Cheblis Sexismus-Vorwürfe: Ein Staatsamt eignet sich nicht für politische Kampagnen
Im angeblichen Schockzustand hat die Berliner Staatssekretärin ihre Pflichten vergessen und bei Facebook und Twitter ein Tribunal veranstaltet. Ein Kommentar.
Die Debatte um die Äußerungen eines pensionierten Botschafters gegenüber der Berliner Staatssekretärin Sawsan Chebli hat dieser selbst zu einem guten Ende geführt. Er hat sich für seine „unpassenden“ Worte entschuldigt. Damit trifft er den Punkt. Offenbar hat er der Versuchung widerstanden, sein unangebrachtes Kompliment, er habe keine so junge und schöne Staatssekretärin erwartet, irgendwie zu rechtfertigen. Damit beweist er ein Feingefühl, das ihm ein paar Tage zuvor abhanden gekommen war.
Es sollte gerichtet werden. Nicht diskutiert.
Eine andere Person, der möglicherweise Feingefühl abhanden kam, ist Chebli selbst. Ihre Einordnung des Vorgangs als „Sexismus“, der sie „geschockt“ zurückließ, verweist auf eine von Befindlichkeit geprägte Beurteilung der Dinge, die sie dennoch in der Öffentlichkeit verbreiten will, um eine „Debatte weiter anzustoßen, die noch nicht ausgefochten ist“.
Die SPD-Politikerin macht mit ihrer Verletztheit Politik. Eine Methode, die der Gegenseite die Argumente nimmt. Sie, das Opfer, klagt öffentlich den Täter an, den sie namentlich zwar nicht nennt, ihn aber mit der Schilderung der Umstände identifizierbar macht, ohne ihm zugleich die Chance auf Verteidigung zu geben. Eröffnet wird ein Tribunal. Es soll gerichtet, nicht diskutiert werden.
Feingefühl fehlt - auf beiden Seiten
Feingefühl lässt Chebli vermissen, weil sie das alles in amtlicher Funktion mit amtlicher Autorität unternimmt. Sie bestreitet das, die Senatskanzlei auch. Aber mit Gründen, an denen zu zweifeln ist. Die Staatssekretärin war dienstlich bei einem offiziellen Termin und erhebt öffentlich gegen jemanden Vorwürfe, der sie dorthin wegen eben jener amtlichen Stellung eingeladen hat. Die Annahme, es handele sich hierbei um Cheblis Privatsache, ist in etwa so irrig wie die, bei den Bemerkungen des Ex-Botschafters handele es sich um Schmeichelei.
Als Beamtin unterliegt Chebli dienstlich wie privat einem Mäßigungsgebot, das sie mit diesem unfairen und politisch verzweckten Schauprozess im Internet verletzt haben könnte. Wäre es anders, könnten Vertreter der Senatskanzlei künftig regelmäßig in dienstlicher Funktion Veranstaltungen besuchen, um anschließend über die Gastgeber herzuziehen, weil sie – natürlich nur privat – Debatten anstoßen wollen. Insofern ist kaum anzunehmen, dass man im Roten Rathaus über das Geschehen besonders glücklich ist.
Auch alte, weiße Männer haben Qualitäten
Kein Beamter muss im Job sexistische Übergriffe dulden. Auf dem Dienstweg hätte eine klare Botschaft gesandt werden können. Nach einer Stellungnahme hätte Chebli immer noch die Möglichkeit gehabt, den Fall anzuprangern. Aber dafür war er dann wohl nicht ernst genug und ging auch nicht tief genug. Dass der Ex-Diplomat bei der Spitzenbeamtin trotz deren unbedachten Verhaltens um Verzeihung bat, deutet Qualitäten an, die mit den alten weißen Männern hoffentlich nicht aussterben werden.
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