zum Hauptinhalt
Armin Laschet (CDU), Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen.
© Christophe Gateau/dpa

„Wir brauchen jetzt den Stillstand“: Laschet stellt Gottesdienste an Weihnachten infrage

Der NRW-Ministerpräsident weist im Interview auf eine erneut verschärfte Corona-Lage hin. Deutschland müsse noch vorsichtiger sein als vor zwei Wochen gedacht.

Angesichts der weiter enorm hohen Corona-Infektionszahlen hat sich der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Armin Laschet skeptisch gezeigt, ob die Weihnachtsgottesdienste tatsächlich in der bisher geplanten Form stattfinden können. „In den nächsten Tagen werde ich angesichts der aktuellen Lage noch einmal Gespräche mit den Kirchen führen“, sagte Laschet in einem Interview mit dem Tagesspiegel.

Die evangelische Kirche in Westfalen habe schon gesagt, dass sie Gottesdienste auch absage. „Die Glaubensgemeinschaften nehmen die Lage sehr ernst. Sie wissen auch, dass dies das Fest des Lebens und der Nächstenliebe ist, und dass man sorgsam abwägen muss“, sagte Laschet.

Der Ministerpräsident verwies dabei auf eine erneut verschärfte Lage: „Die Zahlen der vergangenen Tage legen eher nahe, dass man noch vorsichtiger sein muss, als wir es vor zwei Wochen dachten.“ Zugleich sei die Freiheit der Religionsausübung ein wichtiges Grundrecht der Verfassung. „Wir haben daher in Nordrhein-Westfalen schon im März gesagt, dass wir Kirchen und Synagogen als Staat nicht schließen, sondern dass wir auf die Freiwilligkeit der Kirchen und Religionsgemeinschaften setzen.“

[Wenn Sie aktuelle Nachrichten aus Berlin, Deutschland und der Welt live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können.]

Laschet deutete an, dass nach dem 10. Januar ein Ende des Lockdowns nicht zu erwarten sei. „Im Moment ist nicht mal der Hauch einer Möglichkeit dafür da, dass man darüber redet“, sagte er auf die Frage nach Öffnungen. „Die Kernfrage wird nach den Ferien sein: Wie geht es mit Schulen und Kitas weiter? Bis wir wieder Partys feiern, wird noch viel Zeit vergehen. Zugleich gelte sein altes Prinzip: Sobald es möglich ist, muss man einen Grundrechtseingriff zurücknehmen.

Gerade der Reiseverkehr und die Begegnungen zu Weihnachten seien ein großes Infektionsrisiko, erklärte Laschet. „In den letzten Wochen wurden Tag für Tag bundesweit mehrere hundert neue Todesfälle registriert. Das sind hunderte schwere Schicksale von Familien, die um ihre Liebsten trauern. Wir brauchen jetzt den Stillstand“, betonte Laschet. Das koste viele Milliarden. „Aber das kann man doch nicht gegen Leben aufrechnen.“

Er sei im Frühjahr für Öffnungen gewesen, weil die Infektionszahlen sanken. „Da war das Wetter mild. Jetzt sind wir mitten im Winter, wir halten uns mehr in geschlossenen Räumen auf, und die Ansteckungsgefahr ist hoch.“

Verbindung zwischen Infektionszahlen und AfD-Parolen

Mit Blick auf die besonders in Ostdeutschland explodierenden Infektionszahlen sieht Laschet eine Verbindung zur Missachtung der Regeln, zu der besonders die AfD ermuntert. „In den Kreisen, in denen die AfD stark ist und das Virus verharmlost wird, scheint es besonders hohe Infektionen zu geben.“

[„Das darf nicht noch einmal passieren“ – Das gesamte Interview mit Armin Laschet lesen Sie hier]

Wissenschaftler warnten mit Blick auf eine solche Korrelation von Wählern bestimmter Parteien und hohen Infektionszahlen aber vor Schnellschüssen. „Klar ist: Jeder, der sich weigert, eine Maske zu tragen und Abstand zu halten, gefährdet sich und andere. Von einer Partei, die das befördert, ist keine verantwortungsvolle Politik für unser Land zu erwarten.“

Laschet will keine Sonderrechte für Geimpfte

Angesichts der nach Weihnachten voraussichtlich beginnenden Coronaimpfungen sprach sich Laschet gegen Sonderrechte für Bürger aus, die sich gegen das Coronavirus geimpft haben. „Es wird in den nächsten Monaten Millionen Menschen geben, die unbedingt geimpft werden wollen und gerne früher an der Reihe wären“, sagte Laschet.

