Baubeginn schon im Frühjahr 2020: Das ist über die Gigafactory von Tesla bekannt
Es ist die Sensation für den Großraum Berlin: Eine Gigafactory des E-Autokonzerns Tesla wird in Brandenburg gebaut. Ein Überblick über die Details.
- Ragnar Vogt
- Sophie Krause
Am Dienstagabend verkündete Elon Musk bei einer Veranstaltung der „Bild“-Zeitung die Sensation: In der Nähe von Berlin soll eine Gigafabrik des E-Autokonzerns Tesla entstehen. Nach und nach sickerten anschließend mehrere Details durch – hier eine Übersicht.
1. Wo will Tesla die Gigafactory bauen?
Nach Tagesspiegel-Informationen soll die Fabrik im brandenburgischen Grünheide im Landkreis Oder-Spree entstehen. Eine Industriefläche steht dort bereit, sie war schon einmal im Rennen für ein BMW-Werk. Grünheide liegt im Südosten der Hauptstadt, bei Erkner.
In Berlin selbst soll ein Design- und Entwicklungszentrum entstehen. Mögliche Grundstücke für das „Brain“ soll „Berlin Partner“ nach Informationen des Tagesspiegel-Checkpoint schon gesucht und erste Gespräche geführt haben (hier Newsletter abonnieren).
2. Was bedeutet die Tesla-Gigafactory für die Berliner Wirtschaft?
Bis zu 10.000 Jobs sollen in dem Werk entstehen. Musk twitterte, dass dort Batterien, Antriebsstränge und Fahrzeuge gebaut werden sollten. Man wolle mit dem SUV Modell Y starten. Experten gehen davon aus, dass auch das für den Konzern wichtige Mitteklassefahrzeug Modell 3 gefertigt werden soll.
3. Wie ist der Zeitplan für die Gigafactory von Tesla?
Die Bauarbeiten sollen nach Angaben der Landesregierung bereits in wenigen Monaten losgehen. Der Beginn sei für das erste Quartal nächsten Jahres geplant, sagte Wirtschaftsminister Jörg Steinbach (SPD) am Mittwoch in Potsdam. „Die müssen mit Rekordgeschwindigkeit Unterlagen dafür einreichen.“
Der Produktionsstart solle 2021 sein. In der ersten Stufe solle die Gigafactory mehr als 3000 Arbeitsplätze bringen. Die Investitionen lägen in mehrfacher Milliardenhöhe. Die Fabrik auf einer Industriefläche in Grünheide nahe der Autobahn 10 (Berliner Ring) soll 300 Hektar umfassen.
Steinbach hat nach eigenen Angaben am Dienstag eine Absichtserklärung mit dem Chef Automotive von Tesla unterschrieben. Die geplante Fabrik hat nach Einschätzung von Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) Signalwirkung für Europa. „Das erste Mal gelingt es, hier bei uns in Brandenburg zu zeigen, dass Klimaschutz und Schaffung von Wohlstand und Arbeitslätzen Hand in Hand gehen können.“
Wann genau die Gigafactory in Grünheide fertig wird, ist unklar. Eine vergleichbare Fabrik in Shanghai war in Rekordzeit von knapp einem Jahr gebaut worden. Ob das in Deutschland mit seinen langwierigen Genehmigungsverfahren ähnlich schnell geht, ist ungewiss. Bevor die Entscheidung für Brandenburg bekannt wurde, hatte es geheißen, dass eine europäische Gigafactory Ende 2021 fertig sein solle.
[Lokale Mobilität ist immer wieder Thema in unseren Leute-Newslettern aus den Berliner Bezirken. Hier gibt's die Newsletter für alle zwölf Bezirke kostenlos: leute.tagesspiegel.de]
„Wir werden definitiv ein höheres Tempo vorlegen müssen als der Flughafen“, sagte Musk in Anspielung auf den nicht fertig werden wollenden Hauptstadtflughafen BER. Zur Begründung für die Standortwahl verwies er auf die außergewöhnliche Qualität deutscher Ingenieurskunst.
