O’Rourke kandidiert für US-Demokraten: Er wäre ein Präsident der Generation X
Der Präsidentschaftskandidat Beto O’Rourke ist ein Hoffnungsträger der US-Demokraten. Er könnte die Generationen versöhnen. Ein Gastbeitrag.
Sudha David-Wilp ist stellvertretende Leiterin des Berliner Büros des German Marshall Fund der Vereinigten Staaten.
Der Besuch von Präsident Barack Obama in Berlin weckt Erinnerungen an den Wahlkampf von 2008, der darauf zielte, ein geteiltes Amerika zu vereinen. Mehr als ein Jahrzehnt später sind die Vereinigten Staaten polarisierter denn je. Der politische Hass ist nicht nur auf die Spaltung zwischen Konservativen und Liberalen oder zwischen Land und Stadt zurückzuführen. Auch demographische Verwerfungen spielen eine Rolle.
Rekordverdächtige Summe für den Wahlkampf
Doch da gibt es auch noch Robert Francis O’Rourke, auch bekannt als Beto, Jahrgang 1972, Demokrat, der gerade seine Kampagne für das Weiße Haus gestartet hat. Ohne Reklame für ihn machen zu wollen, kann man feststellen, dass er allein aufgrund seines Alters als Balsam für Amerikas angespannte Seelenlage taugt. O’Rourke ist ein Prototyp der Generation X, die als Brücke zwischen Babyboomern und der Generation der Millennials dienen könnte.
Über zwei Amtszeiten war O’Rourke als Kongressabgeordneter aus El Paso, Texas, in Washington; 2018 trat er zurück, um zuhause gegen den republikanischen Heißsporn Ted Cruz um den Senatssitz zu kandidieren. Obwohl er knapp verlor, lief er Cruz in der Hochburg der Republikaner in Sachen Spenden den Rang ab. Er erregte nationale Aufmerksamkeit, weil er rekordverdächtige 80 Millionen Dollar für seinen Senatswahlkampf einsammelte. Ein Video, in dem er in einer flammende Rede für den Footballspieler Colin Kaepernick Partei ergriff, der während der Nationalhymne kniete, ging viral.
Das alles hilft ihm bei seiner Präsidentschaftsbewerbung. Am ersten Tag, nachdem er die angekündigt hatte, erhielt er als Neuling im Ring 6,1 Millionen Dollar an Spenden; zum Vergleich: Bei Bernie Sanders waren es 5,9 Millionen Dollar. O’Rourke genießt eine Medienaufmerksamkeit, die an die Berichterstattung über Donald Trump während dessen Wahlkampfs erinnert. Noch steckt allerdings alles in den Anfängen, so dass sein fulminanter Start so schnell verpuffen könnten wie ein Snapchat-Post. Außerdem könnte er die Wähler durch seinen sensiblen, aber eitlen Stil abschrecken.
Trotzdem könnte O’Rourke gemeinsam mit anderen Abgeordnete, die während der Midterms in den Kongress gewählt wurden, der Klebstoff für die tektonischen Verschiebungen in den Vereinigten Staaten sein. Die Generation X ist eingeklemmt zwischen den Babyboomern, die nach dem Zweiten Weltkrieg bis Mitte der 60er Jahre geboren wurden, und den Millennials, die während der Reagan-Ära nach dem Fall der Mauer geboren wurden. Sie erlebte eine Kindheit ohne Terrorismus. Amerika stand als gute Macht unangefochten in der Welt da, die Angst der Bevölkerung beschränkte sich auf die vor einem Atomkrieg mit den Sowjets.
Amerika im grundlegenden Wandel
Diese Erfahrung führt natürlich zu keiner pauschalen Aussage über alle Altersgenossen dieser Jahrgänge. Doch es gab eine vorherrschende Frohsinnskultur, die Hollywood in John Hughes’ Hits wie „Breakfast Club“ oder „Ferris macht Blau“ hervorgebracht hatte. Aber unter Highschool-Ausgelassenheit und Selbstanalyse wuchs auch das nagende Gefühl, dass sich Amerika im grundlegenden Wandel befand.
Die Generation X wurde Zeuge von steigenden Scheidungsraten, dem Aufkommen von Aids und dem „Schwarzen Montag“ 1987, dem ersten Börsenkrach seit 1945. Die Kulturkriege der 90er Jahre über Abtreibung, Homo-Ehe, Identität und politische Korrektheit entstanden während ihres Studiums oder ersten Schritten in die Arbeitswelt. Infotainment infiltrierte langsam den Äther. Obwohl darüber debattiert wurde, schien es andererseits nicht möglich, dass diese Generation, die auf Commodore 64 im Keller spielte, weniger verdienen würde als ihre Eltern. Junge Erwachsene in diesem Alter waren verständlicherweise zynisch und unzufrieden. Generation X wurde als die Drückeberger-Generation bekannt und flüchtete in Kurt Cobains Musik und Indie-Filme. Obgleich Staatsbürgerkunde in der Schule angeboten wurde, ging von ihnen kaum jemand, der die nötige Intelligenz besaß, in die Politik – wegen des Schreckgespensts von Watergate, gefolgt von der Iran-Contra-Affäre. Stattdessen hielten die Babyboomer an den Hebeln der Macht fest, was auch heute noch offensichtlich ist.
Präsident Trump möchte nun ein vergangenes Amerika wiederherstellen, und der Senat ist voll von 70- und 80-Jährigen, wie sich bei der Anhörung von Brett Kavanaugh im vergangenen Sommer zeigte. Die Millennials stehen auf den Barrikaden, bereit, die Fackel zu übernehmen. Aber anstatt zu versuchen, die Probleme zu beheben, hängen viele von ihnen in ihren romantischen Utopien fest. Dafür kann man ihnen keinen Vorwurf machen, denn ihre Realität wurde durch die Finanzkrise und endlose Kriege bestimmt.
Einheit zwischen den polarisierten Fraktionen herstellen
Laut dem Pew-Forschungszentrum machen die Boomer etwa 28 Prozent der Wählerschaft aus, gefolgt von der Generation X mit 25 Prozent und den Millennials mit 27 Prozent. Ein Kandidat, der die Vergangenheit kennt und Ideen für die Zukunft hat, könnte eine gewisse Einheit zwischen den polarisierten Fraktionen im heutigen Amerika herstellen. Die demographische Mitte sollte sich darum – unabhängig von Parteipräferenzen – gut positionieren, um die Generationenlücke in Amerika zu schließen.
Es gibt zwar auch andere Kandidaten, die Ende 30 bis Anfang 50 Jahre alt sind. Aber keiner hat den Ethos der Generation X besser eingefangen als Beto O’Rourke. Er erfüllt alle gängigen Stereotypen: Skateboarder, Bandmitglied und Jobhopper nach der Uni. Er fährt immer noch Skateboard und seine Arbeit in der Techbranche während der Dotcom-Welle scheint ihn zu einem Social-Media-Naturtalent gemacht zu haben.
Eine Karikatur der Generation X reicht allerdings nicht aus, um die Nominierung der Demokraten zu gewinnen, geschweige denn das Weiße Haus. Die Frage ist, ob Beto O’Rourke politische Ideen bieten kann, die dauerhafte Werte der vergangenen Generationen Amerikas, wie Chancengleichheit und Offenheit, mit den heutigen Herausforderungen verbindet. Klimawandel, Automatisierung und Migration sind nur einige der Themen, die sich zu einem politischen Schwelbrand entwickelt haben, aber jetzt von Jung und Alt in Amerika schmerzhaft wahrgenommen werden.
Sudha David-Wilp