Ampel-Parteien legen Pandemie-Fahrplan vor: Maskenpflicht endet spätestens im März 2022
Der 25. November wird kein „Freedom Day“, doch ab dann gilt ein bundesweites Lockdown-Verbot. Nichts wird mehr geschlossen, aber einige Dinge bleiben bis 2022.
Es ist ein Zufall, aber auch ein Signal. Am Tag, an dem die 22 Arbeitsgruppen die Verhandlungen über die erste Ampel-Koalition auf Bundesebene aufnehmen, legen SPD, Grüne und FDP einen Fahrplan für den Corona-Winter vor. Es ist eine Zäsur bei der politischen Bekämpfung der Pandemie.
Das Wichtigste: Die Corona-Notlage mit bundesweiten Sonderdurchgriffsrechten wird am 25. November beendet, damit wird es auch keine Lockdowns mehr geben, da die entsprechenden Regelungen gestrichen werden sollen, damit wird dies de facto auch ein Lockdown-Verbot für die Bundesländer.
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„Die Ampel funktioniert, bevor es sie gibt“, meint Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt bei der Vorstellung der Pläne in der Bundespressekonferenz. Und der FDP-Politiker Marco Buschmann macht neben ihr klar: Jetzt werde das Prinzip umgedreht. Keine Ministerpräsidentenkonferenz von Bund und Länder gibt mehr die Corona-Politik vor und macht das Parlament zum Abnickverein - sondern wieder der Bundestag. „Mit diesem Tag endet die Dominanz der Exekutive. Damit liegt die Initiative wieder in der Hand der von den Bürgern gewählten Volksvertretung.“
Buschmann, ein Volljurist, redet an diesem Tag bereits wie der neue Bundesjustizminister, verweist auf die teils eskalierten Proteste gegen die Corona-Regelung des Bundes, bin hin zum versuchten Sturm auf den Reichstag.
Immer wieder ergreift Buschmann das Wort. „Ich will mich gar nicht vordrängeln. Aber es geht ja hier so ein bisschen um die juristische Technik“, sagt er an einer Stelle. Der Tag ist auch sein Erfolg, die FDP hatte immer wieder auf die Verhältnismäßigkeit gepocht, daher wird nun der Instrumentenkasten deutlich zurechtgestutzt und entschärft.
Was von den Ampel-Parteien geplant ist
„Die epidemische Lage von nationaler Tragweite nach § 5 IfSG endet mit Ablauf des 24. November 2021. Sie wird nicht verlängert. Denn ihre Voraussetzungen liegen nicht mehr vor“, heißt es einem von SPD, Grünen und FDP erarbeiteten Eckpunktepapier, das Göring-Eckardt, der Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Fraktion, Buschmann, und SPD-Fraktionsvize Dirk Wiese nun vorgestellt haben.
„Schulschließungen, Lockdowns und Ausgangssperren wird es mit uns nicht mehr geben“, betont Wiese. „Der 25. November wird aber auch kein Freedom Day sein.“ Das wird dann eher der Frühjahrsanfang: Die Maskenpflicht soll bundesweit spätestens zum 20. März 2022 fallen, ebenso alle 2G- oder 3G-Regeln der Bundesländer.
Um rasch das Impftempo zu steigern und mit den Drittimpfungen, sogenannten Booster-Impfungen, voranzukommen, soll eine Expertenkommission „Impftempo“ einberufen werden, „bei dem wir gemeinsam mit Praktikerinnen und Praktikern Wege finden, um den Impffortschritt deutlich zu beschleunigen".
Keine Überlastung der Intensivstationen
Zuletzt stiegen die Inzidenzen wieder deutlich. Im bundesweiten Schnitt liegt die 7-Tage-Inzidenz bereits wieder bei 130, bei dem Wert gab es früher umfangreiche Lockdowns. Aber die Impfungen haben die Lage grundlegend geändert.
„Es droht keine systemische Überlastung des öffentlichen Gesundheitssystems mehr“, betont Buschmann. Dank der Impfungen sei die Hospitalisierungsrate nun die entscheidende Größe. Bisher sind rund 4,5 Millionen Bürger in Deutschland an Corona erkrankt, mehr als 95.300 Menschen starben an Erkrankungen in Zusammenhang mit Covid-19.
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Der umstrittene Paragraph 28 a IfSG wird "stillgelegt"
Betont wird, dass der eingriffsintensive Maßnahmenkatalog aus Paragraph 28a, Absatz 1 des Infektionsschutzgesetzes nach Beendigung der epidemischen Lage im Bundesgebiet keine Anwendung mehr finden werde. „Er ist Rechtsgeschichte, er wird stillgelegt“, sagt Buschmann. Und es gibt eine klare Direktive an die Bundesländer: "Wir werden auch die derzeit noch im Gesetz vorgesehene Möglichkeit streichen, diesen Katalog gemäß § 28a Absatz 7 Satz 1 IfSG nach Ablauf der epidemischen Lage in einzelnen Bundesländern durch den jeweiligen Landtag auf Landesebene für anwendbar zu erklären", wird in dem Papier betont. Damit werden den Ländern Lockdowns de facto untersagt.
