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Ex-Justizminister Heiko Maas hatte Druck gemacht - Kinder sollen spielen und lernen, war sein Slogan.
© Paul Zinken/dpa

Maas-Gesetz kommt vor das Bundesverfassungsgericht: Ehen bekämpft man nicht

Wenn Jugendliche im Ausland heiraten, muss man das nicht in Deutschland für nichtig erklären. Kontrolle genügt. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Jost Müller-Neuhof

Früher haben Gesetze etwas geregelt, heute müssen sie etwas bekämpfen. Viele Vorhaben heißen „Gesetz zur Bekämpfung von...“. Es folgt Terror, Korruption, Schwarzarbeit oder so etwas wie Geschlechtskrankheiten. Bald könnte es eines weniger davon geben, das „zur Bekämpfung von Kinderehen“. Der Bundesgerichtshof hat es mit Beschluss vom Freitag den Nachbarn in Karlsruhe vorgelegt. Die Richter sind überzeugt: Es ist verfassungswidrig.

Der Fall hatte Aufsehen erregt. Ein junges Paar, beide syrische Flüchtlinge, floh 2015 auf der Balkanroute nach Deutschland. Trotz zuvor in Syrien geschlossener Ehe wurden sie getrennt. Das Mädchen, damals 15 Jahre alt, bekam einen Vormund. Ihr sieben Jahre älterer Mann, zugleich ihr Cousin, wehrte sich dagegen. Das Amtsgericht gestand ihm immerhin ein Umgangsrecht fürs Wochenende zu; zu viel, fand das Jugendamt, zudem müsse das Mädchen dabei begleitet werden.

Das Flüchtlingspaar wurde zum Fall fürs Parlament

Die dann folgende Entscheidung des Oberlandesgerichts Bamberg brachte die Republik in Wallung. Die Ehe sei auch in Deutschland anzuerkennen, weshalb das Jugendamt nicht über den Aufenthalt der gültig Verheirateten zu bestimmen habe, urteilten die Richter. Der damalige Justizminister Heiko Maas (SPD) drückte parteiübergreifendes Unverständnis aus. „Kinder gehören nicht an den Traualtar.“ Sie sollten lieber spielen und lernen. Das getrennte Flüchtlingspaar wurde so zu einem Fall für das Parlament. Heraus kam ein weiteres Bekämpfungsgesetz, dass pauschal alle im Ausland geschlossenen Ehen von Partnern unter 16 Jahren für nichtig erklärte. Es gab viel Beifall.

Offenbar setzen die Bundesrichter jetzt andere Akzente: Es gehöre zu den „Kerngrundsätzen der Ehe“, dass Eheleute zusammenleben sollten. Meint der Vormund einer Minderjährigen dies verhindern zu müssen, stelle dies eine „Kindeswohlgefährdung“ dar. Schließlich gebe es auch das Grundgesetz, das ein Eheleben garantiere.

Ein Plädoyer für die alte Rechtslage

Gute Absicht als Kindeswohlgefährdung? Der Beschluss ist kein Plädoyer für die Akzeptanz von Kinderehen, die unter Geltung der Scharia eingegangen wurden. Vielmehr ist er ein Plädoyer für die Rückkehr zur alten Rechtslage. Denn solche Ehen konnten nach gerichtlicher Prüfung schon immer aufgehoben werden – aber eben im Einzelfall. Bei dem syrischen Paar hat die Justiz dafür keinen Grund entdecken können. Kann sein, dass Heiko Maas mit seinem Gesetz an der falschen Front gekämpft hat. Aber er hat jetzt ohnehin einen anderen Job, und die umkämpfte Braut ist bald erwachsen.

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