„In einer solchen Phase wäre es falsch, zusätzlich Druck zu machen“, meinte er zu Frage, ob man zum Beispiel nur mit einem Impfnachweis wieder Fußballspiele oder Konzerte besuchen könnte. „Wenn sich am Ende herausstellen sollte, dass sich zu wenige Menschen impfen lassen, dann wird die Diskussion vielleicht noch einmal anders geführt“, sagte Laschet.

Aber das sei gegenwärtig nicht das Problem. „Unser Problem besteht vielmehr darin, dass wir heute zu wenig Impfdosen haben und dass wir nicht so schnell impfen können, wie die Menschen dies nachfragen.“

Wenn private Anbieter – etwa Konzertveranstalter oder Fluggesellschaften – einen Impfausweis verlangen sollten, schloss er ein Vorgehen dagegen nicht aus. „Es muss einen gesellschaftlichen Konsens in dieser Frage geben, auch in der Form einer erkennbaren rechtlichen Regelung.“ Aber das sei erstmal nicht das Thema. „Jeder Druck zerstört Vertrauen“, betonte er. Deshalb sei er neben Sonderrechten auch gegen eine Impfpflicht.

„CDU und CSU werden die Frage der Kanzlerkandidatur gemeinsam entscheiden“

In der Debatte um die Unions-Kanzlerkandidatur schließt der Bewerber für den CDU-Vorsitz eine Kanzlerkandidatur von CSU-Chef Markus Söder nicht aus. „CDU und CSU werden die Frage der Kanzlerkandidatur gemeinsam besprechen und entscheiden“, sagte Laschet.

Anders aber als noch vor einigen Monaten reklamierte er nicht offensiv die Kanzlerkandidatur für die CDU, sollte er neuer Vorsitzender werden. „Die CDU sollte als größerer Partner mindestens den Anspruch haben, das Kanzleramt zu besetzen“, sagte Laschet lediglich.

Plädoyer für Entscheidung über K-Frage nach dem 14. März

Er will zudem eine möglichst späte Klärung der Frage, damit der Kandidat nicht zu lange im Schatten von Kanzlerin Angela Merkel den Wahlkampf bestreiten muss. „Der Kanzlerkandidat wird neben der amtierenden Kanzlerin diesen Wahlkampf bestreiten - auch diese Situation ist neu“, sagte der nordrhein-westfälische Ministerpräsident.

Nach der Kür des CDU-Vorsitzenden Mitte Januar will Laschet die Landtagswahlen im März in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg am 14. März abwarten, bevor es eine Verständigung mit CSU-Chef Markus Söder über den Kanzlerkandidaten der Union geben soll, wie er zuletzt betont hat.

Mit Blick auf einen Vorschlag von Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble, die Frage erst zwischen Ostern (4. April) und Pfingsten (23. Mai 2021) zu klären, sagte Laschet: „Da spricht Wolfgang Schäuble in liturgischen Daten, was mir als Katholik sympathisch ist.“

Auf die Frage, ob eine Kandidatur Söders für die Machtarchitektur der Union nicht gravierende Verschiebungen bedeuten würde, wenn dann wichtige Entscheidungen statt vom CDU-Präsidium vom CSU-Präsidium in München getroffen würden, sagte Laschet: „Seien Sie sicher, dass sowohl die CDU als auch die CSU alle Aspekte durchdenken. Und wie gesagt, wir werden die Entscheidungen in der Union gemeinsam treffen.“

Zur Startseite