Tesla-Gigafactory 4 bei Berlin: Die wichtigsten Fragen und Antworten zum Großprojekt von Elon Musk
Im brandenburgischen Grünheide soll eine Tesla-Fabrik entstehen. Der Plan löst Begeisterung aus – und erntet auch ein bisschen Kritik.
Die Freude in Berlin und Brandenburg ist groß nach der Ankündigung von Tesla-Chef Elon Musk, seine Gigafactory im brandenburgischen Grünheide bauen zu wollen. 7000 Arbeitsplätze sollen dort geschaffen werden. Zudem plant der Autobauer in Berlin auch ein europäisches Design- und Entwicklungszentrum. Doch es gibt auch Kritik an dem Vorhaben.
Was bedeuten die Pläne für den Wirtschaftsstandort Berlin/Brandenburg?
„Diese großartige Nachricht ist für die Hauptstadtregion wie ein vorgezogenes Weihnachtsfest“, sagt Christian Amsinck, Hauptgeschäftsführer der Unternehmensverbände Berlin-Brandenburg (UVB). „Ein neuer Produktionsstandort mit mehreren Tausend Arbeitsplätzen wäre für die Region ein Quantensprung.“ Brandenburg und Berlin müssten nun die notwendigen Voraussetzungen dafür schaffen, dass die Investition von Tesla zügig umgesetzt werden kann. Berlin kann nicht nur von dem geplanten Forschungsstandort profitieren. Arbeitsplätze in der Industrie sind in der Regel besser bezahlt als in anderen Wirtschaftszweigen.
Nicht wenige der künftigen Tesla-Mitarbeiter in Grünheide dürften ihren Wohnsitz in der Hauptstadt nehmen. Eine große Industrieansiedlung zieht zudem weitere Betriebe an – was zusätzliche Arbeitsplätze, ein höheres Steueraufkommen und damit mehr Wohlstand für die Hauptstadt bedeutet.
Was sind Gigafactorys?
Elon Musk will rund um den Globus ein Dutzend Gigafactorys bauen, die mehr sein sollen als nur Autofabriken. Mit Batterien und Stromspeichern will Tesla an der gesamten Wertschöpfungskette mitverdienen. Diese Fabriken zählen zu den größten Bauwerken der Welt. Die Ausmaße der Gigafactory 1 in der Wüste von Las Vegas sollen nach der endgültigen Fertigstellung bisherige Rekordhalter wie das Pentagon in Washington und das Tempelhofer Flughafengebäude in den Schatten stellen.
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Was in Nevada vor fünf Jahren begann, setzt Tesla auch im chinesischen Schanghai und künftig bei Berlin fort: den Aufbau von fast identischen XXL-Fabriken für die hochautomatisierte Herstellung seiner Elektroautos und die Massenproduktion von Batterien. Weltweit will Tesla künftig pro Jahr 500.000 Fahrzeuge bauen.
Bis zu einem Dutzend solcher Fertigungsstätten könnte es in Zukunft geben, hat der für seine vollmundigen Ankündigungen bekannte Tesla-Chef Elon Musk gesagt. Berlin wäre die Nummer vier. In Berlin dürfte eine ähnliches „Alles unter einem Dach“-Prinzip wie in Schanghai umgesetzt werden. Vermutlich sollen neben Autos – wohl auch das neue Model Y – vor allem Batterien gefertigt werden.
Was hat Tesla in Berlin vor?
Tesla will in Berlin ein europäisches Design- und Entwicklungszentrum des Autobauers aufbauen. Details verriet Elon Musk noch nicht, auch zu einem möglichen Standort äußerte er sich nicht. Wirtschaftssenatorin Pop schlägt die künftige Urban Tech Republic in Tegel vor, die CDU-Fraktion kann sich Tempelhof vorstellen, auch der Cleantech-Business-Park in Marzahn oder der Campus in Buch sind im Gespräch.
Tesla dürfte sein Entwicklungszentrum wie andere Hersteller weltweit strukturieren – als Ideenschmiede für Ingenieure und IT-Fachleute, als Testzentrum für Fahrzeuge, Komponenten und Software. Spekuliert wird, dass in Berlin auch ein Fahrzeug für den europäischen Markt entwickelt werden könnte.
Warum baut Musk in Grünheide?
