Liberia: Der tiefe Fall einer Hoffnungsträgerin
Liberias Präsidentin und Nobelpreisträgerin Johnson-Sirleaf hat ihrer Familie höchste Posten verschafft.
Berlin - Ellen Johnson-Sirleaf war am 10. Dezember 2011 auf dem Höhepunkt ihrer Karriere. An diesem Tag nahm sie in Oslo den Friedensnobelpreis entgegen. Allein die Ankündigung, dass sie ihn erhalten würde, hatte den Wahlkampf für ihre Wiederwahl im Herbst des vergangenen Jahres so beflügelt, dass sie ein zweites Mal zur Präsidentin gewählt wurde. Doch seither geht es mit ihrem Ruf bergab.
Ende Februar berief die erste Präsidentin Afrikas ihren 54-jährigen Sohn Robert zum Aufsichtsratsvorsitzenden der Nationalen Ölfirma Liberias (Nocal). Robert Sirleaf hat noch einen zweiten Job: Er ist der wichtigste Berater seiner Mutter. Und darüber hinaus verwaltet Robert Sirleaf eine private Stiftung. Die Zeitschrift „Africa Confidential“ weiß aus Kreisen nahe der Präsidentenfamilie, dass Robert Sirleaf seiner Mutter mit einer Rückkehr in die USA gedroht haben soll, wo er lange gelebte hatte, wenn sie ihn nicht zum Aufsichtsratsvorsitzenden von Nocal machen würde. Robert Sirleaf hat bei einer inzwischen bankrotten Bank in North Carolina gearbeitet. Aloysius Toe, ein politischer Aktivist in Liberia, hat in einer Analyse für die Onlineausgabe der liberianischen Zeitung „Frontpage Africa“ seine Qualifikation infrage gestellt und sich der Forderung des „Liberianischen Demokratie Instituts“ angeschlossen, den Lebenslauf des Präsidentinnensohnes öffentlich zu machen.
Ellen Johnson-Sirleaf verteidigte die Berufung in einem Programm des staatlichen Radios so: „Was ist falsch daran, meinen Sohn als Aufsichtsratsvorsitzenden von Nocal zu berufen? Er ist qualifiziert. Warum sollte ich ihm die Möglichkeit verweigern, für sein Land zu arbeiten?“ Sie betonte, ihr Sohn habe 20 Jahre „an der Wall Street“ gearbeitet. Im Übrigen habe er für eine „internationale Ölagentur“ in der Diaspora gewirkt. Er habe große Kenntnisse über Öl. Das klang nicht nur für Aloysius Toe ziemlich unglaubwürdig. Tatsächlich erhob sich ein Sturm der Entrüstung über die Berufung. Zumal es nicht der einzige wichtige Posten ist, den Johnson-Sirleaf in der Familie behalten hat. Die 73-jährige Präsidentin hatte kurz zuvor einen zweiten Sohn, Charles Sirleaf, zum Vizepräsidenten der Zentralbank ernannt. Ihr Siefsohn Fomba Sirleaf leitet die nationale Sicherheitsbehörde. Ihr Bruder Carnie Johnson arbeitet für mehrere Minenunternehmen. Ihre Schwester Jennie Bernard ist eine wichtige Beraterin der Präsidentin und ihr Schwager Estrada Bernard ihr Rechtsbeistand. Ihr Neffe Varney Sirleaf ist neuerdings Vize-Innenminister.
Nach der heftigen Kritik kündigte Johnson-Sirleaf an, dass die Bücher der Ölgesellschaft vollständig öffentlich gemacht werden sollen. Im Übrigen arbeite Robert Sirleaf „pro bono“, also ohne Gehalt, für Nocal. Robert Sirleaf wiederum verklagte derweil zwei Tageszeitungen, „The Independent“ und „The Analyst“, sowie den Oppositionsabgeordneten Jefferson Kogie, der in einer der beiden Zeitungen behauptet hatte, Sirleaf habe sich die Lizenzen für mehrere Ölfelder vor der liberianischen Küste gesichert. Sirleaf verklagt die drei auf rund elf Millionen US-Dollar Schadenersatz. Er bestreitet, dass er selbst Lizenzen besitze und stört sich zudem daran, mit dem als überaus korrupt eingeschätzten Sohn des Präsidenten von Äquatorial-Guinea verglichen worden zu sein. Die Herausgeber der beiden Zeitungen bezeichneten die Klage am Mittwoch als „lachhaft“.
Im Mai 2011 hat Entwicklungsminister Dirk Niebel (FDP) bei seinem Besuch in Liberia noch gesagt: „Ich bin beeindruckt vom entschiedenen Reformwillen der Staatspräsidentin.“ Die Fortschritte beim Wiederaufbau des Landes nach einem langen Bürgerkrieg und die „Erfolge bei der Korruptionsbekämpfung“ zeigten, „wie wichtig gute Regierungsführung“ sei. Das betont auch Johnson-Sirleaf in jeder ihrer Reden. Liberia hat eine Vielzahl von Verträgen mit internationalen Minenkonzernen abgeschlossen. Außerdem ist vor der Küste Öl gefunden worden. Die Verträge sind jedoch alle geheim.
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