Baerbock traut sich Kanzleramt zu: Die stille Hoffnung der Grünen auf den Abschwung der Union
Nur Juniorpartner? Viele Grünen hoffen insgeheim, dass die ungeklärte K-Frage der Union ihnen zugutekommt - und ihre Träume vom Kanzleramt wahr werden.
Es ist gut drei Jahre her, dass Annalena Baerbock in Berlin bei den Sondierungsgesprächen über eine mögliche Jamaika-Koalition zwischen Union, Grünen und der FDP dabei war. Heute, neun Monate vor der nächsten Bundestagswahl, stellt sich erneut die Frage: Wer mit wem? Und mit wem wollen die Grünen als Spitzenkandidatin als Spitzenkandidaten in die Wahl ziehen?
Baerbock hat als Parteichefin der Grünen im Gespräch mit der „Bild am Sonntag“ jedenfalls schon einmal klargestellt, dass sie sich durchaus vorstellen kann, als Bundeskanzlerin die Nachfolge von Angela Merkel (CDU) anzutreten.
Auf die Frage, ob sie sich ähnlich wie der Co-Vorsitzende Robert Habeck die Merkel-Nachfolge zutraue, antwortete sie: „Ich traue Robert Kanzler zu, und ja, ich traue auch mir das Kanzleramt zu."
Einerseits ist es nur logisch, wenn sich Baerbock derart äußert. Seit Monaten landen die Grünen in den Umfragen mehr oder weniger stabil auf Platz zwei hinter der Union – was zwangsläufig die Frage nach der Kanzlerkandidatur vor der Bundestagswahl aufwirft.
Europapolitische Sprecherin Brantner: Wir haben zwei Top-Leute an der Spitze
„Wir sagen seit Wochen und Monaten, dass wir zwei Top-Leute an der Spitze haben. Von daher ist es keine Überraschung, wenn Annalena Baerbock erklärt, dass sie sich das Kanzleramt zutraut“, sagte die europapolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag, Franziska Brantner, dem Tagesspiegel.
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Andererseits muss aber irgendwann entschieden werden, ob nun Habeck oder Baerbock ganz an der Spitze in den Wahlkampf ziehen soll. In der Partei wird damit gerechnet, dass die beiden die Frage der Kanzlerkandidatur unter sich ausmachen werden. Im kommenden Frühjahr soll die endgültige Entscheidung fallen.
Die Frage der Grünen-Kanzlerkandidatur steht aber unter einem Vorbehalt: Die Umfragewerte, die den Grünen bis zu 20 Prozent bescheren, dürfen sich aus Sicht der Partei demnächst nicht drastisch nach unten bewegen.
Unklar ist auch, wie sich die Wählergunst bei der Union in den nächsten Monaten entwickelt. Nach gegenwärtigem Stand wären die Grünen in einem schwarz-grünen Bündnis nur Juniorpartner. Allerdings könnte die Entscheidung über den CDU-Vorsitz zwischen dem NRW-Ministerpräsidenten Armin Laschet, dem Außenpolitiker Norbert Röttgen und dem früheren Unionsfraktionschef Friedrich Merz sowie die ungeklärte K-Frage, bei der CSU-Chef Markus Söder als Umfrage-Favorit mitredet, ein destruktives Potenzial für die Union bereithalten – so lautet zumindest die stille Hoffnung nicht weniger Grüner.
Bouffier dringt auf schnelle Entscheidung bei K-Frage der Union
In der Union ging auch am Wochenende derweil die Diskussion über den optimalen Zeitpunkt zur Klärung der K-Frage weiter. Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) sagte der dpa, dass der neue CDU-Vorsitzende nach der Entscheidung des Parteitags im Januar sehr schnell mit Söder einen Weg finden müsse, wie man zusammen kommt.
„Und dann bleibe ich bei meiner Haltung: Es wäre sehr wichtig, dass das dann nicht noch lange rausgezögert wird“, sagte Bouffier. Dem widersprach Söder mit dem Hinweis, dass sich die Politik jetzt erst einmal auf die Bekämpfung der Pandemie konzentrieren sollte.
Bei vielen Entscheidungsträgern der Grünen ist ohnehin nicht Schwarz-Grün, sondern eher Grün-Rot-Rot inhaltlich die bevorzugte Option. In dieser Konstellation wäre eine Kanzlerschaft Baerbocks oder Habecks schon eher denkbar. Der Haken: Gegenwärtig fehlt einem solchen Regierungsbündnis in den Umfragen die Mehrheit.