Studie der Landesregierung: Die Sachsen plagen Überfremdungsängste
Rechtsextremismus ist in Sachsen weiterhin "ein großes Problem". Das ergibt sich aus der neuen Regierungsstudie "Sachsen-Monitor".
Wenig Vertrauen in die politischen Institutionen, eine hohe Zustimmung zu rechtsradikalen Positionen und eine ausgeprägte Fremdenfeindlichkeit: In großen Teilen der Bevölkerung in Sachsen gibt es nach wie vor rechtsextremes Denken und menschenfeindliche Einstellungen. Das ergibt sich aus dem im Auftrag der Landesregierung erstellten zweiten "Sachsen-Monitor", der am Dienstag in Dresden vorgestellt wurde. Beispielsweise stimmen 56 Prozent der Sachsen der Aussage zu, dass die Bundesrepublik "durch die vielen Ausländer in einem gefährlichen Maß überfremdet" sei. Vor einem Jahr waren es mit 58 Prozent nur unwesentlich mehr.
Die alarmierenden Ergebnisse der Befragung kamen zu Stande, obwohl die Zahl der ankommenden Flüchtlinge wie in ganz Deutschland auch in Sachsen deutlich zurückgeht, die meisten Sachsen wenig Kontakte zu Ausländern haben und die Freistaat-Bewohner prinzipiell recht zufrieden sind mit ihrem Bundesland. "Auf das, was hier in Sachsen seit 1990 erreicht wurde, kann man stolz sein", sagten 87 Prozent der Befragten.
Allerdings meinen 58 Prozent - zwei Prozentpunkte mehr als 2016 -, dass es den Sachsen etwas oder viel schlechter gehe als den Bewohnern der westdeutschen Bundesländer. Nur neun Prozent sehen die Sachsen besser gestellt als Westdeutschen. Die Angst vor einem sozialen Abstieg ist indes in Sachsen gering ausgeprägt, die Zufriedenheit mit der eigenen wirtschaftlichen Situation groß.
62 Prozent der Sachsen - sieben Prozentpunkte weniger als 2016 - sagen, die meisten in Deutschland lebenden Muslime würden nicht "unsere Werte" akzeptieren. Einen generellen Zuwanderungsstopp von Muslimen verlangen 38 Prozent, ein Minus von einem Prozentpunkt. Deutlich gewachsen, von 53 auf 62 Prozent, ist die Zustimmung zur These: "Was unser Land heute braucht, ist ein hartes und energisches Durchsetzen deutscher Interessen gegenüber dem Ausland." Immerhin noch 41 Prozent - 21 Prozentpunkte weniger als 2016 - sagen: "Was Deutschland jetzt braucht, ist eine einzige starke Partei, die die Volksgemeinschaft insgesamt verkörpert." Der Rückgang bei diesem Item erklärt sich auch daraus, dass das Worte "einzige" in der Fragestellung hinzugefügt wurde. 68 Prozent der Befragten - sechs Prozentpunkte mehr als 2016 - meinen, Deutschland brauche in diesen Zeiten "eine starke Hand".
Die wenigsten Sachsen haben Kontakte zu Ausländern
Erstmals als bei der Erhebung 2016 wurde diesmal gefragt, ob die Sachsen Kontakte zu Ausländern haben - aber nur eine Minderheit bejaht das. Häufige Kontakte haben 20 Prozent am Arbeitsplatz, zwölf Prozent in der Nachbarschaft, neun Prozent im Freundeskreis und sechs Prozent in der Familie. Nie mit Ausländern in Kontakt sind 43 Prozent der Sachsen am Arbeitsplatz, 45 Prozent in der Nachbarschaft, 56 Prozent im Freundeskreis und 75 Prozent in der Familie. Die Zahlen belegen deutlich, dass Befragte, die mehr Kontakte zu Ausländern haben, weniger menschenfeindlich eingestellt sind.
Nur jeder Fünfte vertraut den Parteien im Allgemeinen
Das Vertrauen in Einrichtungen und Institutionen ist gegenüber der Befragung 2016 tendenziell leicht gestiegen. Besonders hoch ist es beispielsweise in die Polizei (72 Prozent) oder den eigenen Bürgermeister (60 Prozent). Vertrauen in die Gerichte haben 53 Prozent der Sachsen, 48 Prozent haben es in den Landtag, 40 Prozent in den Bundestag, 39 Prozent in den Bundestag und nur 20 Prozent in die Parteien im Allgemeinen. 60 Prozent zeigen sich mit Sachsens (Noch-)Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) sehr oder eher zufrieden, mit der CDU/SPD-Landesregierung sogar 63 Prozent.
72 Prozent der Befragten erklären: "Die meisten Politiker wollen nur die Stimmen der Wähler, die Ansichten der Wähler interessieren sie nicht." Und nur 21 Prozent bescheinigen den meisten Politikern, sie würden sich darum kümmern, was einfache Leute denken.
Für den zweiten "Sachsen-Monitor" hatte das Institut Dimap 1006 Sachsen im Alter ab 18 Jahren in persönlichen Interviews befragt, dies im Zeitraum vom 20. Juli bis 24. August, also acht bis vier Wochen vor der Bundestagswahl, bei der die AfD in Sachsen mit 27 Prozent der Zweitstimmen stärkste Partei wurde, knapp vor der CDU (26,9 Prozent). Als Konsequenz aus der Wahlniederlage hatte Tillich seinen Rücktritt als CDU-Landesvorsitzender und Regierungschef angekündigt, Nachfolger soll der bisherige CDU-Generalsekretär Michael Kretschmer werden.
Deutlich mehr Rassismus als im Rest der Republik
2016 war unmittelbar vor dem "Sachsen-Monitor" die "Mitte-Studie" der Friedrich-Ebert-Stiftung veröffentlicht worden, so wurde ein Vergleich mit der Stimmung bundesweit möglich. Die Resultate zeigten, dass Fremdenfeindlichkeit, Islamophobie, Nationalismus, Rassismus und Antisemitismus in Sachsen deutlich stärker verbreitet sind als im Rest der Republik. Beispielsweise erklärten im vergangenen Jahr 58 Prozent der Sachsen und nur 18 Prozent der Deutschen, dass die Bundesrepublik durch die vielen Ausländer in einem gefährlichen Maß überfremdet sei. Die nächste "Mitte-Studie" erscheint erst 2018.
Dem Beirat des "Sachsen-Monitors" gehören neben mehreren Wissenschaftlern unter anderem der Oberbürgermeister von Bautzen, Alexander Ahrens (SPD), und der Direktor der Landeszentrale für politische Bildung, Roland Löffler, an. Er hat den Fragenkatalog mit erarbeitet und stellt nun fest, die Zustimmung zu besonders harten Aussagen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit und extrem rechten Denkens sei stabil geblieben. Rechtsextremismus in Sachsen sei weiterhin "ein großes Problem", heißt es in der Stellungnahme des Beirats.
Am 7. Dezember wird der neue "Sachsen-Monitor" beim Donnerstagsgespräch in der Landeszentrale für politische Bildung in Dresden vorgestellt. Es diskutieren deren Direktor Roland Löffler, der Präsident des sächsischen Verfassungsschutzes, Gordian Meyer-Plath sowie der Oberbürgermeister von Bautzen, Alexander Ahrens. Informationen zur Veranstaltung hier.