Bisher gehören zu den in dem Paragraphen 28a festgelegten Instrumentenkasten – je nach Infektionsgeschehen – Ausgangs- oder Kontaktbeschränkungen im privaten sowie im öffentlichen Raum, Untersagung oder Beschränkung von Freizeitveranstaltungen und Gottesdiensten, das Schließen von Hotels, Restaurants, von Geschäften und Fitnessstudios, ein Verbot von Kultur- und Sportveranstaltungen sowie ein Alkoholverbot im öffentlichen Raum.
Da aber auch Elemente wie die Maskenpflicht in Innenräumen, Geschäften, Bussen und Bahnen sowie die Pflicht zum Vorzeigen von Impf-, Genesenen- und Testnachweisen Teil des besagten Paragraphen 28 a sind, hatten die Länder auf eine Rechtsgrundlage hierfür gedrungen. Denn diese Elemente sollen bleiben.
Die angehenden Ampel-Koalitionäre wollen dem Wunsch der jüngsten Ministerpräsidentenkonferenz nun nachkommen. In dem Papier heißt es: „Um die nach wie vor bestehenden Gefahren, die von COVID-19 ausgehen, angemessen zu bekämpfen, werden wir eine Rechtsgrundlage für die Bundesländer schaffen.“
Das ist dabei geplant: Die Maßnahmen wie die Maskenpflicht sollen bis zum Frühlingsanfang am 20. März 2022 gelten, „soweit sie zur Verhinderung einer erneuten dynamischen Verbreitung von COVID-19 erforderlich sind.“ Die Maskenpflicht und die anderen weiter bestehendem Maßnahmen sollen aber spätestens zum Frühlingsanfang am 20. März 2022 im Bundesgebiet auslaufen - wenn nicht Mutationen, gegen die die Impfungen nicht helfen, auftauchen sollten. „Wenn nicht: Dann enden am 20. März alle Maßnahmen“, betont Buschmann.
Diese Maßnahmen gelten noch bis 20. März 2022
Folgende Maßnahmen gelten weiter: Maskenpflicht; Vorlage eines Impf-, Genesenen- oder Testnachweises etwa in Restaurants oder bei Veranstaltungen (2G/3G-Regeln); Erstellung und Anwendung von Hygienekonzepten; Abstandsgebote im öffentlichen Raum, womit vornehmlich öffentliche Innenräume gemeint sind; Verarbeitung der Kontaktdaten von Kunden, Gästen oder Veranstaltungsteilnehmern; Auflagen für den Betrieb von Schulen, Hochschulen, außerschulischen Einrichtungen der Erwachsenenbildung oder ähnlichen Einrichtungen. Göring-Eckardt betont, gerade um Kinder müsse ein „Schutzkokon“ gezogen werden, heißt: Möglichst viele geimpfte Lehrer und Erzieher, der Umgang mit Masken ist regional zu regeln; Wechselunterricht bleibt eine Option.
Home-Office-Regelungen gelten bis zum Frühjahr
Zugleich werden bis zum 20. März Hilfen für besonders von der Corona-Krise betroffene Bürger verlängert. Konkret geht es dabei um vereinfachten Zugang zur Grundsicherung und Maßnahmen in der Corona-Arbeitsschutzverordnung - das betrifft auch Regelungen zum Home-Office.
Auch die Sonderregelungen zum Kinderkrankentagegeld (30 statt 10 Kinderkrankentage und 60 statt 20 Kinderkrankentage für Alleinerziehende) sollen ebenfalls in das Jahr 2022 hinein verlängert werden, „um die nach wie vor auftretenden COVID-19-bedingten Schwierigkeiten bei der Betreuung von Kindern zu mildern.“
Der Zeitplan
Am Dienstag hatte sich der neue Bundestag konstituiert. Die neue Regelung soll zügig vom neuen Bundestag auf den Weg gebracht werden, die Regierung soll in der Nikolauswoche gebildet und Olaf Scholz (SPD) zum Kanzler gewählt werden - wenn die Koalitionsverhandlungen erfolgreich sind.
Die nur noch sich geschäftsführend im Amt befindliche Regierung von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) muss nun die Inhalte in einen Gesetzentwurf gießen; dieser soll um den 10./11. November herum im Bundestag beraten werden. Da auch der Bundesrat zustimmen muss, dieser aber erst am 26. November wieder tagt, aber die Regelung ja vorher stehen muss, wird hier eine Sondersitzung der Länderkammer notwendig.
Die „epidemische Lage“ war erstmals im März 2020 vom Bundestag festgestellt worden und wurde seitdem immer wieder durch das Parlament verlängert. Die Feststellung der Notlage ermöglichte es bisher der Bundesregierung und den Landesregierungen, auf vereinfachtem Weg ohne Zustimmung von Parlamenten zentrale Corona-Maßnahmen anzuordnen. Zeitweise kam es vor allem in Berlin zu heftigen Ausschreitungen bei Demonstrationen gegen die Regelungen.
Aufgrund der vor allem durch die Impfungen veränderten Lage war der Druck gewachsen, die Grundrechtseinschränkungen beziehungsweise die Instrumente hierfür zurückzufahren. Den Ampel-Parteien gelang es, hier rasch Handlungsfähigkeit zu beweisen, auch als Signal für die jetzt erst richtig losgehenden Koalitionsverhandlungen.
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