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Italiens Premier Conte (l.) wird von einem verstummten Geist gequält: Matteo Salvini hat mit den "Corona-Bonds" wieder ein Thema.
© AFP

Italien verschmäht EU-Milliarden: Die verständliche Allergie gegen das Kürzel ESM

ESM-Geld wird als Almosen empfunden, das kollidiert mit Italiens Selbstwahrnehmung - und verhilft politisch einem Halbverschollenen wieder auf. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Dominik Straub

Man könnte Giuseppe Conte Undankbarkeit und Sturheit vorwerfen. Italiens Regierungschef hat in diesen Tagen klargestellt, dass er die knapp 40 Milliarden Euro aus der neuen Kreditlinie des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) nicht haben will, auf deren Umfang sich die Finanzministern der Eurozone in der Nacht auf Karfreitag geeinigt hatten.

Doch das ist es nicht: Conte weiß, dass er mit dem Hilfspaket, das die EU bisher zur Bewältigung der Corona-Krise anbietet, weder in der eigenen Regierung, noch im Parlament, noch in der Bevölkerung eine Mehrheit finden wird.

[Alle aktuellen Entwicklungen in Folge der Coronavirus-Pandemie finden Sie hier in unserem Newsblog  Über die Entwicklungen speziell in Berlin halten wir Sie an dieser Stelle auf dem Laufenden. ]

Kredite aus dem ESM-Rettungsschirm zu beanspruchen wird in Italien als stigmatisierend empfunden: Das Land steht nicht vor der Zahlungsunfähigkeit wie vor zwölf Jahren Griechenland, sondern es ist die zweitstärkste Industrienation Europas und der drittwichtigste Handelspartner Deutschlands. Und es mag zwar hoch verschuldet sein, ist aber seinen Verbindlichkeiten bisher immer nachgekommen und beabsichtigt, dies weiterhin zu tun.

Italien und mit ihm andere Nationen wie Frankreich und Spanien erwarten von der EU nun nicht ein ESM-Almosen – so empfinden sie es –, sondern wirkliche Solidarität: in Form von rückzahlbaren und zweckgebundenen „Corona-Bonds“, für die die EU-Mitgliedstaaten gemeinsam haften. Der Effekt dieser gemeinsamen Garantie bestünde darin, dass die Zinsen für diese Anleihen für hoch verschuldete Länder wie Italien und Spanien etwas niedriger und für das reiche Deutschland etwas höher lägen. Nicht mehr, nicht weniger.

Seit dem Streit um "Corona-Bonds" ist er wieder zurück

Die bisherige Weigerung Deutschlands, der Niederlande und Österreichs, trotz einer nie da gewesenen Notlage auf diese Form europäischer Solidarität einzutreten, enttäuscht in Italien selbst eingefleischte Europafreunde. Vor allem aber leitet diese Haltung Wasser auf die Mühlen der Rechtspopulisten und Europagegner vom Schlage eines Matteo Salvini.

Der Lega-Chef und Ex-Innenminister hat Regierungschef war zu Beginn der Epidemie von der politischen Bildfläche verschwunden. Seit dem Streit um die „Corona-Bonds“ ist er wieder zurück und schwadroniert erneut von der Schaffung einer Parallelwährung. Den Regierungschef und dessen Finanzminister hat er schon mal vorsorglich als Landesverräter gebrandmarkt.

Man kann es drehen und wenden wie man will: Wenn die EU-Staats- und Regierungschefs bei ihrem nächsten Gipfel am 23. April erneut über die „Corona-Bonds“ diskutieren, dann entscheiden sie auch darüber, ob sie Italien noch einmal an Salvini verlieren wollen – wie zuvor bereits in der Flüchtlingskrise geschehen, als man Italien ebenfalls alleine ließ. „Corona-Bonds“ wären so gesehen auch „Anti-Salvini-Bonds“.

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