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Gespräch ohne Ergebnis: US-Präsident Trump und Nordkoreas Machthaber Kim in Hanoi
© AFP/Saul Loeb

Gipfeltreffen von Trump und Kim: Ehrliches Scheitern ist keine Katastrophe

Trump widersteht der Versuchung, sein ergebnisloses Treffen mit Kim zum Erfolg zu erklären. Der nächste Gipfel wird realistischer. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Christoph von Marschall

Jeder will Erfolg haben. Oder zumindest den Anschein von Erfolg. Niemand gibt gern zu, gescheitert zu sein. Wenn der Erwartungsdruck vor einem internationalen Treffen hoch ist, der Fortschritt aber ausbleibt, geraten Politiker in Versuchung, ihre Gespräche dennoch zu einem Erfolg zu erklären. Donald Trump und Kim Jong Un haben dieser Versuchung widerstanden. Sie haben den Misserfolg ihres Atomgipfels eingestanden. Das ist ihnen hoch anzurechnen.

Beide hätten allzu gerne Erfolg vermeldet, ganz besonders Trump, schon aus innenpolitischen Gründen. Zuhause gerät der US-Präsident unter Druck: erstens hat das Repräsentantenhaus offiziell missbilligt, dass Trump den Notstand ausruft, um doch noch an die vom Parlament verweigerten Gelder für den Mauerbau zu kommen; zweitens wegen der Wendung in den Russland-Untersuchungen durch die Aussagen seines ehemaligen Anwalts Michael Cohen im Kongress. Ein Erfolg beim Atomgipfel mit Kim hätte ihm Entlastung gebracht.

Diktator Kim hat seine notleidende Bevölkerung darauf eingestellt, dass er die Prioritäten der Regierung von der Rüstung zur Versorgung der Bevölkerung verlagert, dass die internationalen Sanktionen gelindert werden und es wirtschaftlich bergauf geht. Aus beider Hoffnungen wird nun nichts – jedenfalls fürs Erste.

Das ist zwar schade, aber kein großer Schaden für die Welt. Ein ehrliches Scheitern ist besser, als wenn die beiden die Weltöffentlichkeit mit einer gemogelten Erfolgsmeldung in die Irre führen. Sie hätten genügend Anknüpfungspunkte dafür gehabt. Zum Beispiel hätten sie erklären können, dass sie diplomatische Vertretungen im jeweils anderen Land einrichten – nicht gleich Botschaften, aber Verbindungsbüros. Es sei ein "Erfolg", dass die Zeit der Sprachlosigkeit beendet sei, hätte es geheißen.

Einfacher Ausweg: ein Friedensvertrag

Oder sie hätten erklären können, dass sie sich 66 Jahre nach Ende des Korea-Kriegs auf den Abschluss eines Friedensvertrags geeinigt hätten. Bisher gibt es nur ein Waffenstillstandsabkommen, und Südkorea gehört nicht einmal zu den Unterzeichnern. "Frieden" ist ein hochsymbolisches Wort. An der tatsächlichen Lage – kein Krieg, aber auch kein friedliches Einvernehmen – würde ein Friedensvertrag wenig ändern.

Der Kern des Konflikts betrifft jedoch Nordkoreas Atomwaffen. Bis vor einem Jahr hatte Kim die Welt mit seinen Kriegsdrohungen erpresst. Er testete Atomsprengköpfe und sogar eine Wasserstoffbombe. Er schoss Raketen in Richtung Japan und Nordamerika ab. Also muss es beim Abbau dieser Bedrohungen einen substanziellen Fortschritt geben, ehe man aufrichtig von Erfolg sprechen kann. Kim wollte nur wenig geben, aber sehr viel an Gegenleistung bekommen. Er wollte nur einzelne Atomanlagen schließen, forderte aber die Aufhebung aller Sanktionen. Das wäre kein guter Deal für Trump. Also hat der US-Präsident abgelehnt.

Ein abgebrochener Gipfel ist keine Katastrophe. Der Misserfolg zeigt den realen Stand der Verhältnisse. Trump und Kim verbindet keine Liebesbeziehung. Aber sie reden miteinander und tasten sich an eine Verständigung heran. In die gefährliche Lage vor ihrer Annäherung, als Trump und Kim mit ihren Waffen drohten, fallen die USA und Nordkorea nicht zurück.

Eine mächtige Koalition in der Region möchte, dass die Gespräche weitergehen: Südkorea, China, Japan. Sie verlangen, dass Nordkorea mit der Zeit alle Atomwaffen aufgibt. Sie werden offen oder verdeckt Druck auf Kim ausüben, den Weg der Denuklearisierung zu gehen. Im Gegenzug können die USA schrittweise Zugeständnisse machen, die Nordkorea wirtschaftlich helfen.

Asien ist dabei, das atlantische Bündnis aus Europa und Nordamerika als ökonomisches Rückgrat der Weltwirtschaft abzulösen. Konflikte stören bei diesem Aufstieg, seien es Kriege zwischen Indien und Pakistan um Kaschmir, Konflikte um Chinas Hoheitsgebiete oder ein atomares Wettrüsten wegen Nordkorea. China hat kein Interesse daran, dass Japan sich von Kim bedroht fühlt. Denn dann rüstet Tokio auf, was wiederum Pekings Einfluss in der Region begrenzt. Südkorea möchte seinen ökonomischen Aufstieg fortsetzen. Es bemüht sich um eine neue Phase der "Sonnenscheinpolitik" mit Sonderwirtschaftszonen, in denen Nord- und Südkorea die Kooperation einüben können.

Ein Anfang ist gemacht. Trump und Kim sind in Hanoi zwar vorzeitig auseinander gegangen und haben keinen Folgegipfel vereinbart. Aber sie werden sich wieder treffen, mit dem gebührenden zeitlichen Abstand, weil sie den Erfolg brauchen und weil andere darauf drängen. Kim hat die Schließung einzelner Atomanlagen angeboten. Das weist den Weg für die nächste Runde: Einstieg in die Abrüstung gegen Einstieg in den Abbau von Sanktionen.

In Hanoi wollte Kim zu viel. Womöglich hat er den US-Präsidenten unterschätzt und dessen Drängen auf einen Erfolg um jeden Preis überschätzt. Dabei ist Trumps Verhalten doch gar nicht so überraschend. Als lebenslanger Dealmaker in der New York Immobilienszene weiß Trump: Manchmal muss man vom Tisch aufstehen, wenn man beim ersten Gespräch nicht bekommt, was man braucht. Das macht das Gegenüber bei der nächsten Begegnung geschmeidiger.

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