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Auch am Samstag kam es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen vor dem Gewerkschaftshaus in Odessa, das am Vortag in Flammen aufgegangen war.
© rtr

Ukraine-Krise: Kiew: Russland bereitet Einmarsch vor

Nach der Eskalation in Odessa mit mindestens 46 Toten geben sich die Ukraine und Russland gegenseitig die Schuld. Kiew spricht von einer Provokation des russischen Geheimdienstes FSB.

Odessa trägt Trauer. An vielen Gebäuden haben Bürger die ukrainische Flagge mit schwarzem Trauerflor angebracht. Die Regionalregierung und die Stadt haben eine dreitägige Trauer ausgerufen, Theater und andere öffentliche Verwaltungen sollen geschlossen bleiben. „Wir haben seit hunderten Jahren friedlich zusammengelebt, was soll diese Gewalt?“, schreibt die Internetzeitung "Stimme Odessas".

Die Auseinandersetzungen zwischen pro-ukrainischen und pro-russischen Demonstranten in der südukrainischen Hafenstadt Odessa vom Freitag haben mindestens 46 Todesopfer gefordert. Am Freitagnachmittag hatten sich vor dem Fußballspiel der Erstligaclubs Tschernomorez Odessa und Metallist Charkiw die Fans beider Teams zu einem pro-ukrainischen Marsch durch die historische Innenstadt der Schwarzmeermetropole versammelt. Die Teilnehmer der Kundgebung wurden von pro-russischen vermummten Männern angegriffen. Dasselbe Muster war zuletzt am Montag in der Stadt Donezk zu beobachten, wo bei einem friedlichen Protestmarsch Teilnehmer mit Knüppeln, Baseballschlägern und Schusswaffen attackiert wurden. Auch ein TV-Team der ARD-Tagesschau war am Montag angegriffen worden.

Molotow-Cocktails vom Dach des Gewerkschaftsgebäudes

In Odessa eskalierte die Gewalt, als die pro-ukrainische Kundgebung am Haus der Gewerkschaften angekommen war. Vom Dach des Gebäudes wurden die Protestierenden mit Molotow-Cocktails beworfen und von Scharfschützen beschossen. Das fünfstöckige Gebäude fing anschließend Feuer. Dabei kamen die meisten der Opfer ums Leben, sie erstickten.

Die ukrainische und die russische Seite werfen sich gegenseitig vor, die Schuld an dem Drama zu tragen. Faschisten der Extremistengruppe vom "Rechten Sektor" hätten die unschuldigen Menschen in das Gewerkschaftshaus getrieben und angezündet, lautete die russische Leseart. Der Leiter der Verwaltung des ukrainischen Präsidenten, Sergej Paschinski, sagte am späten Freitagabend: "Das, was wir in Odessa gesehen haben, ist eine Provokation des russischen Geheimdienstes FSB. Mit der Bluttat soll das Augenmerk von den Operationen in Donezk gelenkt werden."

Der ukrainische Geheimdienst SBU hat diese Vorwürfe am Samstagvormittag auf einer Pressekonferenz noch konkretisiert. SBU-Sprecherin Katerina Kosarew sagte, man habe eindeutige Beweise dafür, dass Aktivisten aus Russland in der Ost- und Süd-Ukraine operierten. Diese Gruppen würden vom früheren Vize-Premier Sergej Arbusow und vom Ex-Finanzminister Alexander Klimenko finanziert. Die Unruhen in Odessa seien von Militärs geplant und geleitet worden, die Söldner aus Transnistrien angeheuert hätten. Ziel sei es, die Ukraine zu destabilisieren. „Russland will eine Situation schaffen, um hier einzumarschieren“, warnte Kosarew.

Timoschenko geht mit Moskau ins Gericht

Die Wahlkämpfer, die sich Ende Mai um das Amt des Präsidenten bewerben, sind unterdessen in Odessa eingetroffen. Als erste war Julia Timoschenko am späten Freitagabend in die Hafenstadt geflogen. Am Vormittag sprach sie zusammen mit Vize-Premierminister Vitali Jarema von einer „Tragödie, die von Russland ausgelöst wurde“. Der Kreml versuche, in der Ukraine „ein jugoslawisches Szenario durchzuführen, um das Land aufzuteilen“. Das Vorgehen sei „kriminell“ und müsse auch so benannt werden.

Auch Petro Poroschenko, der in den Umfragen vor der Präsidentschaftswahl führt, kam zusammen mit Vitali Klitschko nach Odessa und besuchte in einem Krankenhaus Opfer. Poroschenko warf der Polizei von Odessa Untätigkeit vor. Wenn die Sicherheitskräfte eingegriffen hätten, wäre die Katastrophe zu verhindern gewesen, sagte er.

Nina Jeglinski

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