Für die Tesla-Gigafactory in Europa hatten sich mehrere Regionen in Europa beworben. Mit einem Zuschlag für Brandenburg hatte niemand gerechnet. Brandenburgs Wirtschaftsminister Jörg Steinbach (SPD) hatte mit Musk im Geheimen die Details ausgehandelt.
4. Was sagt die Politik zu den Plänen von Tesla?
- „Wer Visionen hat, kommt nach Berlin! Willkommen in der Metropolregion, Tesla!“ - Ramona Pop (Grüne), Berliner Wirtschaftssenatorin via Twitter
- „Das ist sensationell und wird der E-Mobilität und der Entwicklung des autonomen Fahrens in Berlin einen riesigen Schub geben“ - Ramona Pop exklusiv im Tagesspiegel-Checkpoint (hier abonnieren). Für Tesla sei die Hauptstadt der beste Platz, um das „Brain“ anzusiedeln. Mögliche Grundstücke soll „Berlin Partner“ schon gesucht und erste Gespräche geführt haben.
- „Wir haben uns dafür seit längerem in intensiven Gesprächen und mit guten Argumenten eingesetzt. Die Gigafabrik wird Brandenburg als innovativem und internationalem Standort einen weiteren Schub und sehr vielen Menschen gute Arbeit geben.“ - Dietmar Woidke (SPD), Ministerpräsident von Brandenburg
- „Die Entscheidung von Tesla, eine hochmoderne Fabrik für Elektroautos in Deutschland zu errichten, ist ein weiterer Beweis für die Attraktivität des Automobilstandortes Deutschland! Es ist zugleich auch ein Meilenstein beim Ausbau von Elektromobilität und Batteriekompetenz.“ - Peter Altmaier (CDU), Bundeswirtschaftsminister
- „Die Entscheidung von seine Gigafactory bei Berlin anzusiedeln, steht für den Erfolg des Forschungsstandortes #BrainCityBerlin. Ein weiterer Meilenstein für die enge Partnerschaft von Berlin und Brandenburg und Aussicht auf neue Arbeitsplätze für die gesamte Region!“ - Michael Müller (SPD), Regierender Bürgermeister von Berlin, via Twitter
5. Warum kommt Tesla nach Brandenburg?
„Wir haben den Rohstoff der Zukunft, wir haben erneuerbare Energien in Brandenburg“, sagte Brandenburg Ministerpräsident Woidke am Mittwoch in Potsdam. Das sei im Gespräch mit Tesla-Chef Elon Musk ein entscheidender Vorzug gewesen.
„Wir verbinden hier Klimaschutz mit Wirtschaftsstärke und das muss das Signal sein in die ganze Welt.“ Bei elektrischer Leistung aus Öko-Energien pro Einwohner ist Brandenburg bundesweit vorn. Als weitere Vorzüge nannte Woidke die Metropolregion mit Berlin, eine hohe Dichte an Wissenschafts- und Forschungseinrichtungen - und: „Wir haben Platz.“
Brandenburg hat nach Angaben des Regierungschefs seit fünf bis sechs Monaten mit Tesla verhandelt. „Wir haben verschiedene Standorte angeboten, und die Standortauswahl hat dann Tesla getroffen“, sagte Woidke. Die Ansiedlung „bedeutet eine der größten Investitionen in der Geschichte unseres Landes“. In der Fabrik seien Elektromobilität und die Speicherung von Energie geplant.
