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Schutz suchen. Diese Kinder haben sich in einen UN-Stützpunkt in Wau geflüchtet. Dort begannen die Kämpfe schon im Juni. In mehreren weiteren Bundesstaaten und auch in den Ölprovinzen im Norden hält der Waffenstillstand nicht.
© Charles Lomodong/AFP
Update

Bürgerkrieg im Südsudan: Die Macht der Militärs

Bei Kämpfen im Südsudan sind jetzt zwei Blauhelmsoldaten gestorben. Präsident Salva Kiir und sein Stellvertreter Machar haben keinen Plan für das Land.

Im Südsudan ist der Bürgerkrieg wieder aufgeflammt. Anhänger von Präsident Salva Kiir und dessen Stellvertreter Riek Machar lieferten sich in der Hauptstadt Juba am Montag erneut heftige Gefechte. Am Montagabend verkündete Kiir einen einseitigen Waffenstillstand, der von 18 Uhr an gelten sollte. Knapp zwei Stunden später kündigte auch Machar einen ebenfalls einseitigen Waffenstillstand der von ihm kontrollierten Truppen an. In New York verurteilte UN-Generalsekretär Ban Ki Moon die Verletzung des Friedensvertrags von 2015. Er forderte ein Waffenembargo gegen den Südsudan und Sanktionen gegen die Verantwortlichen für die Kämpfe. Kiir wie Machar haben große Vermögen im Ausland.

Am Donnerstag ist der Bürgerkrieg in die Hauptstadt des Südsudan zurückgekehrt. Aber eigentlich bahnten sich die neuen Kämpfe in Juba schon länger an. Nach zweieinhalb Jahren Bürgerkrieg hatten sich Präsident Salva Kiir und sein ehemaliger und nun wieder Vize Riek Machar im August 2015 auf ein 75 Seiten starkes Friedensabkommen geeinigt. Neben der Bildung einer Einheitsregierung, die seit Ende April wieder steht, gehörte zur Umsetzung des Vertrags auch, dass für einen Zeitraum von 18 Monaten zwei Armeen in Juba geduldet wurden. Die reguläre Armee SPLA und die Machar nahestehende Miliz, die sich SPLA in Opposition (SPLA-IO) nennt. Die SPLA hat in der ganzen Stadt Kontrollpunkte eingerichtet, um Fahrzeuge der SPLA-IO zu kontrollieren. Bei einer solchen Kontrolle kam es am Donnerstag zu einem Scharmützel, bei dem fünf Regierungssoldaten starben. Seither gibt es kein Halten mehr.

Am Montag wurde vor allem nahe einem Stützpunkt der Friedenstruppe der Vereinten Nationen (Unmiss) gekämpft. Dort leben seit dem Ausbruch des Bürgerkriegs im Dezember 2013 rund 30 000 Menschen, sie gehören überwiegend der Volksgruppe von Riek Machar, den Nuer, an. 2013 war es in den ersten Tagen der Kämpfe zu Massakern an Nuer gekommen. Am Sonntag und Montag wurde das Flüchtlingscamp mehrfach angegriffen. Offenbar sind Regierungstruppen, die von Kiirs Dinka dominiert werden, dafür verantwortlich. Zwei chinesische Blauhelmsoldaten starben, sechs weitere wurden verletzt. In der Nacht zum Montag verurteilte der UN-Sicherheitsrat beide Seiten und forderte sie auf, den Friedensvertrag zu erfüllen. Festus Mogae, der ehemalige Präsident Botswanas, soll die Umsetzung des Friedensvertrags überwachen. Doch schon im Juni sagte er: „Ich stehe hier mit schwerem Herzen.“

„Die Lage in Juba ist schwer einzuschätzen“, sagte Henrik Maihack dem Tagesspiegel. „Es ist nicht einmal klar, ob es noch funktionierende Befehlsketten gibt, ob also der Präsident überhaupt noch die Kontrolle über die Armee hat und ob der Vizepräsident noch den vollen Zugriff auf die ihm loyalen Truppen hat.“ Maihack ist Büroleiter der Friedrich-Ebert-Stiftung in Juba, aktuell aber in Deutschland. Derzeit weiß er nicht, wie schnell er zurückkehren kann. Noch am Samstag traten Kiir und Machar gemeinsam vor die Presse in Juba und riefen zur Ruhe auf. Beide hinterließen den Eindruck, „gar nicht zu wissen, wer kämpft“. So zitieren lokale Medien die Kontrahenten.

