Trump und die UN: Die Vereinten Nationen von Amerika
Der US-Präsident will die UN nach seinen Vorstellungen umgestalten. Viele fürchten deshalb, die Diplomatie könnte künftig auf der Strecke bleiben.
Donald Trump und Antonio Guterres – krasser können sich zwei Männer kaum unterscheiden als der Präsident der Vereinigten Staaten und der Generalsekretär der Vereinten Nation. Hier der schrille Milliardär aus New York, der permanent seine „America first“-Ideologie propagiert und sich um keine diplomatischen Gepflogenheiten schert.
Dort der polyglotte portugiesische Ex-Ministerpräsident und Bewunderer des Philosophen Jürgen Habermas, der wortreich und charmant für eine globale Zusammenarbeit wirbt und die Probleme der schwachen Länder ernst nimmt.
Trump und Guterres skizzierten nun vor der Vollversammlung in New York ihre unterschiedlichen Visionen der Vereinten Nationen. Nach wie vor sind die USA das mächtigste Mitglied der UN, einer Institution, die durch amerikanische Führung auf den Trümmern des Zweiten Weltkrieges errichtet wurde. Die Zukunft der Weltorganisation wird davon abhängen, wer sich durchsetzen wird: Trump oder Guterres. Dass die schwerfälligen und bürokratisierten UN fit gemacht werden müssen für eine Welt voller Gefahren, ist den Verantwortlichen klar.
Freund-Feind-Denken
Nach der Wutrede des US-Präsidenten, in der er einem anderen UN-Mitgliedsland, Nordkorea, mit der totalen Zerstörung drohte, ist nochmals klar geworden, dass Trumps Freund-Feind-Denken nicht zum Geist der Vereinten Nationen passt, in denen mühsam Kompromisse gesucht werden müssen.
Trump meint es offenbar ernst mit seiner „America first“-Ideologie. Und wenn es sein muss, macht er daraus „America alone“. Der Oberbefehlshaber der US-Streitkräfte wird für Militärschläge nicht den UN-Sicherheitsrat um Erlaubnis bitten – was seine Vorgänger auch nicht taten.
Gleichzeitig sollen die Vereinten Nationen spuren. Nur wenn die UN sich als nützlich erweisen, Washingtons Ziele zu erreichen, sind sie gewünscht. Trumps Reformideen für die UN drehen sich fast ausschließlich ums Geld. Die USA, die bei Weitem die höchsten Beiträge aller 193 Mitglieder an die UN überweisen, wollen weniger zahlen. Mit knappen Kassen mehr für die Vereinigten Staaten leisten – so wünscht sich Trump die UN.
Generalsekretär Antonio Guterres hingegen steht für eine völlig andere Art von Reformen in der Weltorganisation. Auch wenn diese nicht sehr spektakulär erscheinen: Guterres weiß, wo es knirscht. Schon als UN-Hochkommissar für Flüchtlinge lernte er zehn Jahre lang die Schwachstellen der Mammutorganisation kennen und fürchten.
Nach seinen Plänen soll es auf allen Ebenen transparenter, schneller und effektiver zugehen. So hat Guterres damit begonnen, sperrige Bürokratie in seinem Sekretariat beiseitezuräumen. Er will durch präventive Diplomatie verhindern, dass politische Krisen in bewaffnete Konflikte umschlagen. Er bündelt den Kampf der UN gegen den Terrorismus in einem Amt. Und er geht entschlossen gegen sexuelle Gewalt durch UN-Blauhelmsoldaten vor.
Aufruf zur Einheit
In der Vollversammlung beschwor Guterres denn auch den Geist der Vereinten Nationen. „Wir müssen als Einheit handeln.“ Alles diene dazu, den obersten Auftrag – die Schaffung und die Bewahrung des Friedens – besser zu erfüllen. Die anderen globalen Herausforderungen will Guterres ebenso mit einer modernen UN meistern. Aber noch ist nicht klar, ob die Vereinten Nationen in den kommenden Jahren mehr Trump oder mehr Guterres bekommen.
Jan Dirk Herbermann