„Wir sind bei 95 Prozent der Fragen durch, aber es werden auch noch weitere Fragen geklärt werden müssen“, sagte der Regierungschef. Tesla seien Zusagen für übliche Subventionen im Rahmen des EU-Beihilferechts gemacht worden. Auf die Frage, ob noch ein Risiko bestehe, sagte er mit Blick auf Musk: „Ich habe ihn als sehr verlässlichen Menschen kennengelernt.“
[Berlin bis in den Kiez: Die Leute-Newsletter aus den Berliner Bezirken gibt's gratis vom Tagesspiegel, und zwar hier: leute.tagesspiegel.de]
Tesla-Standort in Deutschland – Wirtschaftssenatorin Pop warb bei Musk für Berlin
Bereits im Sommer 2018 hatte Ramona Pop beim Tesla-Chef für Berlin geworben (nachdem er via Twitter eine deutsche Fabrik in Aussicht gestellt hatte). In dem Brief vom 16. August schreibt die Wirtschaftssenatorin: „Tesla ist uns als Pionier der Mobilitätswende bekannt. Die Stadt Berlin teilt Ihre Vision einer klimagerechteren Mobilität. Persönlich bewundere ich Ihre Tatkraft und das hervorragende Engagement (…). Gerne möchten wir Ihnen anbieten, Sie und Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei allen kommenden Aktivitäten zu unterstützen.“
Geeignet seien laut Pop mehrere Standorte, „etwa im neuen Cleantech-Business-Park in Marzahn oder in Buch mit mehreren Quadratkilometern bestens erschlossener Gewerbeflache. Perspektivisch werden auch mit der Urban Tech Republik in Tegel weitere Flächen zur Verfügung stehen.“
Tesla-Gigafactory in Brandenburg statt Marzahn
Dass Tesla nun lieber in die Nähe des BER zieht, ist insbesondere für den Cleantech-Business-Park in Marzahn bitter. Denn Tesla hätte perfekt zum Profil des Industriegebietes gepasst. Der Park im Osten Berlins bietet ausschließlich grünen Industrieunternehmen Flächen an. Hier sollen Produkte entstehen, die für einen nachhaltigen Energie- und Rohstoffverbrauch oder für eine umweltschonende Mobilität gebraucht werden.
Doch das Areal steht seit Jahren fast vollständig leer. In dem 2015 eröffneten Park siedelte sich bisher erst eine Firma an. Von 90 Hektar sind momentan gerade einmal zwei belegt.
6. Was wissen wir über Elon Musk und seine Projekte?
- Zu Elon Musks prominentesten Projekten gehört das Elektroautounternehmen Tesla
- Tesla wurde im Jahr 2003 gegründet. Sein erstes Produkt war nach Unternehmensangaben der Roadster Sportwagen (2008)
- Schätzungen zufolge besitzt Tesla einen Anteil von 30 Prozent am europäischen Elektroauto-Markt
- Elon Musk ist außerdem Chef des 2002 gegründeten Raumfahrtunternehmens SpaceX
- SpaceX soll mit privaten Raumflügen Menschen zum Mars bringen
- Elon Musk ist Mitgründer der Internetfirmen Paypal und Zip2
- Das US-Magazin „Forbes“ listet Elon Musk auf Platz 40 der reichsten Menschen der Welt; laut „Forbes“ mit einem Vermögen von 22,3 Milliarden Dollar
Teslas Gigafactory in Shanghai
Die Gigafactory in Berlin wird das vierte derartige Werk des Unternehmens nach denen im US-Bundesstaat Nevada, in New York und in Shanghai sein. Für die Fabrik in der chinesischen Metropole hatte Tesla erst im vergangenen Monat den Start der Produktion auf Versuchsbasis bekanntgegeben. Das dortige Werk wurde nach Unternehmensangaben in nur zehn Monaten gebaut und soll einmal eine jährliche Kapazität von 500.000 Autos erreichen.
[Elon Musks Firma Tesla will eine Gigafabrik bei Berlin bauen? Das erinnert an die Wirtschaftskatastrophe von DeLorean in den 1970ern. Lesen Sie hier den Kommentar von Kevin p. Hoffmann.]
