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Der Grünen-Chef Robert Habeck und CSU-Chef Markus Söder (r.).
© imago images/Sven Simon/Rüdiger Wölk

Ein Gespräch mit Nachhall: Söder und Habeck auf dem Weg zu Schwarz-Grün im Bund

Jetzt gerinnt zur Strategie, was vorher nur im Ansatz erkennbar war. Das Interview mit Söder und Habeck kann der Start ihrer Zusammenarbeit sein. Ein Kommentar.

Wenn es nicht Corona gäbe – gut, dann hätte es dieses Interview vielleicht auch nicht gegeben. Und es ist schon so, dass Sondersituationen besondere Aktionen befördern. Aber was und wie Markus Söder und Robert Habeck miteinander im „Spiegel“ reden, das hat noch eine Spur mehr: Es atmet Geschichte. Warum? Weil es sein kann, dass das im Rückblick der Beginn der schwarz–grünen Zusammenarbeit war.

Bayerns Ministerpräsident und CSU–Chef lässt fast vergessen, dass er es lange auf hart rechtem Kurs versucht hat, um damit auch der AfD beizukommen; dass er als Scharfmacher galt, dazu als vom Ehrgeiz getrieben und als ein Meister der „Schmutzeleien“, wie sein Vorgänger und Parteifreund Horst Seehofer einmal gesagt hat.

Jetzt präsentiert sich Söder gleichsam wie geläutert: ein mitfühlender und zugleich energischer Corona–Krisenmanager, dem die Menschen zutiefst am Herzen liegen, ein Landesvater, streng, aber wohlmeinend. Ein Ökologe außerdem, nachhaltig wirtschaftend und denkend. Kurz: Konservativismus der Marke 3.0.

Kein Wunder, dass Robert Habeck, Co–Vorsitzender der Grünen, ehedem Multiminister in Schleswig–Holstein, da mitgehen kann. So konservativ ist er selber. Und hat er nicht schon zur Wandlung des CDU–Ministerpräsidenten Daniel Günther beigetragen?

Hat er, was Habeck zu erwähnen nicht vergisst. Er ist ja nicht nur Politiker, keiner, der „einfach nur die politische Tagesordnung abarbeitet“, sondern einer, der „diesen anderen, philosophischen Blick auf Politik hat. Das kann den Diskurs erweitern und Menschen auch wieder für Politik begeistern“. Sagt, genau: Söder.

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Ja, sie wechseln Worte, die wie von der Schalmei begleitet klingen. Derart redeten noch nicht einmal Gerhard Schröder und Joschka Fischer miteinander, vor mehr als 20 Jahren, als es um die Begründung eines rot–grünen Projekts ging.

Dass einer so mit ihm redet, hätte sich ein Franz Josef Strauß auch mal gewünscht, die CSU–Ikone, legendär als CSU–Chef und Ministerpräsident, dessen Poster im Zimmer des jungen Söder hing. Strauß, das nur am Rande, galt ebenso als (harter) Konservativer und fand doch, dass der an der Spitze des Fortschritts marschieren müsse, natürlich um ihn zu lenken. Man kann da Ähnlichkeiten entdecken.

Die Grünen streben in die Mitte

Was bleibt, ist, dass hier zwei respektvoll politisch auf Augenhöhe miteinander reden, die nicht nur schon ihre Handynummern ausgetauscht, sondern auch bereits die Agenda 2021 festgelegt haben. Und zwar für „grundlegende Entscheidungen von der Dimension, wie sie Konrad Adenauers Westbindung oder Willy Brandts Ostpolitik hatten“.

Es sind drei, erklärtermaßen sogar gleich für ein Jahrzehnt: Erstens, Wirtschaftsweise, Produktion und Konsum sollen strikt auf Klimaneutralität ausgerichtet werden. Europa, zweitens, soll eigene strategische Souveränität gewinnen. Und drittens ist die liberale Demokratie gegen den Rechtspopulismus zu verteidigen. „Das ist die Trias der großen Herausforderungen“, sagt Habeck – und Söder redet nicht nur nicht dagegen, sondern tut mit.

Jetzt gerinnt zur Strategie, was vorher so höchstens im Ansatz erkennbar war. Annalena Baerbock, Habecks Kollegin im Parteivorsitz, hat erst jüngst sicherheits– und bundeswehrpolitisch in einer Weise von sich reden gemacht, dass es den Konservativen in den Ohren geklungen hat. Den Linken sowieso; zeigt sich doch daran, dass die Grünen in dem Maß von links in die Mitte streben, in dem die SPD versucht, an ihre Geschichte als linke Volks– und Friedenspartei anzuknüpfen. Wie ein Rollentausch – nur dass die Grünen laut Umfragen zur Volkspartei werden und die SPD bei 15 Prozent steht.

Und jetzt eben dieses Interview, das Gesprächsstoff in jeder Hinsicht bietet. Wozu wunderbar dieser Auszug passt: „Wir können Sie gerade akustisch nur schwer verstehen, bei einem von Ihnen hallt es sehr.“ Söder: „Ich glaube, das ist ein Vorgeschmack auf den Nachhall, den dieses Interview haben wird.“ Armer Olaf Scholz.

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