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Wütende Proteste. Vor der russischen Botschaft haben Demonstranten ein Schmähplakat mit dem Gesicht des russischen Präsidenten Putin angebracht.
© AFP

Krise in der Ukraine: Eiszeit zwischen Russland und Ukraine

Kiew droht mit dem Abbruch diplomatischer Beziehungen, nachdem in der Ostukraine ein Militärflugzeug abgeschossen worden ist. In Kiew wird um die 49 Todesopfer getrauert - und vor der russischen Botschaft randaliert. Die Gasverhandlungen sind vorerst gescheitert.

Die Ukraine hat Russland mit einem Abbruch der diplomatischen Beziehungen gedroht. Kiew wirft Moskau vor, die Separatisten in der Ostukraine zu unterstützen. Falls Russland weiterhin zur Verschärfung der Lage im Osten des Landes beitrage, müsse die Ukraine zu diesem „äußersten Mittel“ greifen, sagte Außenminister Andrej Deschtschiza am Sonntag in Kiew. Er wünsche sich dies aber nicht, weil sonst wichtige Gespräche mit Moskau schwieriger würden. Russland bestreitet, Einfluss auf die Aufständischen im Nachbarland zu haben.

Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko hat für den Sonntag einen „Tag der Trauer“ ausgerufen. Am frühen Samstagmorgen war eine ukrainische Militärmaschine bei Lugansk abgeschossen worden. Dabei starben 49 Soldaten und Besatzungsmitglieder. Am Sonntag hingen an vielen Gebäuden der Hauptstadt Kiew die Flaggen auf Halbmast oder waren mit Trauerflor versehen. Um zwölf Uhr gab es eine landesweite Schweigeminute.

Am Samstagabend hatte sich Poroschenko mit einer TV-Ansprache an die Ukrainer gewandt. Darin sprach er mit Bezug auf den Flugzeugabschuss von einer „schrecklichen Tragödie“. Er sagte, das Land erfahre in diesen schweren Stunden jedoch große internationale Anteilnahme. Poroschenko kündigte die Fortsetzung der Anti-Terror-Operation in der Ostukraine an. Das erste Ziel sei nun, die Kontrolle über die gesamte Grenze zurückzubekommen. In den vergangenen Tagen hätten ukrainische Truppen bereits 248 Kilometer zurückerobert, außerdem sei es gelungen, elf Siedlungen von Separatisten zu räumen, sagte Poroschenko. An diesem Montag ist eine erneute Sitzung des Nationalen Sicherheitsrates vorgesehen, „um den Friedensplan für den Donbass umzusetzen“, sagte er.

Verhandlungen im Gasstreit ergebnislos abgebrochen

Die Gasverhandlungen zwischen der Ukraine und Russland sind am Sonntagabend nach Angaben aus Kiew ohne Ergebnis abgebrochen worden. "Die Verhandlungen endeten ohne Ergebnis", hieß es von Seiten der ukrainischen
Regierung in Kiew. Russland hat ein Ultimatum bis Montagfrüh, 8.00 Uhr, für eine Einigung gesetzt und andernfalls mit einem Stopp der Gaslieferungen gedroht, von dem auch weitere europäische Staaten betroffen sein könnten. Schon am Samstag hatte eine weitere Verhandlungsrunde stattgefunden, die aber nach wenigen Stunden ergebnislos auf dem Sonntag vertagt worden war.

Menschenrechtler stirbt nach Folter durch Separatisten

Im Osten der Ukraine geht die Gewalt derweil weiter. In Lugansk erlag der Organisator proeuropäischer Proteste, Alexander Reschetniak, den Folgen tagelanger Folter durch Separatisten. Der 43-jährige Bürgerrechtler war am 10. Juni entführt worden und hatte sich zwei Tage in der Gewalt der Entführer befunden. Die Ärzte im Regionalkrankenhaus von Lugansk konnten Reschetniak nicht retten. Der Mann gehörte im Winter zu den Organisatoren der Lugansker Maidan-Proteste.

In der Kleinstadt Amwrossijiwka an der russischen Grenze hat es in der Nacht von Samstag auf Sonntag heftige Gefechte gegeben. Die ukrainische Armee griff Stellungen der Separatisten aus der Luft an. Die Rebellen halten die 20 000-Einwohner-Stadt in ihrer Gewalt, weil dort die strategisch wichtige Bahnstrecke zwischen Moskau und Rostow am Don verläuft.

Randale vor der russischen Botschaft

Der Abschuss des Militärtransporters hat in der Ukraine heftige Proteste ausgelöst. Vor der russischen Botschaft in Kiew kam es am Samstag zu stundenlangen gewaltsamen Protesten. Rund 200 Demonstranten hatten am Samstagnachmittag damit begonnen, das Gebäude der Russischen Botschaft in Kiew mit Farbbeuteln, Steinen und später auch Rauchbomben zu bewerfen. Auch mehrere Fahrzeuge, die der Botschaft gehörten, wurden komplett zerstört. Die Proteste hielten bis in die Nacht an. Hunderte Polizisten schauten stundenlang zu, ohne einzugreifen.

Die Demonstranten stimmten immer wieder ein Lied an, mit dem die Fußballfans des FC Metallist Charkiw seit dem Frühjahr ihren Unmut gegen den russischen Präsidenten ausdrücken. Der Song, in dem Putin mit wüsten Schimpfwörtern tituliert wird, ist zu einer Art Hymne der aktuellen Protestbewegung geworden. Am Sonntag lagen mehrere Trauerkränze mit dem Namen Putins vor der Botschaft. „Wladimir Putin, ein letzter Gruß“, lautet ein Spruch auf einer schwarzen Schleife.

Spät in der Nacht waren Innenminister Arsen Awakow und Außenminister Andrej Deschtschiza zu den Demonstranten gekommen, um die Situation zu beruhigen. „Protest ist zwar richtig, aber er soll friedlich bleiben“, sagte Deschtschiza. Allerdings soll der Minister auch gesagt haben, Präsident Putin sei ein „Schwachkopf“. Der russische Außenminister Sergej Lawrow beschwerte sich über die Untätigkeit der ukrainischen Behörden, die er für die Eskalation in Kiew verantwortlich machte. Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschuss der russischen Duma, Alexej Puschkow, sprach Deschtschiza jedwede diplomatische Fähigkeiten ab und forderte Präsident Poroschenko auf, einen neuen Außenminister zu benennen.

Für den Abschuss der Militärmaschine wurde Russland von der Europäischen Union, den USA und den Vereinten Nationen schon am Samstag heftig kritisiert. Doch auch die Ukraine wurde kritisiert. Der russische Außenminister Sergej Lawrow hat nach den Krawallen den Vorsitzenden der OSZE, den Schweizer Didier Burkhalter, gebeten, Russland vor weiteren Provokationen zu schützen. Die USA haben die Krawalle vor der Botschaft ebenfalls scharf kritisiert.

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