ersten Blick nicht sehr eindrucksvoll, was die EU-Kommission als ihre neue Flüchtlingspolitik darstellt. Umverteilung wird versprochen. Eine Quotenregelung soll dazu führen, dass Mittelmeerländer wie Italien und Griechenland weniger Bootsflüchtlinge versorgen müssen, von denen dann viele den Weg nach Deutschland finden – die meisten im europäischen Vergleich: 200.000 bei fast 81 Millionen Einwohnern.
Per Quote, orientiert an der Bevölkerung, der Wirtschaftskraft, der Arbeitslosigkeit, sollen Flüchtlinge von den Aufnahmelagern auch nach Tschechien oder Estland geschickt werden können. Weil die EU-Kommissare wissen, dass sie damit nur an den Symptomen des Flüchtlingselends herumkurieren, verspricht Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker etwas Neues – Umsiedlung ohne Lebensgefahr. 20.000 Menschen aus Krisengebieten sollen nach Europa ziehen dürfen. Am konkretesten ist noch der Beschluss der Kommission, den finanziellen Aufwand für die Rettungseinsätze mit Militärschiffen zu verdreifachen.
Profitieren die Menschenschmuggler?
Verteilung nach Quote, Migration auf persönliche Einladung und mehr Geld für Rettungsmissionen sind kaum versprochen, da geht der innereuropäische Streit über die Asylpolitik weiter. Juncker mahnt zur "Solidarität", England wird gleich ausgenommen. Ausgerechnet die britische Außenministerin Theresa May stellt fest, die EU-Flüchtlingspolitik erhöhe für Flüchtlinge den Reiz, sich Menschenschmugglern und deren nur begrenzt seetauglichen Seelenverkäufern anzuvertrauen. Damit hat sie völlig recht und wirkt doch wie eine Zynikerin.
Richtig liegt sie, weil allein die Rettungsmissionen dazu führen werden, dass mehr Menschen aus Syrien, Afghanistan, aus dem Irak und aus afrikanischen Staaten die Horrortour über das Meer überleben. Genauso werden sich professionelle Schlepper ermutigt fühlen, mit dem Leben von Flüchtlingen mehr Geld zu verdienen, wenn das Risiko sinkt, selbst abzusaufen und zu ertrinken. Zynisch wirkt Mays Bewertung des neuen EU-Minimalkonsenses, weil sie selbst sicher weiß, dass es so etwas wie ein richtige Flüchtlingspolitik nicht gibt.
Deutschlands Offenheit
Wie sähe die aus? Auf nationalstaatlicher Ebene mag es möglich sein, mit politischen Entscheidungen Probleme an der Ursache anzugehen – international geht das nicht. Dass weder Europa noch die Vereinigten Staaten fähig wären, den syrischen Bürgerkrieg zu beenden, ist bewiesen. Dass europäische finanzielle und technisches Hilfe für afrikanische Staaten den Menschen, die Hoffnung auf ein besseres Leben haben, die Motive zur Flucht nicht nehmen, ist bewiesen.
Dass jede Regierung immer auch die Stimmung im eigenen Land im Blick haben muss, wenn sie Steuergelder für EU-Politik ausgibt, versteht sich – auch wenn die Deutschen in Anbetracht einer guten Wirtschaftslage heute Offenheit für Asylbewerber demonstrieren. Was derzeit für Deutschland gilt, ist als flüchtlingspolitisches Grundgefühl nicht überall in Europa gleich verbreitet.
So gesehen, ist es weniger erstaunlich, dass von großem Denken in der Asylpolitik nicht viel zu erkennen ist. Aber es geht angesichts des Elends auf den Flüchtlingsbooten und Enge in den Aufnahmelagern Italiens und Griechenlands weniger um große Ideen als um schnelle Hilfe. Die EU-Kommission hat verstanden. Ihr Quoten- und Umsiedlungsbeschluss ist so schlecht nicht.