Das Areal in Grünheide, auf dem die Tesla-Fabrik gebaut werden soll, war schon einmal im Gespräch für eine Großansiedlung. 2001 hoffte der kleine Ort Grünheide mit rund 8600 Einwohnern im Landkreis Oder-Spree darauf, dass der Autokonzern BMW sein neues Werk dort errichtet. Eine Milliarde D-Mark wollten die bayerischen Autobauer im Osten investieren, 2500 Arbeitsplätze schaffen. BMW stellte hohe Anforderungen an die Standortqualität für das Zweigwerk: Erwartet wurden eine gute Infrastruktur und Flughafennähe. Außerdem ging es um Förderbedingungen vor Ort und auch die Möglichkeit, genügend qualifizierte Mitarbeiter zu finden. Bedingungen, die Grünheide theoretisch hätte erfüllen können. Der östliche Berliner Autobahnring führt nahezu in Sichtweite an dem vorgesehenen Bauplatz vorbei.
Grünheide schaffte es in die Endauswahl, zehn Standorte waren noch im Rennen. Aber: BMW baute seine Fabrik in Leipzig. Denn in Grünheide regte sich bei Anwohnern Widerstand gegen die Ansiedlung, ähnlich wie beim Bau des Chip-Werkes in Frankfurt (Oder).
Grünheide liegt östlich von Berlin in der Nähe des Autobahnrings A10. Der Flughafen BER ist in etwa 25 Minuten zu erreichen, das Stadtzentrum von Berlin in rund 50 Minuten. Die Gemeinde ist mit dem Güterverkehrszentrum Freienbrink, das einen Bahnanschluss besitzt, einer der wichtigsten Logistikstandorte im Berliner Umland. Grünheide hat sich mit anderen Kommunen in der Region zusammengeschlossen, um den Wirtschaftsstandort „@see“ zu vermarkten.
Koordinatorin Nadine Gebauer von der Stadtverwaltung Fürstenwalde sprach nach der Tesla-Standortentscheidung von einem „großartigen Impuls“ für die Region. Die Verwaltungen der Gemeinden würden nun auf Hochtouren daran arbeiten, die nötigen Vorbereitungen für die Ansiedlung zu treffen. In Grünheide sollen zuziehende Arbeitskräfte durch attraktive Angebote in den Bereichen Lebens- und Wohnqualität an die Region gebunden werden. „Wir haben in den vergangenen Jahren viel in den Bau von Kitas, Schulen und in die medizinische Versorgung investiert“, sagte Grünheides Bürgermeister Arne Christiani (parteilos).
Welche Erfahrung hat Brandenburg mit wirtschaftlichen Großprojekten?
Keine guten. Schon mehrere Großansiedlungen hat Brandenburg in den märkischen Sand gesetzt. Ursprünglich wollte Cargolifter in Brand (Dahme-Spreewald) Luftschiffe zum Transport von Schwerlasten bauen, hatte wegen Finanzproblemen diese Pläne aber wiederholt verschoben und im Sommer 2002 Insolvenz beantragt. 500 Arbeitsplätze sollten dort entstehen.
In der Halle, in der Luftschiffe gebaut werden sollten, baden heute Familien im „Tropical Islands“. Ebenfalls ein Flop: die Chipfabrik Frankfurt (Oder), ein Großprojekt der damals rot-schwarzen Landesregierung, das im Herbst 2003 endgültig scheiterte.
Was bedeutet das für die deutsche Automobilindustrie?
In der deutschen Automobilbranche gab man sich nach der Tesla-Ankündigung betont gelassen. „Wir rufen nicht ,Oh Gott‘, sondern wir sind selbst stramm unterwegs beim Thema Elektromobilität“, sagte ein Industrievertreter. Musks geplante Investition im Großraum Berlin unterstreiche die Bedeutung des Automobilstandorts in Europa. Der Autoverband VDA begrüßte die Investitionsentscheidung. „Sollten die Pläne in einigen Jahren umgesetzt werden, bedeutet dies einen weiteren Schub für die Elektromobilität“, sagte VDA-Präsident Bernhard Mattes. Eine Ansiedlung von Tesla in Deutschland stärke den Automobilstandort Deutschland.