Seit Monaten hat Maihack „die Militarisierung Jubas“ beobachtet. Die Stadt sei voll mit Waffen und Soldaten, die nicht immer leicht zuzuordnen seien. Clémence Pinaud, der an der Indiana University in den USA lehrt und vor allem über die SPLA forscht, vermutet, dass Kiir die Kontrolle über die SPLA längst verloren hat. In einem Aufsatz für das Internetportal „African Arguments“ vertritt Pinaud die These, dass der Generalstabschef der SPLA, Paul Malong, schon vor Jahren faktisch die Macht übernommen habe. Er belegt das damit, dass Malong Kiir mehrfach Geld geliehen und jüngst den Brautpreis für Kiirs neueste Frau bezahlt habe. Seit den frühen 1980er Jahren festige Malong in der ehemaligen Rebellenarmee SPLA seine Macht, in seiner Heimatprovinz wurde Malong 2008, also noch vor der Unabhängigkeit, Governeur. Clémence Pinaud ist überzeugt davon, dass Kiir mittlerweile von Malong „gesteuert“ werde. Rieck Machar warf Regierungstruppen vor, seinen Stützpunkt mit Helikoptern angegriffen zu haben. Malong sagte mehrfach in den vergangenen Tagen, die SPLA habe die Lage in Juba "im Griff".

Henrik Maihack, der ständig Kontakt nach Juba hält, berichtet, dass die Märkte geschlossen seien. Die Bewohner der Hauptstadt wurden aufgefordert, zu Hause zu bleiben. „Allzu lange geht das nicht. Denn die Vorräte an Lebensmitteln und auch Wasser werden schnell knapp werden“, sagt er. Am Montag versuchten hunderte Menschen in die Stützpunkte der Blauhelmtruppe Unmiss zu kommen. Mehrere tausend Menschen sind bereits ins Nachbarland Uganda geflüchtet. Dort gibt es wie in Kenia große Flüchtlingslager, die schon in der Zeit des Unabhängigkeitskrieges vom Sudan eingerichtet wurden – und sich seit 2013 wieder füllen.

Die humanitäre Lage ist katastrophal. Etwa die Hälfte der Südsudanesen ist auf Nahrungsmittelhilfe angewiesen, weil wegen der Kämpfe auch keine Landwirtschaft mehr möglich war. Doch die Nahrungsmittelrationen sind dramatisch gekürzt worden, weil das Welternährungsprogramm nur einen Bruchteil der dafür zugesagten Mittel bekommen hat.

Nach Maihacks Einschätzung sind die Friedensbemühungen im Südsudan seit Jahren davon geprägt, dass „die politische Ökonomie des Südsudan“ ausschließlich auf das Militär ziele. Das Land habe mit seinen rund elf Millionen Einwohnern eine Armee, die doppelt so groß sei wie die Bundeswehr, sagt Maihack. Und schon beim Friedensabkommen mit dem Sudan 2005, das schließlich zur Unabhängigkeit des Südsudan vor fast genau fünf Jahren führte, sei „immer nur auf die gehört worden, die auf Waffen setzen“. Der Mechanismus, dass wer Macht und Einfluss, einen Posten in der Regierung und die Integration seiner Miliz in die Armee haben wolle, „nur eine Rebellion starten muss, die politische Instabilität bringt“, sei nie durchbrochen worden. In allen Friedensabkommen fehle ein ziviles Element, bedauert Maihack.

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