Im Blick: Eine günstige Gelegenheit
Die von der Ebola-Krise besonders betroffenen Länder Westafrikas brauchen auch nach dem Ende der Epidemie Hilfe. Doch sollten die Geberländer genau hinsehen, wohin das Geld fließen soll.
Ein schlechtes Gewissen ist meistens ein schlechter Ratgeber. Deshalb führt der Ebola-Sonderbeauftragte der Bundesregierung, Walter Lindner, bei seinen Besuchen im Krisengebiet mehr und mehr Gespräche, die ihn nachdenklich machen. Die drei Präsidenten der am stärksten betroffenen Länder – in allen ist Deutschland derzeit im Kampf gegen Ebola helfend präsent – haben viele Wünsche an Lindner. Was alle drei verbindet: Sie haben die Hoffnung, dass nach der zunächst schleppend angelaufenen Ebola-Hilfe nun viel Geld in ihre Länder fließt, um sie nach der Krise zu stabilisieren. Da geht es um Geld für Straßen, für die Stromversorgung, für das Gesundheitswesen und überhaupt die Wirtschaft.
Kaum dass die Fallzahlen in Liberia etwas gesunken sind – derzeit liegt die tägliche Infektionsrate nach Angaben des Gesundheitsministeriums in Monrovia bei etwa zehn – hat die Präsidentin, Ellen Johnson Sirleaf, angeordnet, die eigentlich bereits für den Oktober geplanten Senatswahlen am kommenden Dienstag abzuhalten. Dazu müssen die Wähler in ihre Heimatbezirke reisen. Zugleich verbot sie aber sicherheitshalber große Wahlveranstaltungen. Das oberste Gericht hat den Wahltermin bestätigt und das Verbot von Wahlveranstaltungen wieder aufgehoben. Doch Gesundheitsexperten blicken mit Sorge nach Liberia, weil sie befürchten, dass das Ebola-Virus durch die Reisen, Weihnachten kommt dann ja auch, wieder im ganzen Land verbreitet werden könnte.
Die Ebola-Krise ist auch ein politisches Kampfthema
Zur Wahl steht in Liberia übrigens auch einer der Söhne der Präsidentin, Robert Sirleaf. Er sagt, seine Mutter habe damit nichts zu tun, und er gedenke als Senator den öffentlichen Nahverkehr in Monrovia zu verbessern. Aber viele in Liberia sehen schon eine Sirleaf-Dynastie aufziehen, denn 2017 darf Ellen Johnson-Sirleaf nach zwei Amtszeiten nicht noch einmal antreten.
Im benachbarten Sierra Leone dagegen hat Präsident Ernest Bai Koroma angeordnet, Weihnachten mehr oder weniger ausfallen zu lassen. Er hatte die Welt schon im September mit einem mehrtägigen Ebola-Hausarrest verwirrt. Nirgendwo breitet sich die Epidemie derzeit schneller aus als in Sierra Leone. Aber Koroma denkt schon intensiv an die Zeit danach. Schon seit seinem Amtsantritt wünscht sich Koroma einen neuen Flughafen, denn der aktuelle ist relativ weit weg von Freetown und nur mit einer Fähre, die nicht immer nutzbar ist, zu erreichen. Es würde ihm in seiner ebenfalls erst vor kurzem begonnenen zweiten Amtszeit gut zu Gesicht stehen, wenn es ihm gelänge, der internationalen Gemeinschaft das Geld für einen Flughafen-Neubau abzuschwatzen. Und auch in Guinea gibt es viele Wünsche, wie der französische Präsident Francois Hollande bei einem Sechs-Stunden-Besuch erfuhr. In Guinea ist die Infektionsrate etwas zurückgegangen.
Wenn die Geberländer nicht aufpassen, werden sie sich schnell mitten im innenpolitischen Kampfgetümmel wiederfinden. Die drei Präsidenten werden alles tun, um trotz Ebola an der Macht zu bleiben. Und da kommen ihnen schlecht informierte Geberländer gerade recht. Weil die Ebola-Hilfe so schwerfällig anlief, fühlen sich die Geber auch besonders in der Pflicht. Aber sie sollten sich ihre Investitionen genau überlegen.