Bundestagswahl: Die Stunde der Kleinen
Die ehemaligen Volksparteien liegen weit hinter ihren früheren Zustimmungswerten. Das eröffnet Chancen für kleinere Parteien. Ein Kommentar.
Wo die größeren Parteien kleiner werden und die kleineren schwanken – da wird die Unsicherheit groß. Wird es nach der Wahl stabile Mehrheiten geben? Diese Frage steht buchstäblich im Raum. Aber keiner muss Angst haben, wenn diese globale Herausforderung im nationalen Rahmen angenommen wird. Heißt: Der politische Ansatz muss sich ändern. Behält man das im Sinn, ist aus der gegenwärtigen Situation Gutes herauszuholen. Was? Politik muss sich für stabile Mehrheiten neu anstrengen, und das verschafft den Bürger:innen mehr Auswahl. Immerhin ist es ja so: Es wird Platz in der Mitte frei.
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War es bisher die SPD, die von früher stolzen 40 Prozent auf 20 sank, sind es nun die Unionsparteien CDU und CSU, die um die 20 liegen. (Die CSU in Bayern, lange eine Macht, könnte bundesweit sogar auch wieder unter die Fünf-Prozent-Marke sinken.) Also, wenn die Union schwächer und schwächer wird, muss sie sich neu erfinden. Was auch keine schlechte Perspektive ist, nach all der Inhaltsleere und Diskussionsverweigerung der vergangenen Jahre.
Chance für Parteien mit neuem Zuschnitt
So wird jetzt eine nahezu historische Gelegenheit sichtbar. Kleinere können groß werden. Beispielsweise die Grünen: Sie sind in und für ganz Europa mit ihrem Thema glaubwürdig, der Rettung der Umwelt, des Klimas. Daneben kann es aber auch für Parteien mit neuem demokratischem Zuschnitt eine Chance geben.
Es gab vor Jahren den Vorschlag von Emmanuel Macron, mit seiner „En Marche“ eine paneuropäische Liste für die Europawahl aufzustellen. Rechtliche, politische, eigensinnige Gründe sprachen hierzulande dagegen. Inzwischen ist eine paneuropäische Partei entstanden, von jungen Menschen aus drei Ländern gegründet, die schon kleinere Erfolge erzielt hat: Volt. Wer den Wahl-O-Mat macht, europäisch-demokratisch gesinnt, kann da durchaus landen. Möglicherweise sogar mancher noch von Helmut Kohl, dem Ehrenbürger Europas, geprägte Christdemokrat.
Verbunden mit diesem Hinweis folgt daraus diese Anforderung: Nicht zuzulassen, dass da, wo Bindekräfte schwinden, Politik an den Rändern ausfranst. Das darf natürlich nicht die Antwort derer im politischen Raum sein, denen die parlamentarische Demokratie am Herzen liegt. Sondern: Sich in der Mitte zu sammeln, sich auf die Herausforderung zu konzentrieren – und dann nach vorne zu denken, nach vorne zu regieren.