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Der Juso-Vorsitzende Kevin Kühnert
© dpa/Michael Kappeler

Juso-Chef Kevin Kühnert: "Eine Kasernierung von Geflüchteten darf es nicht geben"

Juso-Chef Kevin Kühnert über seine Ablehnung der Brüsseler Asyl-Beschlüsse, den Machtkampf zwischen CSU und CDU und die Debatte über Flüchtlingspolitik auch in der SPD.

Herr Kühnert, können Sie uns sagen, welchen Kurs die SPD in der Asylpolitik derzeit vertritt? Das ist ja etwas nebulös.

Wir stehen für eine menschliche Flüchtlingspolitik. Wir haben bereits schmerzhafte Kompromisse im Rahmen des Koalitionsvertrages gemacht. Dass der Nachzug der Familien von Bürgerkriegsflüchtlingen kaum noch möglich ist, ging an die Grenze des Erträglichen. Mehr geht nicht.

Haben wir Sie richtig verstanden: Die SPD sollte lieber die Koalition verlassen, als weitere Verschärfungen mitzutragen?

Egal, ob wir über Asylpolitik, Europa oder Rentenpolitik sprechen: Abenteuerliche Eigeninterpretationen des Koalitionsvertrages durch die CSU darf die SPD in keinem Themenbereich dulden. Wir sollten jetzt erstmal den Ausgang des Machtkampfs in der Union um die Asylpolitik abwarten. Sollte es zu einer gemeinsamen Position der Unionsparteien kommen, dann werden wir die bewerten. Ich stochere ungern im Nebel.

Über eines besteht jetzt in Europa Einigkeit: Die Außengrenzen sollen stärker geschützt werden, Bootsflüchtlinge sollen in geschlossene Aufnahmelage in der EU gebracht werden. Solche Lager könnten außerdem auch in Afrika entstehen. Wird die EU damit ihren eigenen Werten gerecht?

Menschen haben den Drang, irgendwo in Frieden und Sicherheit zu leben. Wenn man dem mit einer weiteren Militarisierung von Grenzen begegnet, werden wir am Ende immer mehr dramatische Szenen an den europäischen Außengrenzen sehen. Niemand hat etwas dagegen, wenn Asylverfahren effizient und trotzdem sorgfältig durchgeführt werden, aber eine Kasernierung von Geflüchteten – egal, ob in nationalen Ankerzentren oder internationalen Aufnahmelagern – darf es nicht geben.

Die SPD-Spitze lehnt Zurückweisungen direkt an der Grenze ab, will aber im Schnellverfahren über Asylanträge von Flüchtlingen entscheiden, die bereits in einem anderen EU-Land registriert sind. Einverstanden?

Solche Verfahren müssten laut Koalitionsvertrag in den sogenannten Ankerzentren stattfinden. Wenn die Geflüchteten dort kaserniert werden sollen, dann ist das durch den Koalitionsvertrag nicht gedeckt und dann darf die SPD das nicht mitmachen. Der Innenminister muss sich endlich dazu bequemen, der Öffentlichkeit mitzuteilen, wie er sich die Zentren vorstellt. Wir werden ihm keinen Persilschein ausstellen.

Warum legt die SPD eigentlich keinen eigenen Masterplan zur Migrationspolitik vor?

Ich weiß, dass manche glauben, die SPD sei nicht klar genug. Aber die SPD macht im Moment eines richtig: Sie lässt sich nämlich nicht auf eine reine Spiegelstrich-Debatte ein über Maßnahmen der Grenzsicherung. Das was wir diskutieren, ist ein von der CSU angezettelter Angriff auf jahrzehntelange europäische Einigungspolitik und historische Errungenschaften das Schengener Abkommen. In dieser Größenordnung muss man dem begegnen. Die SPD hat deutlich signalisiert: Wir sind eine proeuropäische Partei und wir sind nicht bereit, das Rad in Europa zurückzudrehen.

Was haben Sie eigentlich auszusetzen am Satz Ihrer Parteivorsitzenden Andrea Nahles, wonach Deutschland „nicht alle aufnehmen“ kann?

Wir reden von morgens bis abends nur noch über Flucht, Asyl und Migration. Bei vielen Menschen verdichtet sich in der Flüchtlingsdebatte der Eindruck, dass immer mehr Schutzsuchende zu uns kommen, obwohl die Zahlen das Gegenteil beweisen. Solche Sätze suggerieren, dass es in der aktuellen Debatte um mehr Migration gehen würde, dabei reden fast alle politischen Kräfte seit drei Jahren von weniger.

Sigmar Gabriel soll in der Fraktionssitzung gesagt haben, es sei das gute Recht der Bürger, die Kontrolle über die eigenen Staatsgrenzen einzufordern. Was ist daran falsch?

Ich finde es brandgefährlich den Leuten immer wieder das Lied vorzusingen, was da lautet, wir hätten einen Kontrollverlust, wir wüssten nicht, was an unseren Grenzen passiert. Das ist falsch und führt auch in die irre, was die Fallzahlen der betroffenen Personengruppen im Moment betrifft. Wir müssen über ganz andere Dinge reden.

Nämlich?

Wir brauchen Lösungen, die Konkurrenz zwischen Flüchtlingen und Menschen, die schon länger hier leben, verhindern. Kommunen, die sich freiwillig melden, sollten zum Beispiel über die Integrationskosten hinaus finanzielle Unterstützung erhalten, wenn sie Flüchtlinge aufnehmen und integrieren. Damit wäre den Flüchtlingen und den Einheimischen gleichermaßen geholfen.

Die CSU will am Sonntag darüber entscheiden, ob ihr die Brüsseler Verhandlungsergebnisse genügen. Andernfalls will Innenminister Seehofer die Zurückweisung von Migranten im Alleingang durchsetzen. War’s das dann mit der Groko?

Angela Merkel hat ja schon deutlich gemacht, dass sie einen Alleingang Seehofers nicht dulden würde. Dann kann das die SPD ja erst recht nicht dulden.

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