Deutsche Hersteller und Zulieferer investieren bereits massiv in die Elektromobilität, bis 2023 seien 150 E-Modelle in der Planung. „Wir scheuen den Wettbewerb nicht, ganz im Gegenteil“, sagte Mattes. Die deutsche Automobilindustrie habe im internationalen Wettbewerb eine Spitzenstellung eingenommen. Starke Zweifel daran formulierte Stefan Bratzel, Direktor des Center of Automotive Management in Bergisch-Gladbach. „Tesla ist den deutschen Herstellern in der Elektromobilität einige Jahre voraus und bleibt deshalb gefährlich“, sagte er dem Tagesspiegel. Die Investition in Deutschland sei ein Symbol für das Selbstbewusstsein der Kalifornier. „Tesla versteht sich als Premiumhersteller und dokumentiert dies mit seiner Entscheidung, im Heimatmarkt der deutschen Premiumhersteller zu investieren.“
Bratzel sprach von einem „Fühlungsvorteil“, der sich künftig aus der räumlichen Nähe für alle Beteiligten ergeben könne. Das sollten Volkswagen, BMW und Daimler als Ansporn verstehen – auch wenn Tesla absehbar nicht an einer Kooperation, sondern am Wettbewerb interessiert sei. „Solange Tesla genug Cash hat“, schränkte Bratzel ein. Das war zumindest zuletzt der Fall.
Teslas Gigafactory 4 wäre nicht nur die erste Autofabrik des E-Autopioniers aus dem Silicon Valley in Europa. Sie wäre seit langer Zeit die erste größere Ansiedlung eines ausländischen Autoherstellers in Deutschland. So sprach Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) von einem Meilenstein für den Standort Deutschland. „Bei uns findet er das beste Ingenieurswissen der Welt“, twitterte Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU).
Was bedeutet Teslas Entscheidung für die Batterieforschung?
Die geplante Investition von Tesla ist auch für Deutschlands Batterieforscher relevant. Der Münsteraner Professor Martin Winter, zugleich Leiter des deutschen Beirats für Batterieforschung, sagte dem Tagesspiegel: „Wenn diese Ankündigung wahr wird, ist das eine exzellente Nachricht für den Batterie- und Automobilstandort Deutschland. Da auch ein Entwicklungszentrum in Deutschland beheimatet sein soll, kann das auch für die hiesige Forschung hoch attraktiv sein.“
Auch Maximilian Fichtner, Direktor am Helmholtz-Institut Ulm, sagte, Teslas Entscheidung helfe den Autoherstellern und den Forschern. Der US-Hersteller lasse sich möglicherweise von den Forschungsergebnissen in Deutschland inspirieren und vergebe Aufträge an die wissenschaftlichen Einrichtungen: „Deutschland kann eines der künftigen Zentren für die Batterieentwicklung werden.“
Gibt es auch kritische Stimmen?
Zumindest mahnende. Die Brandenburger Grünen begrüßten die Ansiedlung von Tesla, betont Landesparteichef Clemens Rostock. Aber: „Als Bündnisgrüne schauen wir aber natürlich nicht nur auf den Antrieb, sondern wünschen uns auch energiesparsame Karosserien.“ Es wäre erfreulich, wenn in Brandenburg sparsame Modelle für den Alltagsverkehr und keine energiefressenden SUVs produziert würden, so Rostock. „Auch erwarten wir, dass Tesla nicht nur geografisch, sondern auch bei den tariflichen Arbeitsbedingungen in Brandenburg ankommt. Wir werden darauf achten, dass der mit der Ansiedlung in einem Industriegebiet unzweifelhaft verbundene Eingriff in Natur und Landschaft vorbildlich ausgeglichen wird“, sagte Rostock.
Der Linksfraktionschef im Landtag, Sebastian Walter, sagt trotz Freude über die Ansiedlung: „Leider ist Herr Musk in den USA nicht nur durch positive Visionen aufgefallen, sondern auch durch schlechte Arbeitsbedingungen und Gewerkschaftsfeindlichkeit“, sagte Walter. „Deshalb fordere ich die Landesregierung auf, bei aller Freude über die Ansiedlung die Augen offen zu halten.“ Auch Tesla müsse sich an die Regeln der guten Arbeit, das Betriebsverfassungsrecht und die Tarifbindung halten.