7. Gibt es schon Expertenstimmen?
Nach Ansicht des Branchenexperte Ferdinand Dudenhöffer muss die Bundesregierung bei der Förderung der Batterieproduktion umdenken. Nach Musks Ankündigung sei zu überlegen, welchen Sinn die eine Milliarde Euro noch habe, die Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) in eine deutsche Lithium-Ionen-Fabrikation stecken wolle. Auch die geplante Batterieforschungsfabrik in Nordrhein-Westfalen mit 200 Millionen Euro Landesmitteln sei nun zu hinterfragen, meinte Dudenhöffer von der Universität Duisburg-Essen am Mittwoch.
Dass die Wahl für die europäische Tesla-Fabrik auf Deutschland und Berlin-Brandenburg gefallen sei, nannte Dudenhöffer „überraschend, aber nicht abwegig“. Für die Batteriezellproduktion seien Standortfaktoren wie Flächen, Bodenpreise, Infrastruktur und Energiekosten wichtig, „aber natürlich hat Berlin auch Aussagekraft und die passt zu einer Premiummarke wie Tesla“.
Die Zahl der Arbeitsplätze in der künftigen Fabrik sollte man nach Einschätzung von Dudenhöffer nicht überschätzten. „Zellfabrikation ist hochautomatisiert. Da zählen Energiekosten deutlich mehr als Arbeitskosten“, erläuterte der Autofachmann.
8. Was muss man über den Standort Grünheide wissen?
Grünheide liegt östlich von Berlin in der Nähe des Autobahnrings A 10. Der Flughafen BER in Berlin Schönefeld ist in etwa 25 Minuten zu erreichen, das Stadtzentrum von Berlin in rund 50 Minuten. Die Gemeinde mit sechs Ortsteilen hat rund 8700 Einwohner (Stand: November 2019) und ist mit dem Güterverkehrszentrum Freienbrink – mit Anschluss an die Bahn – einer der wichtigsten Logistikstandorte im Berliner Umland.
Seit 2007 ist die Bevölkerungszahl kontinuierlich gestiegen. Insgesamt gibt es im Gemeindegebiet rund 900 Gewerbetreibende. Die in einem Wald- und Seengebiet gelegene Gemeinde ist außerdem Tourismusstandort.
Grünheide hat sich mit anderen Kommunen in der Region zusammengeschlossen, um den Wirtschaftsstandort „@see“ zu vermarkten. Koordinatorin Nadine Gebauer von der Stadtverwaltung Fürstenwalde sprach nach der Tesla-Stadtortentscheidung von einem „großartigen Impuls“ für die Region. Die Verwaltungen der Gemeinden würden nun auf Hochtouren daran arbeiten, die nötigen Vorbereitungen für die Ansiedlung zu treffen.
In Grünheide sollen zuziehende Arbeitskräfte durch attraktive Angebote in den Bereichen Lebens- und Wohnqualität an die Region gebunden werden. „Wir haben in den vergangenen Jahren viel in den Bau von Kitas, Schulen und in die medizinische Versorgung investiert“, sagte Grünheides Bürgermeister Arne Christiani am Mittwoch.
9. Wie entsteht eine Gigafactory von Tesla?
Ein Zeitraffer-Video zeigt den Bau der Gigafactory 1 in der Wüste von Nevada. Mit etwas Fantasie lässt sich erahnen, wie die Errichtung der Gigafactory 4 im brandenburgischen Grünheide aussehen könnte.
(mit dpa, AFP)
- bbbbbb
- Brandenburg neu entdecken
- Charlottenburg-Wilmersdorf
- Content Management Systeme
- Das wird ein ganz heißes Eisen
- Deutscher Filmpreis
- Die schönsten Radtouren in Berlin und Brandenburg
- Diversity
- Friedrichshain-Kreuzberg
- Lichtenberg
- Nachhaltigkeit
- Neukölln
- Pankow
- Reinickendorf
- Schweden
- Spandau
- Steglitz-Zehlendorf
- Tempelhof-Schöneberg
- VERERBEN & STIFTEN 2022
- Zukunft der Mobilität